Spahn: Paracetamol nur noch für den „akuten Behandlungsfall“
Die Corona-Pandemie sorgt für erste Arzneimittelengpässe. Pneumokokken-Impfstoffe sind bereits knapp, und auch Paracetamol kristallisiert sich zunehmend als kritischer Kandidat heraus – so kritisch, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eingreift. In einem Brief, der DAZ.online vorliegt, fordert Spahn Hersteller, Großhandel und Apotheken auf, Paracetamol nur im akuten Behandlungsfall und der dafür benötigten Menge abzugeben und auch nur, wenn es keine geeigneten therapeutischen Alternativen gibt.
Das BMG will dadurch eine „bedarfsgerechte Versorgung mit paracetamolhaltigen Arzneimitteln weiterhin sicherstellen“, erklärt Spahn am 23. März 2020 in einem Schreiben an die Herstellerverbände, den Großhandelsverband PHAGRO und die ABDA. Bei den Abgabemengen sollen sich Hersteller und Großhandel an den durchschnittlichen monatlichen Absatzmengen von 2019 orientieren.
Was gilt für Apotheken?
Der Minister wendet sich auch direkt an die Apotheken. Diese sollen im Rahmen ihrer pharmazeutischen Beratung
- therapeutische Alternativen erwägen und
- paracetamolhaltige Arzneimittel nur abgeben, wenn therapeutische Alternativen im individuellen Einzelfall nicht in Frage kommen und
- Paracetamol nur in Mengen abgeben, die für eine akute Behandlung nötig sind.
Diese Vorgaben betreffen nicht nur die Apotheke vor Ort: Sie gelten auch für den Versandhandel mit paracetamolhaltigen Arzneimitteln. Die Regeln sind für OTC-Paracetamol ohnehin recht streng: Ohne Rezept bekommen Patienten in der Apotheke Paracetamol zur oralen Anwendung mit maximal 10 g, also ein Päckchen mit 20 Tabletten à 500 mg. Auch Paracetamol zur rektalen Anwendung ist verschreibungsfrei.
Paracetamol ist verschreibungspflichtig, ...
... ausgenommen Humanarzneimittel zur
a) oralen Anwendung zur symptomatischen Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen und/oder von Fieber in einer Gesamtwirkstoffmenge von bis zu 10 g je Packung und
b) rektalen Anwendung
Quelle: Anlage 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung
Ärzte: Rx-Paracetamol nur, wenn medizinisch notwendig
Das BMG richtet sich auch an die Kassenärztliche Bundesvereinigung: Ärzte sollen verschreibungspflichtige paracetamolhaltige Arzneimittel ebenfalls nur nach Prüfung therapeutischer Alternativen und nur in der medizinisch notwendigen Packungsgröße verordnen.
Das BMG hatte bereits in der vergangenen Woche Apotheker und Ärzte aufgefordert, Arzneimittel bedarfsgerecht abzugeben und zu verordnen.
Warum ist Paracetamol knapp?
Auch das BMG führt den Engpass bei Paracetamol auf die Coronakrise zurück. Aufgrund der Corona-Pandemie ist es zu einer starken Nachfrage nach dem fiebersenkenden Schmerzmittel gekommen.
Dass in Apotheken vor allem nach Paracetamol gefragt wird – und nicht nach Ibuprofen oder ASS – dürfte erheblich auch auf der Verbreitung einer WhatsApp-Nachricht zurückzuführen sein, die vor kurzem vor einem Zusammenhang von Ibuprofen-Einnahme und schweren COVID-19-Verläufen warnte. WHO und EMA sehen aktuell keine Hinweise zwischen Ibuprofen und einer Komplizierung von SARS-CoV-2-Infektionen – allerdings: Die Unsicherheit in der Bevölkerung ist geblieben, das wird jeder Apotheker in öffentlichen Apotheken aktuell bestätigen.
Ob die Einfuhrbeschränkungen Indiens den Engpass von Paracetmaol zusätzlich befeuern, bleibt spekulativ. Indien verhängte bereits vor Wochen einen Exportstopp für 26 Wirkstoffe und Arzneimittel, mit darunter auch Paracetamol.