Selbstmedikation

Wann ist Paracetamol „alternativlos“?

Stuttgart - 26.03.2020, 07:00 Uhr

Paracetamol soll aufgrund der herrschenden Knappheit nur noch an Patienten gehen, für die die Alternativen nicht geeignet sind. Doch welche sind das? (Foto: imago images / photothek)

Paracetamol soll aufgrund der herrschenden Knappheit nur noch an Patienten gehen, für die die Alternativen nicht geeignet sind. Doch welche sind das? (Foto: imago images / photothek)


Angesichts der herrschenden Paracetamol-Knappheit hat das Bundesgesundheitsministerium Hersteller, Großhandel und Apotheken aufgefordert, Arzneimittel mit diesem Wirkstoff nur im akuten und alternativlosen Behandlungsfall abzugeben. Doch in welchen Fällen sind andere OTC-Analgetika, allen voran Ibuprofen, bei akuten Schmerzen und Fieber eigentlich wirklich keine Option?

Seit vor etwas mehr als einer Woche eine Meldung viral ging, Ibuprofen würde schwere Verläufe von COVID-19 begünstigen, wurde Paracetamol ähnlich begehrt und somit so knapp wie derzeit Toilettenpapier oder Mehl. Zumal es vorher schon punktuelle Probleme mit der Lieferfähigkeit gab. Entsprechende Meldungen der WHO und Politiker-Tweets befeuerten das Ganze. 

Mittlerweile wurde von verschiedenen Institutionen, wie der EMA, der AMK und mit Verzögerung auch der WHO, sowie dem Virologen Christian Drosten darauf verwiesen, dass es für einen schädlichen Einfluss von Ibuprofen auf durch SARS-CoV-2 verursachte Infektionen derzeit keine Evidenz gibt und somit auch keinen Anlass, von einer Einnahme abzuraten. Doch das hat an dem „Run“ auf Paracetamol wenig geändert. Manche Darreichungsformen sind schlicht nicht zu bekommen. 

Nun hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eingemischt. In einem Brief, der DAZ.online vorliegt, fordert Spahn Hersteller, Großhandel und Apotheken auf, Paracetamol nur im akuten Behandlungsfall und in der dafür benötigten Menge abzugeben und auch nur, wenn es keine geeigneten therapeutischen Alternativen gibt. Doch wann ist das eigentlich der Fall? Sicherlich nicht, wenn Patienten aufgrund von Fake-News die Ibuprofen-Einnahme verweigern. Einige Fälle gibt es dann aber doch, in denen auf Paracetamol ausgewichen werden muss.

Wann ist Ibuprofen keine Option?

Schwangere ab der 28. Woche: In den ersten zwei Dritteln der Schwangerschaft haben Frauen laut Embryotox die Wahl zwischen Paracetamol und Ibuprofen, beide gelten als Schmerzmittel der Wahl in der Schwangerschaft. Im letzten Drittel ist dann Schluss mit NSAR, somit auch mit Ibuprofen. 

Hintergrund ist, dass die Hemmung der Prostaglandinsynthese zum vorzeitigen Verschluss der Verbindung zwischen Aorta und Truncus pulmonalis, des Ductus arteriosus, führt. Also der physiologischen Kurzschlussverbindung, die vor der Geburt den Lungenkreislauf umgeht und sich normalerweise in den ersten Tagen nach der Geburt schließt. Weil die fetale Lunge im Uterus noch nicht belüftet wird, wäre eine signifikante Lungendurchblutung für den Fetus unökonomisch. 

Die Empfindlichkeit des Ductus arteriosus bezüglich NSAR erhöht sich mit fortschreitender Schwangerschaft, weswegen Hemmer der Prostagalndinsynthese zum Ende der Schwangerschaft hin kontraindiziert sind, einzige Ausnahme ist die „Low Dose“-Behandlung mit ASS. Diese kann bei entsprechender Indikation in der ganzen Schwangerschaft durchgeführt werden.

Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht 

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Ganz kleine Kinder: Ibuprofen darf nicht bei Kindern unter 6,0 kg Körpergewicht (jünger als 3 Monate) eingesetzt werden. Paracetamol hingegen ist schon bei Kindern ab 3,0 kg möglich und somit bei den meisten Reifgeborenen. Die Einzeldosis beträgt dann 75 mg. Erhaltungsdosis und Tageshöchstdosis hängen vom Körpergewicht ab.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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