Mögliche COVID-19-Therapeutika

Zweitnutzung für bekannte Antiparasitika, Antibiotika und Zytostatika als Virostatika?

Düsseldorf - 02.04.2020, 13:45 Uhr

Könnten Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Antidepressiva dabei helfen, ein Therapeutikum gegen COVID-19 zu entwickeln? (t/Foto: imago images / Panthermedia)

Könnten Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Antidepressiva dabei helfen, ein Therapeutikum gegen COVID-19 zu entwickeln? (t/Foto: imago images / Panthermedia)


Forschungen insbesondere nach neuen Antidepressiva in den vergangenen Jahren kommen angesichts der COVID-19-Pandemie in ein ganz neues Licht. Die Kooperation von Forschenden aus so verschiedenen Bereichen wie medizinischer Psychologie und Virologie hat ein durch bekannte Wirkstoffe inhibierbares Schlüsselenzym aufgezeigt, dass in Zukunft helfen könnte, Infektionen mit SARS-CoV-2 und anderen Betacoronaviren zu therapieren.

Die Bereitschaft für Kooperation über die Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen hinweg und Erkenntnisse aus den Tiefen der reinen Grundlagenforschung könnten vielleicht in naher Zukunft zwei wichtige Bausteine sein, die aktuelle „Corona-Krise“ zu bewältigen. Denn eine bereits im Juni 2018 eingereichte und im Dezember 2019 im Fachmagazin Nature Communications veröffentlichte gemeinsame Studie von Forschern des Max-Planck-Instituts (MPI) für Psychiatrie in München und Wissenschaftlern des Instituts für Virologie der Charité in Berlin zeigt Wege auf, wie das Virus SARS-CoV-2 mit bereits in anderem Zusammenhang zugelassenen Wirkstoffen bekämpft werden könnte.

Am Beginn stand wohl die Erkenntnis, dass auf psychischen und physischen Stress reagierende Proteine in den Zellen des Körpers den Abbau defekter oder überzähliger Zellbestandteile regulieren können – die sogenannte Autophagie. Der Forscher Nils Gassen aus der Forschungsgruppe von Theo Rein am MPI für Psychiatrie in München, Erstautor der Studie und mittlerweile Forschungs-Gruppenleiter an der Uniklinik Bonn, identifizierte das Protein SKP2 (S-phase kinase-associated protein 2) als einen Inhibitor der Autophagie.

Eine verminderte Autophagie aber wird mit psychischen Erkrankungen wie Depression assoziiert. Auch Viren wie das mit dem COVID-19-Erreger SARS-CoV-2 verwandte MERS-CoV, dem Erreger des Middle East Respiratory Syndroms (MERS), regulieren die Autophagie in den Zellen herunter. Denn der Autophagie-Mechanismus ist ebenfalls eine zelluläre Abwehr von Virusinfektionen, mit dem produzierte Virusbestandteile vor ihrem Zusammenbau entsorgt werden können.

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All dies, so schlossen die Wissenschaftler, macht SKP2 zu einem Angriffspunkt für Wirkstoffe, die dessen Funktion hemmen und damit die Autophagie hochfahren. Das wiederrum kann ein Ansatz unter anderem für neue Anti-Depressiva sein – und für gegen Betacoronaviren wirksame Virostatika.

SKP2 ist in dieser Rolle zwar neu identifiziert worden, war aber kein unbekanntes Protein. Als Bestandteil des Ubiquitin-Ligase-Komplexes spielt SKP2 unter anderem eine Rolle in der Regulation des Zellzyklus von Wachstum, Teilung und programmiertem Zelltod (Apoptose). Insofern ist es als Onkogen, also als mit Krebsentstehung assoziiertes Protein bekannt. Daher gab es bereits bekannte SKP2-Inhibitoren aus früheren Arbeiten unter anderem zu Prostatakrebs, die die Forscher an der Charité nun auf ihre Wirksamkeit gegen die Vermehrung von MERS-CoV untersuchten.

Unter den Wirkstoffen waren so etwa das zugelassene Antiparasitikum Niclosamid, das seit 1959 ursprünglich als Molluskizid bekannt ist und gegen verschiedene Bandwürmer wirksam ist. Dort hemmt es die Aufnahme von Glukose und die Glykolyse. Bei oraler Aufnahme wird es so gut wie nicht durch die Magen-Darm-Trakt resorbiert.

Könnte ein Makrolid-Antibiotikum helfen?

Ein weiterer Wirkstoff, den die Berliner und Münchner Forscher untersuchten, war das Makrolid-Antibiotikum Valinomycin, das bislang allerdings nur in speziellen Fällen als Arzneimittel zugelassen ist und neurotoxisch wirkt. Für beide Wirkstoffe und weitere konnten die Forscher zeigen, dass sich die Vermehrung von MERS-CoV in Zellen damit eindämmen ließ. Unter anderem am von der Max-Planck-Gesellschaft ausgegründeten Lead-Discovery-Center in Dortmund sollen nun weitere Substanzen getestet werden, die die Autophagie der Zellen hochregulieren können.

Die Wissenschaftler Nils Gassen, Theo Rein sowie Marcel Müller, Gruppenleiter in der Abteilung des Virologen Christian Drosten an der Berliner Charité, und Bert Klebl, Leiter des Lead-Discovery-Centers in Dortmund haben gemeinsam auf Fragen von DAZ.online geantwortet, wie weit sich die Forschungen zu MERS-CoV im Zusammenhang mit SKP2 auf eine mögliche Therapie von COVID-19 übertragen lassen. „Ohne Zellkulturexperimente mit dem SARS-CoV-2 kann man nur aus der Verwandtschaft der Viren Vermutungen anstellen. Aus der Sequenzhomologie lässt sich die Vermutung begründen, dass die Hemmung der Autophagie auch bei SARS-CoV-2 wirksam sein müsste“, erklären die Forscher.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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