Entwurf der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung

Spahn will weitreichende Austauschmöglichkeiten für Apotheker

Berlin - 06.04.2020, 13:45 Uhr

Auch einzelne Bilster sollen Apotheken künftig abgeben können, wenn das verordnete Arzneimittel in der gewünschten Packungsgröße nicht verfügbar ist. (m / Foto: I Viewfinder / stock.adobe.com)

Auch einzelne Bilster sollen Apotheken künftig abgeben können, wenn das verordnete Arzneimittel in der gewünschten Packungsgröße nicht verfügbar ist. (m / Foto: I Viewfinder / stock.adobe.com)


Ende März hatten sich der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband auf eine Zusatzvereinbarung zum Rahmenvertrag geeinigt, die die Patientenkontakte in Apotheken während der SARS-CoV-2-Pandemie verringern helfen soll. Doch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will den Apotheken nun noch viel weiterreichende Befugnisse einräumen. So soll beispielsweise auch die Abgabe einer anderen Wirkstärke ohne Arztrücksprache möglich sein, wenn das verordnete Arzneimittel nicht verfügbar ist.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant eine Verordnung mit zahlreichen Ausnahmen und Ergänzungen zu den bestehenden Regelungen des SGB V, des Apothekengesetzes, der Apothekenbetriebsordnung, der Arzneimittelpreisverordnung, der Arzneimittelverschreibungsverordnung, des Betäubungsmittelgesetzes und der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung. Diese sogenannte SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung soll dazu beitragen, die Arzneimittelversorgung auch in Pandemiezeiten aufrechtzuerhalten, zugleich aber die Kontakte von Patienten mit Apotheken und Arztpraxen zu verringern. Dafür muss in dieser Ausnahmesituation das Wirtschaftlichkeitsgebot zurücktreten.

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Der Referentenentwurf für die Verordnung auf Grundlage des Bevölkerungsschutzgesetzes sieht unter anderem vor, sozialrechtliche Vorgaben anzupassen. Insbesondere sollen den Apotheken in den Fällen, in denen ein verordnetes Arzneimittel in der Apotheke nicht verfügbar oder nicht lieferbar ist, weitgehende Befugnisse für einen Austausch eingeräumt werden. Diese gehen sogar weit über das hinaus, was Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband kürzlich vereinbart hatten. So dürften etwa nach ärztlicher Rücksprache auch Arzneimittel abgegeben werden, die nicht wirkstoffgleich sind, sondern nur pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar. Auch ein Aut-idem-Kreuz müsste nicht mehr beachtet werden. Und Packungsgrößen und Stärken könnten sogar ohne Rücksprache mit dem Arzt geändert werden. Teilmengen einer Packung können ebenfalls abgegeben werden. 

Von diesen neuen Optionen ausgenommen bleiben allerdings Arzneimittel zur Substitutionstherapie opioidabhängiger Menschen – hier soll nur die Teilmengenregelung möglich sein. 

Konkret sieht der Verordnungsentwurf, der heute noch von den betroffenen Verbänden kommentiert werden kann, Folgendes vor:

§ 1 Abs. 4 des Referententwurfs für eine SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung:

„Abweichend von § 129 Absatz 1 und 2 dürfen Apotheken in den Fällen, in denen das verordnete Arzneimittel nicht verfügbar ist, an den Versicherten ein in der Apotheke verfügbares oder an die Apotheke lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Sofern nach Satz 1 weder das verordnete noch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel verfügbar ist, dürfen Apotheken nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel an den Versicherten abgeben. Satz 2 gilt auch für den Fall, dass der verordnende Arzt den Austausch des Arzneimittels ausgeschlossen hat. In den Fällen nach Satz 1 bis 3 dürfen Apotheken ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung abweichen im Hinblick auf:

1. die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl,

2. die Packungsanzahl,

3. die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen und

4. die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen,

sofern die verordnete Gesamtmenge des Arzneimittels nicht überschritten wird. Im Falle der Verschreibung von Betäubungsmitteln nach § 5 Absatz 6 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (Substitutionsmittel) findet Absatz 4 Satz 2 Nummer 1, 2 und 4 keine Anwendung.“

Sofern Teilmengen entnommen werden, stellt eine Änderung in der Arzneimittelpreisverordnung klar, dass für jede Teilmenge der Festzuschlag und somit die Beratungsleistung, der Arzneimittelpreis jedoch nur ein Mal abgerechnet werden kann.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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5 Kommentare

Spahn will weitreichende Austauschmöglichkeiten für Apotheker

von R. Teufert am 10.04.2020 um 11:19 Uhr

Sollte dies auch Schilddrüsenmedikamente betreffen, würde mit der Gesundheit von Patienten "gespielt".

In 2017 war mein TSH-Wert auf sage und schreibe 15.850 mIU/ statt 0.3500-4.500 mIU/ angestiegen und ich litt unter einer erheblichen Schilddrüsenunterfunktion mit zahlreichen einschränkenden Nebenwirkungen.

Es hat lange gedauert, bis meine Ärztin erfuhr, dass diese damit zusammenhingen, dass ich in der Apotheke nicht das verschriebene Medikament, sondern das Medikament eines anderen Herstellers erhielt.

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ehrlich gesagt

von Karl Friedrich Müller am 07.04.2020 um 8:58 Uhr

stinkt mir das ein bisschen. Obwohl wir eine verhältnismäßig kleine Apotheke sind, sind wir sehr gut lieferfähig. Das macht unsere nicht ganz günstige Lage wett.
Viele Kunden kommen, weil wir die AM HABEN.
So geht ein Wettbewerbsvorteil verloren, wenn Kollegen dann "irgendwas" abgeben können.

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AW: ehrlich gesagt

von Heiko Barz am 07.04.2020 um 10:56 Uhr

Natürlich hat ein umfangreiches Warenlager auch ein Qualitätspotential, bedarf aber auch eines glänzenden Finanzfundus. Bei Vielen ist aber die Kapazität des Warenlagers auf Kante genäht, wenn nicht auch schon vielfältig auf „Pump“ angelegt.
Spahns Lockerung der pharmazeutischen „Zügel“ machen mir ungute Gefühle, wegen der zu erwartenden Retaxe.
Diese Lockerung wird natürlich von Holland aus gern gesehen, denn damit könnten die ohne große Bedenken den AM-Markt in D überschwemmen. Auch glaube ich nicht, dass Herr Spahn übergroße Bedenken hat in Richtung einer Versorgungsübermacht der Holland „Apotheken“
Wie gesagt, ich traue diesem politischen Protagonisten - besser Opportunisten - nicht mehr über den Weg. Die Corona-Krise spült diesen Mann politisch unberechtigt nach oben. Wenn immer wieder auf seine „Erfolge“ reflektiert wird, so ist diese Beoachtung falsch. Er sonnt sich als GM in der „Corona“ der überlasteten aber dennoch erfolgreichen Gesundheitswelt mit der geschundenen und fast ausgebeuteten Menge an noch arbeitswilligen Gesundheitsversorgern aller Couleur.

AW: ehrlich gesagt

von Karl Friedrich Müller am 07.04.2020 um 11:35 Uhr

@ Herr Barz.
ja, es hat schon Vorteile, wenn man schuldenfrei ist. Außerdem bedarf es einer gewissen Planung, damit das Warenlager trotzdem nicht aus dem Ruder läuft. Manchmal auch Glück, damit man das bekommt, was sonst nicht lieferbar ist.
Ihre Meinung über Spahn teile ich vorbehaltlos. Es ist kein "Macher", sondern ein neoliberaler Zerstörer des Gesundheitswesens und lässt sich feiern, während andere - ungeschützt - den Kopf hinhalten müssen, weil eben unter anderem Spahn versagt hat

Eilverordnung

von Conny am 06.04.2020 um 14:32 Uhr

Was so alles geht. Daran sieht man auch welchen Mist der DAV unterschrieben hat.

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