Epidemiologie des Coronavirus

USA: Großangelegte Studie soll „stumme“ Infizierte erfassen

Remagen - 21.04.2020, 12:45 Uhr

In den USA soll schon bald eine groß angelegte Antikörper-Studie zeigen, wie viele asymptomatische Coronafälle es bereits geben könnte oder gegeben hat. (Foto: imago images / INA agency)

In den USA soll schon bald eine groß angelegte Antikörper-Studie zeigen, wie viele asymptomatische Coronafälle es bereits geben könnte oder gegeben hat. (Foto: imago images / INA agency)


Eine der großen Fragen in der Coronakrise ist, wie viele Menschen tatsächlich infiziert sind und wie viele die Infektion unbemerkt oder relativ unbeschadet überstanden haben. Da aus Kapazitätsgründen nicht die gesamte Bevölkerung getestet werden kann, muss die Wissenschaft sich bis auf weiteres mit „Zahlenspielen“ zufriedengeben, um die Strategien für die Bekämpfung der Pandemie wenigstens einigermaßen auf eine evidenzbasierte Basis zu stellen. Die USA startet hierzu gerade eine großangelegte Studie.

Zwar versuchen derzeit alle vom Coronavirus geplagten Länder die Devise der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Testen, testen, testen“ zu befolgen, aber wie kann das gelingen, wenn es nicht genügend Testkapazitäten gibt. Wie viele COVID-19-Fälle bleiben angesichts dieser misslichen Situation unentdeckt? Nach und nach beginnen kleine Studien, mit denen die weißen Flecken auf der SARS-CoV-2-Landkarte ausgemalt werden sollen. 

So berichtet zum Beispiel ein kürzlich erschienener Beitrag im New England Journal of Medicine über eine Umfrage, die an zwei Krankenhäusern in New York durchgeführt wurde. Die Erhebung erfasste 215 schwangere Frauen, die zur Entbindung in die Kliniken kamen. Bei der Aufnahme wurden sie auf Symptome von COVID-19 untersucht und auf das neuartige Coronavirus getestet. Vier Frauen waren symptomatisch und lieferten einen positiven Test auf SARS-CoV-2. Von den 211 Frauen ohne Symptome waren 29 (13,7 Prozent) positiv für SARS-CoV-2. Die „Take away Message“ der Studie: 29 von 33 positiv Getesteten, das heißt knapp 88 Prozent der Frauen, hatten keine COVID-19-Symptome.

Blutproben von bis zu 10.000 Freiwilligen

Die National Institutes of Health in Bethesda, Maryland, starten nun eine Studie, um die Situation auf etwas breiterer Front zu untersuchen und damit kritische Daten für epidemiologische Modelle bereitzustellen. Sie wird von Forschern des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) und des National Institute of Biomedical Imaging and Bioengineering (NIBIB) mit Unterstützung zweier weiterer Institute, allesamt Teile der NIH, durchgeführt. In dem „Serosurvey“ wollen die Wissenschaftler Blutproben von bis zu 10.000 Freiwilligen ohne eine bestätigte Infektionsgeschichte mit SARS-CoV-2 sammeln und auf Antikörper untersuchen, was als Hinweis auf eine vorherige Infektion gewertet wird. Die Ergebnisse sollen Aufschluss darüber geben, inwieweit sich das neuartige Coronavirus in den USA unentdeckt verbreitet hat, und welche Gemeinschaften und Bevölkerungsgruppen am stärksten betroffen sind.

Antikörpertest als „Rückspiegel“ des Immunsystems

Die Forscher werden die Blutproben auf zwei Arten von Antikörpern analysieren, Anti-SARS-CoV-2 S-Protein IgG und IgM, und zwar unter Verwendung eines ELISA (Enzyme-Linked Immunosorbent Assay), der von Forschern von NIAID und NIBIB entwickelt wurde. Für Blutproben, die entsprechende Antikörper enthalten, werden zusätzliche Tests in Betracht gezogen, um die Immunantworten der Freiwilligen auf das Virus genauer zu bewerten. Die Daten könnten Aufschluss darüber geben, warum diese Fälle weniger schwerwiegend waren als andere, die zu einem Krankenhausaufenthalt führten. „Ein Antikörpertest blickt mit einem Rückspiegel auf die Geschichte des Immunsystems zurück", erklärt Matthew J. Memoli, Direktor der Abteilung für klinische Studien des NIAID-Labors für Infektionskrankheiten und Prüfer der Studie. „Durch die Analyse des Blutes einer Person können wir feststellen, ob eine Person zuvor mit SARS-CoV-2 zu tun hatte." Nach dem Eintrag in clinicaltrials.gov NCT04334954 soll die Studie am 22. April gestartet werden. Voraussichtliches Studienende ist Ende März 2022.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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