COVID-19

Spielen Kinder bei der Ausbreitung der Corona-Pandemie eine untergeordnete Rolle?

Stuttgart - 24.04.2020, 17:54 Uhr

Viele Eltern beschäftigt derzeit die Frage, wann sie ihre Kinder wieder in die Kita bringen können. Währenddessen fragen sich viele Großeltern und Enkel wahrscheinlich, ob sie sich ohne größeres Risiko endlich wiedersehen dürfen. (s / Foto: NDABCREATIVITY / stock.adobe.com)

Viele Eltern beschäftigt derzeit die Frage, wann sie ihre Kinder wieder in die Kita bringen können. Währenddessen fragen sich viele Großeltern und Enkel wahrscheinlich, ob sie sich ohne größeres Risiko endlich wiedersehen dürfen. (s / Foto: NDABCREATIVITY / stock.adobe.com)


Seit Wochen sind die Kitas in Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen, Großeltern sollten nicht ihr Enkel betreuen, ein Ende dieser Situation ist nicht in Sicht. Manche schöpfen nun Hoffnung, dass Kinder bei der Ausbreitung des Coronavirus eine untergeordnete Rolle spielen könnten. Eine erste Studie untersucht diese Frage jetzt auch in Deutschland. 

Eine COVID-19-Infektion bei Kindern verläuft anders als bei Erwachsenen. Das ist schon länger bekannt. Die Hintergründe dazu liegen allerdings noch im Dunkeln. Nun stellen einige Forscher die Frage: Könnten Kinder bis zu zehn Jahren immun gegen das Coronavirus sein? Vier Universitätskinderkliniken im Südwesten wollen diese Frage in einer Studie klären, Ergebnisse einer isländischen Studie sollen so überprüft werden. Das berichtete die „Rhein-Neckar-Zeitung“ (RNZ) am vergangenen Mittwoch. 

Die Zeitung bezieht sich speziell auf die Uniklinik Heidelberg, beteiligt seien aber auch die Kinderkliniken in Ulm, Freiburg und Tübingen: „Gesucht werden landesweit 2000 Kinder plus jeweils ein Elternteil, 500 davon sollen im Verbreitungsgebiet der RNZ leben.“ Weil momentan die Öffnung der Kitas und Grundschulen im Vordergrund stehe, konzentriere man sich in der Studie auf Kinder zwischen eins und zehn Jahren – und deren Eltern, heißt es. Prof. Georg Hoffmann, Chef der Kinderklinik in Heidelberg, erläuterte der RNZ das Projekt. 

Im Rahmen einer isländischen Studie mit 13.000 Probanden sei kein einziges Kind unter zehn Jahren mit dem Coronavirus infiziert gewesen. Ob man in Deutschland zu ähnlichen Ergebnissen kommen werde, sei allerdings „sehr unsicher“: „Es gibt auch eine Studie aus China, die wiederum zeigt, dass Kinder ähnlich infiziert sind wie Erwachsene – und das Virus auch übertragen“, was in Island nicht der Fall gewesen sei. In der deutschen Studie vergleiche man nun mit einem Elternteil, um zu sehen, ob Kinder gleich häufig infiziert sind wie Erwachsene, „oder eben nicht“.

Die isländische Studie: Könnten Kinder immun sein? 

Die deutschen Forscher beziehen sich auf die Studie „Spread of SARS-CoV-2 in the Icelandic Population“ aus dem „New England Journal of Medicine“. Im Abstract der Studie heißt es, dass von 9199 gezielt getesteten Risikopatienten (Auslandsreise, Kontakt zu Infizierten, selbst symptomatisch) 1221 (13,3 %) positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Interessant für die Fragestellung nach den Infektionsraten unter Kindern war auch die Untersuchung der Allgemeinbevölkerung (offene Einladung an 10.797 Personen und zufällige Einladung an 2283 Personen). Dort waren nur 0,8 % (offene Einladung) bzw. 0,6 % (zufällige Einladung) mit dem Virus infiziert. Insgesamt wurden 6 % der Bevölkerung untersucht. 

Kinder unter zehn Jahren seien insgesamt weniger häufig infiziert gewesen als ältere (6,7% vs. 13,7 % bei gezielten Tests). In der Untersuchung der Gesamtbevölkerung sei kein Kind unter zehn Jahren positiv auf das Virus getestet worden. Unter den älteren Kindern seien 0,8 % infiziert gewesen. 

Offenbar waren auch Frauen weniger betroffen als Männer  (11,0% vs. 16,7% bei gezielten Tests; 0,6% vs. 0,9% in der Allgemeinbevölkerung). 

Ob die niedrigere Inzidenz unter Frauen und Kindern auf eine geringere Exposition oder gar eine biologische Resistenz zurückzuführen ist, wisse man nicht. Aber auch andere Studien hätten gezeigt, dass Kinder und Frauen weniger schwer an COVID-19 erkranken. 

Nun sucht man in Deutschland Probanden. Diese sollten allerdings nicht schon positiv auf Corona getestet worden sein und keine chronisch-kranken Patienten aus den Kinderkliniken sein. Man suche speziell Kinder, „die sich gesund fühlen“ – „kleinere Krankheiten“ seien erlaubt. Ideal seien Kinder aus Notbetreuungsgruppen. 

Auf die Frage, ob – wenn die Studie entsprechende Ergebnisse zeige – Kitas bald wieder öffnen können, sagte Hoffmann der RNZ: „Die Kitas werden, solange wir in einem guten Bereich bei den Infektionen bleiben, ohnehin zumindest teilweise geöffnet. Es würde uns dann ein besseres Gefühl geben, das zu machen. Wir müssten dann eben nicht vor italienischen Verhältnissen Angst haben.“ Man wisse bereits, dass Kinder seltener und meistens weniger symptomatisch werden – aber nicht, ob sie auch weniger häufig infiziert werden.

Die ersten Daten aus der neuen Studie sollen bereits in zehn bis vierzehn Tagen der Landesregierung Baden-Württemberg zur Verfügung stehen, berichtete der Südwestrundfunk. Sie sollen für die Entscheidung zu Lockerungen bei Schulen eine bessere Grundlage geben, sagte Hoffmann dem SWR. „Die gesamte Studie werde allerdings deutlich länger andauern.“



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Endlich!

von Malte Klimmek am 26.04.2020 um 22:05 Uhr

Da soll mit Hochdruck dran geforscht werden. Und, Herr Raab, wir wissen tatsächlich nicht viel - in Ländern wie Island, Niederlanden wird dagegen heftig Empirie betrieben. Und ich habe keine Lust zu warten, bis im Oktober aus einem Nebenetat eine Studie finaziert wird, die nur noch bestätigt, was viele europäische Nachbarn längst herausgefunden haben werden: Kitakinder und Grundschulkinder sind keine Superspreadpoints. Die lustigen Erwachsen wie Spahn und Co. in Fahrstühlen, die Jungengangs bei uns am Fluss oder Handwerker ohne jeden Abstand/Schutz sinds. Aber ja die Spielplätze zu lassen...

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zu früh

von Thomas Raab am 25.04.2020 um 21:21 Uhr

ich finde, es ist noch zu früh, um solche Thesen in den Raum zu werfen...die Krankheit kennen wir seit Anfang des Jahres...wir wissen noch nicht einmal, wie stark und schnell sie sich ausbreitet.

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