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Das Gedächtnis – eine komplexe Funktion

Stuttgart - 13.05.2020, 17:41 Uhr

(Bild: Good Studio / stock.adobe.com) 
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Wir haben einmal schwimmen gelernt und können es nun ein Leben lang. An einen bestimmten Wandertag in der Grundschule können wir uns genau erinnern, aber der Name des Kunden, der vor uns steht, fällt uns nicht ein, obwohl er mehrmals pro Woche in die Apotheke kommt.

Wie kann das Gehirn Informationen abspeichern? Und wieso schaffen es manche Informationen nicht in den Langzeitspeicher?

So funktioniert das Gedächtnis

Über die Sinnesorgane wird das Gehirn pausenlos mit Eindrücken aus der Umwelt bombardiert. Um eine Überlastung zu vermeiden, muss es die eingehenden Informationen sofort vorsortieren: Wichtiges wird in das Ultrakurzzeitgedächtnis aufgenommen, Unwichtiges gelöscht.

Das Ultrakurzzeitgedächtnis wird auch sensorisches Gedächtnis genannt. Wie der Name vermuten lässt, speichert es Informationen nur ca. 1-2 Sekunden. Es hilft uns dabei, den Faden in einem Gespräch nicht zu verlieren, die Handlung in einem Film mitverfolgen oder uns an die eben auf dem Verkehrsschild angekündigte Geschwindigkeitsbegrenzung erinnern zu können.

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Nur wenn die Information aus dem Ultrakurzzeitgedächtnis erneut abgerufen wird, wird sie für die Übernahme in das Kurzzeitgedächtnis aufbereitet. Andernfalls wird sie wieder gelöscht.

Das Kurzzeitgedächtnis wird auch als Arbeitsgedächtnis bezeichnet und speichert Informationen bis zu einigen Stunden ab. Wo habe ich den Apothekenschlüssel hingelegt? Welches Medikament soll ich für den Kunden aus der Schublade holen? Das Kurzzeitgedächtnis ist unerlässlich für die Bewältigung unserer alltäglichen Aufgaben.

Um Informationen langfristig im Langzeitgedächtnis abzuspeichern, müssen sie immer wieder abgerufen, Erlerntes immer wieder geübt werden. Dabei hilft es, wenn Erinnerungen mit Gefühlen verknüpft sind. Die große Aufregung vor der Abschlussprüfung oder unser hüpfendes Herz beim ersten Kuss sorgen dafür, dass wir uns langfristig an diese Situationen erinnern können. Umgekehrt lässt sich so erklären, weshalb wir uns schwer tun, für eine Klausur in einem Fach zu lernen, das uns nicht wirklich interessiert.

Erinnerungen, die im Langzeitgedächtnis abgespeichert sind, bleiben viele Jahre lang, oder sogar „für immer“. Manche Informationen können wir bewusst abrufen und sie mit Worten wiedergeben. Diesen Teil des Langzeitgedächtnisses bezeichnet man als das deklarative Gedächtnis. Dazu gehören z. B. in der Schule erlerntes Wissen aber auch persönliche Erlebnisse. Im prozeduralen Teil dagegen sind motorische Fähigkeiten und erlernte Abläufe abgespeichert. Haben wir das Schwimmen einmal gelernt, so können wir es ein Leben lang. Wir müssen uns dazu nicht bewusst die einzelnen Teilschritte abrufen und wir tun uns zumindest im ersten Moment schwer, die Bewegungsabläufe in Worte zu fassen. Wir machen es einfach.

Wo im Gehirn befindet sich das Gedächtnis?

Das Gedächtnis stellt keine klar abgrenzbare Struktur im Gehirn dar. Für die Fähigkeit, sich an Dinge erinnern zu können, ist ein Netzwerk von Nervenzellen zuständig, das sich über verschiedene Hirnbereiche erstreckt. Für das prozedurale Gedächtnis sind z. B. die Basalganglien zuständig, während für die Speicherung des Allgemeinwissens vor allem die Amygdala und der Hippocampus wichtig sind. Emotionale Erinnerungen werden hauptsächlich in der Amygdala gespeichert. Persönliche Erlebnisse werden eher in Regionen der rechten Gehirnhälfte gespeichert, erlerntes Wissen vor allem in der linken Gehirnhälfte. Die zum Zwischenhirn gehörige Corpora mammilaria sorgt dafür, dass Erinnerungen wieder abgerufen werden können.

Darum sind wir manchmal vergesslich

Manchmal verbringen wir mehrere Minuten am Tag damit, irgendwelche Dinge zu suchen. Wo habe ich meinen Geldbeutel hingelegt? Wo ist das Rezept, das eben noch hier lag?

Verschiedene Einflüsse können unser Erinnerungsvermögen beeinträchtigen. Solange sich diese „Aussetzer“ im Rahmen halten, sind sie weder besorgniserregend noch Anzeichen für eine Erkrankung. Für eine Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten sorgen z. B. Müdigkeit und Stress. Auch Flüssigkeitsmangel kann dazu führen, dass wir uns einmal nicht so gut erinnern können.

Meist fällt es uns in der passenden Umgebung leichter, entsprechende Informationen abzurufen. So erkennen wir Kunden in der Apotheke relativ schnell wieder, tun uns dann aber schwer, sie zuzuordnen und ihren Namen zu finden, wenn wir ihnen beim Einkaufen über den Weg laufen.

Wie alle Organtätigkeiten lässt auch die Funktion des Gehirns im Alter nach. Schon ab dem 30. Lebensjahr fällt es uns schwerer, neue Dinge zu lernen.

Vergesslichkeit muss keine krankhafte Ursache haben

Tritt Vergesslichkeit vereinzelt dann und wann mal auf, ist das sicherlich noch kein Grund zur Sorge. Häufen sich jedoch die „Aussetzer“, kann das das Zeichen für eine beginnende Demenz sein. Folgende Punkte können als Groborientierung gelten, um „normale“ Vergesslichkeit von beginnender Demenz zu unterscheiden:

VergesslichkeitDemenz
Nachdenken hilft, eine Antwort zu findenFragen werden mehrfach wiederholt, auch wenn die Antwort bereits genannt wurde
Einzelheiten werden vergessen (Wie heißt der neue Nachbar? Wann ist mein nächster Zahnarzttermin?)Komplette Abläufe werden vergessen (Wie koche ich Grießbrei? Wie ziehe ich mich an?)
Gegenstände werden gedankenlos irgendwo abgelegtGegenstände werden unsinnig „aufgeräumt“, z. B. der Geldbeutel im Gefrierschrank oder die Brille in der Waschmaschine
Bei kurzfristiger Ratlosigkeit kann Hilfe eingeholt werden (z. B. können Passanten nach dem Weg gefragt werden oder eine Telefonnummer nachgeschlagen)Die Fähigkeit zur Problemlösung ist verloren gegangen

Neben einer Demenz können auch andere Erkrankungen hinter einer gehäuften Vergesslichkeit stecken. So können z. B. auch ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus, Depressionen oder Durchblutungsstörungen der Auslöser sein. Verschiedene Medikamente können die Gedächtnisleistung ebenso beeinflussen wie ein übermäßiger Alkohol- oder Drogenkonsum.

Tritt Vergesslichkeit gehäuft auf oder trifft einer der oben genannten Punkte zu, sollte zur Sicherheit ein Arzt aufgesucht werden, um abzuklären, ob es eine behandlungsbedürftige Ursache gibt.

Im Bereich der OTC-Arzneimittel haben sich Präparate mit Gingo biloba Trockenextrakt zur Verbesserung der Gedächtnis- und Konzentrationsleistung etabliert. Es zeigt sich eine symptomatische Wirksamkeit schon bei ersten kognitiven Einbußen. Die meisten Studienergebnisse wurden mit dem Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761® gewonnen.

EGb 761® verbessert die Fließeigenschaften des Bluts, insbesondere in den kleinsten Blutgefäßen wie etwa im Gehirn. Die Zellen werden dadurch besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Darüber hinaus fördert EGb 761® die Neuroplastizität des Gehirns, was sich positiv auf die Vernetzung der Nervenzellen auswirkt. Durch den positiven Einfluss auf das cholinerge und dopaminerge Neurotransmittersystem wird darüber hinaus die Signalverarbeitung zwischen den einzelnen Nervenzellen verbessert. 

Ausdrücklich als Behandlungsoption erwähnt wird dieser Spezialextrakt in der Neufassung der Leitlinie „Demenzen“, die von führenden deutschen Fachgesellschaften im Jahr 2016 herausgegeben wurde. Demnach eignet sich der Ginkgo-biloba-Extrakt EGb 761® für Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer- oder vaskulärer Demenz, vor allem wenn zusätzlich Verhaltenssymptome vorliegen. 


Annette Thomas, Apothekerin, Dozentin, DAZ.online-Autorin
redaktion@daz.online


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