Geänderte Formulierung und Zulassung

Anticholium: nicht mehr in den Muskel

Stuttgart - 28.05.2020, 12:30 Uhr

Anticholium ist künftig frei von Natriummetabisulfit und darf nicht mehr intramuskulär appliziert werden. (m / Foto: Köhler)

Anticholium ist künftig frei von Natriummetabisulfit und darf nicht mehr intramuskulär appliziert werden. (m / Foto: Köhler)


Das physostigminhaltige Arzneimittel Anticholium darf fortan nicht mehr intramuskulär verabreicht werden. Darüber informiert der Hersteller Dr. Franz Köhler Chemie gemeinsam mit dem BfArM. Grund ist die neue Formulierung – ohne Natriummetabisulfit – des Acetylcholinesterase-Hemmers.

Im Normalbetrieb einer öffentlichen Apotheke hat wohl kein Apotheker Berührungspunkte mit Anticholium® – das physostigminhaltige Arzneimittel ist indiziert zur Behandlung postoperativ auftretender Störungen, wie dem Zentralen Anticholinergen Syndrom (ZAS), verzögertem postoperativem Erwachen und Kältezittern (Shivering). Zudem wird der Acetylcholinesterase-Hemmer als Antidot beziehungsweise Antagonist bei Vergiftungen beziehungsweise Überdosierungen eingesetzt.

Jetzt ohne Natriummetabisulfit

Zwei Dinge haben sich bei Anticholium® nun geändert

  • Die intramuskuläre Anwendung fällt weg (nicht mehr zugelassen) und
  • Anticholium® ist jetzt Natriummetabisulfit-frei

Darüber informiert der Zulassungsinhaber von Anticholium®, die Dr. Franz Köhler Chemie GmbH, in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Köhler hat die Zulassung von Anticholium® geändert und das bisher enthaltene Antioxidationsmittel Natriummetabisulfit aus der Formulierung entfernt. Warum?

Nur noch intravenös

Natriummetabisulfit kann in seltenen Fällen schwere Überempfindlichkeitsreaktionen und Verkrampfungen der Atemwege (Bronchospasmen), insbesondere bei Bronchialasthmatikern hervorrufen. Durch die Änderung der Formulierung ohne Natriummetabisulfit erhofft sich der Hersteller eine verbesserte Anwendungssicherheit des physostigminhaltigen Arzneimittels. Allerdings hat das auch für die Applikationsart Konsequenzen, da sich dadurch auch die Osmolalität geändert hat. Das könne bei der intramuskulären Gabe die Bioverfügbarkeit von  Anticholium® und damit die Effektivität, zum Beispiel Eintritt oder Stärke des Effekts, und die Sicherheit beeinträchtigen. Bislang war Anticholium® 2 mg Injektionslösung zur intravenösen und intramuskulären Anwendung zugelassen. Aufgrund der unklaren Bioverfügbarkeit der neuen Formulierung bei der intramuskulären Gabe hat Köhler nun diese Anwendungsart aus der Zulassung gestrichen. Die Fach- und Gebrauchsinformation werden aktualisiert. Alle Warnhinweise, Kontraindikationen und Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit unerwünschten Reaktionen auf Natriummetabisulfit stehen, werden herausgenommen.

Indikation von Anticholium

Zur Behandlung postoperativ auftretender Störungen:

  • Zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS)
  • Verzögertes postoperatives Erwachen
  • Kältezittern (Shivering)

Als Antidot bzw. Antagonist bei Vergiftungen bzw. Überdosierung mit:

  • Alkohol
  • Tropanalkaloiden (Hyoscyamin, Atropin, Scopolamin, zum Beispiel in Engelstrompete, Stechapfel, Tollkirsche)
  • Panther- und Fliegenpilz
  • Trizyklischen Antidepressiva (Amitriptylin, Imipramin, Trimipramin, Clomipramin, Doxepin)
  • Antiemetika/Antihistaminika (Phenothiazin, Thioridazin, Chlorpromazin, Promethazin, Diphenhydramin, Dimenhydrinat)
  • Neuroleptika (bes. Butyrophenone)
  • Benzodiazepinen
  • Spasmolytika (Tolderodin, Oxybutynin)
  • Antiparkinsonmitteln (Amantadin, Diphenhydramin),
  • Baclofen, 4-Hydroxybutansäure (GHB)
  • Inhalationsanästhetika
  • Ketamin
  • 3-Chinuclidinylbenzilat

                                                                                   (Quelle: Fachinformation)


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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