Streit um Citalopram-Generika

Generalanwältin hat kein Nachsehen mit Lundbeck

Berlin - 04.06.2020, 16:00 Uhr

Der dänische Arzneimittelkonzern Lundbeck muss eine saftige Strafe zahlen, weil er Generikahersteller mit Geldzahlungen davon abhielt, sein erfolgreiches Citalopram allzu schnell nachzuahmen. Zu Recht, findet die Generalanwältin am EuGH, Juliane Kokott.  (imago images / Ritzau Scanpix)

Der dänische Arzneimittelkonzern Lundbeck muss eine saftige Strafe zahlen, weil er Generikahersteller mit Geldzahlungen davon abhielt, sein erfolgreiches Citalopram allzu schnell nachzuahmen. Zu Recht, findet die Generalanwältin am EuGH, Juliane Kokott.  (imago images / Ritzau Scanpix)


Geht es nach der deutschen Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Juliane Kokott, bleibt Lundbeck auf der fast 94 Millionen Euro schweren Geldbuße sitzen, die die EU-Kommission 2013 gegen den dänischen Pharmakonzern verhängt hat. Der Vorwurf lautete, Lundbeck habe mit Geldzahlungen an Generikahersteller die Markteinführung von Citalopram-Generika verzögert. Schon 2016 hatte das Gericht der Europäischen Union den Kommissionsbeschluss bestätigt – nun ist der EuGH als Rechtsmittelinstanz gefragt.

Vor sieben Jahren hat die EU-Kommission gegen den Pharmakonzern Lundbeck, der auf Arzneimittel gegen neurologische und psychiatrische Störungen spezialisiert ist, eine Geldbuße von 93,8 Millionen Euro verhängt. Zudem wurden vier Generikahersteller (Generics UK – damals britische Tochter der Darmstädter Merck –, Alpharma, Arrow und Ranbaxy) zur Zahlung von insgesamt 52,2 Millionen Euro aufgefordert. Der Hintergrund: Das dänische Unternehmen zahlte den vier Unternehmen Geld, damit sie die Markteinführungen von Generika des erfolgreichen Lundbeck-Antidepressivums Citalopram verzögern.

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Es war das ersten Mal, dass die Kommission das europäische Kartellverbot auf Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten angewendet hat, die zwischen einem Pharmaunternehmen, das Inhaber von Patenten ist, und Generikaherstellern geschlossen wurden. Nach Ansicht der Kommission sind solche Vereinbarungen nicht per se rechtswidrig. Als Mittel zur Einsparung von Ressourcen könnten sie sogar im öffentlichen Interesse liegen. Wenn sie aber – wie hier –mit den Regeln des Wettbewerbsrechts in Konflikt gerieten, werde es problematisch. Denn hier ging es nach Auffassung der Kommission gar nicht darum, einen Patentstreit zu beenden, sondern lediglich darum, potenzielle Wettbewerber zurückzuhalten. Jahrelang hatte die Kommission den Fall untersucht, ehe sie ihre Geldbußen aussprach.

Lundbeck wollte den Kommissionsbeschluss jedoch nicht auf sich sitzen lassen und klagte beim Gericht der Europäischen Union. Dieses wies die Klage des Arzneimittelherstellers im September 2016 ab und bestätigte damit den Kommissionsbeschluss. Das Gericht ging ebenso wie die Kommission davon aus, dass die Generikaunternehmen potenzielle Wettbewerber waren und die streitigen Vereinbarungen eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellten. Also zog Lundbeck weiter durch die Instanzen und legte Rechtsmittel beim EuGH ein.

Kokott: Alles richtig entschieden

Am heutigen Donnerstag hat die Generalanwältin am EuGH, Juliane Kokott, ihre Schlussanträge vorgelegt, die Lundbeck keine große Hoffnung geben dürften. Kokott ist überzeugt, dass der Gerichtshof richtig entschieden hat – daher schlägt sie dem EuGH vor, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

So ist auch die Generalanwältin der Meinung, dass Lundbeck und die vier anderen Unternehmen sich zum Zeitpunkt der Vereinbarung in einem potenziellen Wettbewerbsverhältnis befanden. Dass Lundbeck noch Patente auf gewisse Herstellungsverfahren innehatte, ist aus ihrer Sicht kein wirkliches Hindernis für den Markteintritt der Generikaunternehmen gewesen. Sie verweist zudem auf ein kürzlich vom Gerichtshof gegen verschiedene Generikahersteller und GSK erlassenes Urteil, wonach dass das Bestehen eines Verfahrenspatents es nicht ausschließt, einen Hersteller von Generika als „potenziellen Wettbewerber“ des Herstellers des betreffenden Originalpräparats einzustufen.

Nach Ansicht von Kokott hat die Vorinstanz auch zutreffend entschieden, dass der potenzielle Wettbewerb nicht deshalb verhindert wird, weil ein Generikahersteller in einem bestimmten Mitgliedstaat noch nicht über eine Zulassung für sein Erzeugnis verfügt.

Zudem geht sie ebenfalls davon aus, dass man es hier mit einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen zu tun hat. Lundbecks Erwartung infolge seiner Geldzahlungen war, dass der Wettbewerb erst einmal ausbleibt. Das Unternehmen habe nichts dazu vorgetragen, dass es eine andere Gegenleistung gegeben hätte, so die Generalanwältin. 

Nun muss der Europäische Gerichtshof seine eigene Entscheidung treffen. Allerdings wäre es wohl eine Überraschung, wenn er sich gegen die bisherige so eindeutige Linie der europäischen Gremien stellen würde.

Schlussanträge in der Rechtssache C-591/16 P vom 4. Juni 2020


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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