Interview mit gematik-Chef Leyck Dieken

„Für Apotheker bringt das E-Rezept viele Vereinfachungen“

Berlin - 30.06.2020, 09:00 Uhr

Der Geschäftsführer der gematik, Markus Leyck Dieken, ist überzeugt, dass die Apotheken die Herausforderung E-Rezept meistern werden. (Foto: gematik)

Der Geschäftsführer der gematik, Markus Leyck Dieken, ist überzeugt, dass die Apotheken die Herausforderung 
E-Rezept meistern werden. (Foto: gematik)


Am heutigen Dienstag will die gematik ihre aktualisierten Spezifikationen für das E-Rezept vorlegen. Im Gespräch mit DAZ.online erläutert gematik-Geschäftsführer Markus Leyck Dieken vorab, wie sich die Apotheker im Zuge der Digitalisierung im Gesundheitswesen klug positionieren können und was es mit der umstrittenen „Teilen-Funktion“ in der E-Rezept-App auf sich hat.

DAZ.online: Herr Leyck Dieken, als Geschäftsführer der gematik sind Sie für die weitere Digitalisierung der Arzneimittelversorgung zuständig. Die tägliche Arbeit der Apotheker zeichnet sich bereits heute durch viele digitale Komponenten aus. An welchen Stellen sehen Sie noch Potenzial?

Leyck Dieken: Ich kenne die Abläufe nicht zuletzt durch meine Zeit in der Pharmaindustrie sehr gut. Schon heute gibt es einen hohen Digitalisierungsgrad in den Apotheken. Allerdings ist es wichtig, dass wir in den kommenden Jahren Insellösungen vermeiden. Es darf nicht zu viele Systeme und digitale Angebote für den Patienten im Markt geben. Letztlich sollte es bei Apotheken auf eine Mischung zwischen Vor-Ort-Präsenz und digitalen Möglichkeiten hinauslaufen.

DAZ.online: Wie können digitale Tools in der Apotheke denn aus Ihrer Sicht die Versorgung für den Patienten verbessern?

Leyck Dieken: Der Papier-Medikationsplan war kein Erfolg. Apotheker müssen den Medikationsplan einsehen und mit Informationen über die Selbstmedikation ergänzen können, denn auch OTC-Medikamente haben ein gewisses Risikoprofil. Die Digitalisierung eröffnet uns aber noch andere Chancen in der Arzneimittelversorgung. Beispielsweise ist in einer EU-Richtlinie vorgesehen, dass es für blinde Menschen Beipackzettel auch in digitalen Formaten geben muss. Auch sollten Patienten digital Gesprächstermine mit Apothekern vereinbaren, vorab nach Arzneimitteln suchen und deren Verfügbarkeit erfragen können.

DAZ.online: Kommen wir zum E-Rezept. Welches sind denn die wichtigsten Vorteile von digitalen Verordnungen für den Patienten?

Leyck Dieken: Ich möchte hier zunächst einen Punkt ansprechen, der in der Diskussion bisher viel zu kurz gekommen ist: Die gematik hat beim E-Rezept erstmals interoperable, internationale Standards verwendet und eingeführt. Langfristig gesehen wird das dazu führen, dass Skifahrer aus Deutschland im Winterurlaub in Österreich und der Schweiz ihre E-Rezepte auch dort einlösen können. Eine Einzellösung für Deutschland zu schaffen, wollten wir vermeiden. Das E-Rezept wird nach dem sogenannten FHIR-Standard aufgebaut. Damit kann es in allen mobilen Betriebssystemen angewendet werden und ist anschlussfähig. Zwar müssen in den kommenden Jahren noch Schnittstellen zwischen den Ländern, sogenannte ‚National Contact Points‘, gebaut werden, aber ohne den FHIR-Standard wäre eine internationale Nutzung ausgeschlossen gewesen. Wir bauen also die modernste Version des E-Rezepts. Wenn alles glatt läuft, könnte das E-Rezept in ein paar Jahren international anwendbar sein. Aber auch für Apotheker bringt das E-Rezept viele Vereinfachungen.

DAZ.online: Die wären?

Leyck Dieken: Die Rezeptbearbeitung wird vereinfacht. Der Apotheker bekommt die E-Rezepte vom Kunden entweder elektronisch direkt ins Warenwirtschaftssystem übermittelt oder liest das E-Rezept über einen Scanner ein, der ebenfalls mit dem Warenwirtschaftssystem verbunden ist. Das vermeidet Eingabefehler, Medienbrüche und letztlich auch Retaxationsfälle. Hinzu kommt die Möglichkeit, Eintragungen in den E-Medikationsplan vorzunehmen. Das erleichtert nicht nur die Arbeit der Apotheker, sondern verbessert auch die Arzneimitteltherapiesicherheit.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Den Schuß nicht gehört

von ratatosk am 02.07.2020 um 8:46 Uhr

Leider zeigt sich hier wieder wie vom eigentlichen stragischen Ziel abgelenkt wird.
Vereinfachungen - naja, wenn der Rechner streikt ist man in 5 Tagen tod, extreme Anfälligkeit für Totalausfall großer Teile des Landes, etc. etc.
Ziel ist Förderung der weiteren Konzentration zugunsten großkapitalistischer Konzere - Punkt. Wäre es anders, hätten wir ein RX Versandverbot , haben wir ! aber ganz geziehtl nicht. Wie problematisch diese Konzentrationen sind, auf allen Ebenen ! hätte man jetzt sehen können, aber es ist nichts passiet. Gerade kommen auch die Meldungen, daß die GKV Apparatschicks die ersten Übergangserleichterungne kündigen - business as usual.

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ganz genau

von Karl Friedrich Müller am 30.06.2020 um 11:05 Uhr

wenn alle Rezepte beim Versender sind, wird es sehr einfach.

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Ideale, fehlerfreie Welt

von Hubert Kaps am 30.06.2020 um 10:34 Uhr

Ich gebe dem Herrn durchaus recht, dass Vereinfachungen im Alltag denkbar sind. Spannend wird es in dem Fall, wenn das Rezept zwar formal richtig, inhaltlich aber fehlerhaft ist. Es menschelt halt doch hinter den PC´s.. Daher ist es dringend geboten, ausführlich über den technischen Hintergrund von Heilungsmöglichkeiten nachzudenken, bzw. zwingend das Papierrezept parallel weiterzuführen.

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Zukünftige Positionen der Kassen bleibten leider unerwähnt ...

von Christian Timme am 30.06.2020 um 9:47 Uhr

Systemübergreifende Aspekte scheinen eine völlig untergeordnete Rolle einzunehmen ... geht das auch konkreter?

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.

von Anita Peter am 30.06.2020 um 9:25 Uhr

"Der Wettbewerb wird nicht ausschließlich dem Versandhandel Möglichkeiten eröffnen. Ich bin sicher, dass wir noch Überraschungen erleben werden, wer alles in den Wettbewerb einsteigt"

Es gab mal Zeiten, da ging der Kunde dorthin, wo der Apotheker am besten beraten hat, wo sich der Apotheker Zeit genommen hat, wo der Apotheker als Lotse funktioniert hat. Entspricht alles nicht mehr dem Zeitgeist.

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AW: Zeitgeist

von Holger am 01.07.2020 um 9:15 Uhr

Könnte es sein, dass zu wenig Kollegen Ihrem Vorbild gefolgt sind, weil man jahrzehntelang mit Päcklesschieben und Zusatzverkäufen genug Geld verdient hat? Dann wäre der Berufsstand in Gänze an dieser Entwicklung des Zeitgeistes nicht so ganz unbeteiligt, oder?

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