Zuckersüßes Beratungswissen – Teil 11

Milchzucker – ein Enzym sorgt für Toleranz

Korntal-Münchingen - 04.08.2020, 09:15 Uhr

Für die große Mehrheit der erwachsenen Weltbevölkerung ist Milchzucker unverträglich. In Mittel- und Nordeuropa sind rund 15 Prozent der Menschen lactoseintolerant. (m / Foto: imago images / YAY images)

Für die große Mehrheit der erwachsenen Weltbevölkerung ist Milchzucker unverträglich. In Mittel- und Nordeuropa sind rund 15 Prozent der Menschen lactoseintolerant. (m / Foto: imago images / YAY images)


Rund 85 Prozent der Menschen in Mittel- und Nordeuropa können lebenslang im Dünndarm das Enzym Lactase bilden, das Milchzucker aufspaltet und verdaut. Die restliche, nicht gerade kleine Gruppe von rund 15 Prozent leidet dagegen nach dem Verzehr von Milchprodukten an Magen-Darm-Beschwerden. Hier kann die Apotheke durch kompetente Beratung Pluspunkte sammeln.

Milchzucker (Lactose) schenkt der Säugetiermilch Energie und milde Süße. Säuglinge sind perfekt dafür ausgerüstet, Milchzucker als Energiequelle für ihren Körper zu nutzen, indem sie das Disaccharid in seine Bausteine Galactose und Glucose aufspalten. Das geschieht mithilfe der Lactase, einem Enzym, dessen körpereigene Produktion jedoch mit zunehmendem Alter auf Sparflamme läuft oder ganz eingestellt wird.

90 bis fast 100 Prozent der Asiaten und Afrikaner, die große Mehrheit der Südeuropäer, aber auch ca. 15 Prozent der hiesigen Bevölkerung haben als Erwachsene einen genetisch bedingten Lactasemangel. Das bedeutet keinesfalls, dass sie deshalb krank sind oder gar eine Allergie haben, wie fälschlicherweise oft angenommen wird. Wenn die traditionelle Ernährung keine oder kaum Milchprodukte enthält, nehmen diese Menschen ihren Enzymmangel vermutlich nicht einmal wahr.

Magen-Darm-Beschwerden dosisabhängig

Anders ist das in unserem mitteleuropäischen Kulturkreis, wo rund 85 Prozent der Menschen Milchzucker vertragen und fast jeder täglich Milcherzeugnisse verzehrt. Hier erweist sich ein genetisch bedingter Lactasemangel als lästiger Störfaktor. Wird der Milchzucker im Dünndarm nämlich nicht aufgespalten, wandert er unverdaut in den Dickdarm. Dort machen sich Bakterien ans Werk und zerlegen das Milchzucker-Molekül in organische Säuren sowie Kohlenstoffdioxid, Wasserstoff und Methan. Die Gase sammeln sich im Darm und können heftige Beschwerden auslösen. Zusätzlich wirkt unverdauter Milchzucker osmotisch und zieht Flüssigkeit in den Darm.

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Die Betroffenen quälen sich mit Übelkeit, Völlegefühl, leichten bis starken Blähungen, Bauchschmerzen oder gar Krämpfen, im schlimmsten Fall mit schweren Durchfällen. Anders als bei einer Allergie, wo bereits Spuren des Allergens zu heftigen Körperreaktionen führen können, ist eine Unverträglichkeit aufgrund eines Enzymmangels dosisabhängig. Mitunter verfügen die Betroffenen auch noch über eine enzymatische Restaktivität, sodass kleine Portionen des „riskanten“ Lebensmittels, über den Tag verteilt gegessen, durchaus vertragen werden. Nur wer sehr empfindlich ist, muss milchzuckerhaltige Speisen komplett links liegen lassen.



Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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