TV-Beitrag zur Hilfsmittelversorgung

„Ruinöser Preiskampf zulasten der Qualität“

Berlin - 13.08.2020, 16:45 Uhr

Nach dem TSVG sollen die Krankenkassen bei Vertragsabschlüssen zur Hilfsmittelversorgung – also etwa bei Inkontinenzprodukten – stärker auf Qualität setzen als bisher. Aber schlägt sich die neue Vorschrift wirklich in der Versorgung nieder? (m / Foto: imago images / YAY Images) 

Nach dem TSVG sollen die Krankenkassen bei Vertragsabschlüssen zur Hilfsmittelversorgung – also etwa bei Inkontinenzprodukten – stärker auf Qualität setzen als bisher. Aber schlägt sich die neue Vorschrift wirklich in der Versorgung nieder? (m / Foto: imago images / YAY Images) 


Dass in der Hilfsmittelversorgung gesetzlich Versicherter einiges im Argen liegt, ist wohl jedem Apothekenmitarbeiter schon aufgefallen. Jetzt hat sich das Verbrauchermagazin „Plusminus“ das Thema vorgenommen: Die Sendung informierte am gestrigen Mittwochabend über die Verhandlungspraktiken der Krankenkassen und die Folgen für deren Versicherte.

Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sollte alles besser werden: weg mit dem Preisdumping, hin zu mehr Qualität in der Hilfsmittelversorgung. So hatte es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigt. Inzwischen ist das TSVG seit Monaten vollständig in Kraft getreten – die Hoffnungen des Ministers, der Patienten und Leistungserbringer haben sich jedoch offenbar nicht erfüllt.

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Wie ein TV-Beitrag in der ARD-Sendung „Plusminus“ aufzeigt, tricksen einige Kassen bei der Umsetzung der neuen Regeln. So sind die Kostenträger eigentlich inzwischen verpflichtet, mit allen infrage kommenden Leistungserbringern über die Hilfsmittelversorgung zu verhandeln. Apotheker Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbands Niedersachsen, beschreibt diese „Pseudo-Verhandlungen“, wie „Plusminus“ sie nennt, als „ausgesprochen zäh“.

Wo bleibt die Menschlichkeit?

Aus den Praktiken der Kassen folgt der Sendung zufolge ein „ruinöser Preiskampf zulasten der Qualität“. Denn sie legen es Groeneveld zufolge darauf an, die Preise auf Ausschreibungsniveau einzufrieren. Damit untergraben sie den Willen des Gesetzgebers. „Natürlich ist der Spardruck bei den Krankenkassen extrem groß“, räumt der Apotheker ein. „Aber wir müssen auch die Qualität der Versorgung und die Menschlichkeit der Versorgung mitbewerten.“

Dass es bei der Versorgung von Menschen mit Harninkontinenz längst nicht mehr menschlich zugeht, erläutert der Beitrag am Beispiel einer 92-jährigen Frau, die ihre Einlagen nur in unzureichender Menge erhält. Der Grund: Eine Einlage fasse immerhin 1,5 l Flüssigkeit. Bei einer Trinkmenge von 1,5 bis 2 l sollte demnach eine pro Tag ausreichen. Wunde Stellen im Intimbereich und ein unangenehmer Geruch bleiben bei dieser Rechnung unberücksichtigt. Nach mehreren Beschwerdeanrufen der Tochter der Betroffenen bei der Kasse ihrer Mutter fällt den Mitarbeitern doch noch eine Lösung für das Problem ein: Sie raten dazu, die Inkontinenzprodukte einfach direkt beim Großhandel zu bestellen. Dort seien sie billiger als in der Apotheke und im Sanitätshaus.

Kassenaufsicht sieht „dringenden Handlungsbedarf“

„Plusminus“ konfrontiert im Beitrag auch die zuständige Kassenaufsicht, das Bundesversicherungsamt, mit den Vorwürfen. Dieses teilt mit: „Auch nach Erlass des TSVG liegen dem Bundesversicherungsamt diverse Beschwerden vor, dass Krankenkassen nicht ordnungsgemäß verhandeln und Vertragsregelungen einseitig diktieren wollen.“ Vielen Beschwerden sei man inzwischen nachgegangen und sehe diesbezüglich „dringenden Handlungsbedarf“. Bleibt abzuwarten, wie die Behörde den Preispoker der Kostenträger beenden will.

Hier können Sie den Panorama-Beitrag online anschauen (bis 12. August 2021).


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Kausalität

von Reinhard Rodiger am 13.08.2020 um 21:52 Uhr

Es gibt wenig Bereiche, in denen die Abhängigkeit von Unterfinanzierung zu ernsten Personenschäden deutlicher nachzuweisen ist als bei der Inkontinenzversorgung.Niemand will verstehen, dass Qualität Geld kostet und dass die KK nur an weniger Geld Interesse haben und nicht an der Qualität bzw der Patientenversorgung.Nicht zuletzt: dieses Thema ist Jahrzehnte alt.Zum Dauerschaden der Patienten, die sich häufig nicht wehren können.Persönliche Betreuung wird ausgehebelt zugunsten von Quartalsversorgung ohne Rückkopplung.Die Kausalbeziehung von Dekubitus zu schlechter Materialversorgung ist unumstritten.

Die menschenfeindlichen Methoden der KK müssen laut bekannt gemacht werden.Dieses Thema ist überzeugend geeignet und wird noch überzeugender ignoriert.

Schändlich!

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Preiskampf

von Roland Mückschel am 13.08.2020 um 17:24 Uhr

Also ich finde dass das billigste Gelumpe für
die Patienten gut genug ist.
Man darf Kanzlerworte nicht so ernst nehmen.

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