Halbjahresbilanz

Apothekenzahl auf neuem Tiefstand

Berlin - 19.08.2020, 10:30 Uhr

Auch Ulms älteste Apotheke, die Löwen-Apotheke am Münster, ist mittlerweile geschlossen. (Foto: imago images / Arnulf Hettrich)

Auch Ulms älteste Apotheke, die Löwen-Apotheke am Münster, ist mittlerweile geschlossen. (Foto: imago images / Arnulf Hettrich)


Zum Stichtag 30. Juni 2020 gab es in Deutschland noch 18.907 Apotheken. Das gab die ABDA am heutigen Mittwoch via Deutsche Presse-Agentur bekannt. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sieht das größte Problem darin, dass dem Nachwuchs mangels verlässlicher Rahmenbedingungen die Perspektive abhanden gekommen ist.

Die Zahl der Apotheken in Deutschland geht nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände weiter zurück. Zum 30. Juni 2020 ist sie demnach mit 18.907 Betriebsstätten auf einen neuen Tiefstand gesunken. Das sind 80 weniger als Ende des ersten Quartals 2020 (18.987) und sogar 168 weniger als Ende 2019. Damit geht die Zahl bereits seit zwölf Jahren zurück.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Was uns am meisten Kopfschmerzen bereitet, ist, dass der Nachwuchs beim Weg in die unternehmerische Selbstständigkeit zunehmend zögerlich wird, weil wir keine verlässlichen ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, keine klare pharmazeutische und wirtschaftliche Perspektive haben. Darauf warten wir jetzt seit fast vier Jahren.“ Er forderte, dass das von der Bundesregierung schon vor mehr als einem Jahr auf den Weg gebrachte Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) nun zügig im Bundestag beraten wird. 

VOASG ist Thema im Kabinett

Am heutigen Mittwoch wird sich zunächst das Bundeskabinett mit dem Gesetzentwurf befassen: Es soll die Gegenäußerung der Bundesregierung zur im vergangenen September abgegebenen Stellungnahme des Bundesrates zum VOASG beschließen. Darin lehnt die Bundesregierung die meisten Vorschläge der Länder ab – insbesondere den, das Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel wieder einzuführen.  

Mehr zum Thema

Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats

Bundesregierung bleibt beim Rx-Versandverbot hart

Auf der Tagesordnung des Bundestags steht der Gesetzentwurf am 11. September – dann startet mit der 1. Lesung endlich das parlamentarische Verfahren. Abzuwarten bleibt, ob bis dahin eine Stellungnahme der EU-Kommission zu den Rx-Boni-Plänen im Sozialrecht vorliegt. Dasselbe gilt für das im November 2019 vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte Gutachten des IGES Instituts und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Dieses hat die möglichen Auswirkungen einer partiellen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung beziehungsweise der Gewährung von Rx-Boni zum Gegenstand.


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6 Kommentare

Politik gefährdet die Arzneimittelversorgung

von C.Barth am 19.08.2020 um 20:52 Uhr

Die Bestürzung ist geheuchelt! vor 26 Jahren verließ ich den AV, wegen seiner Aussage, es gäbe zu viel Apotheken. Er hat sein Ziel bei aller sonstigen Inkonsequenz sehr konsequent verfolgt und sein Ziel erreicht. Wir Apotheker sind ein gehorsamer Berufsstand und machen uns vom Acker, wie gewünscht.!

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Fehlschluss

von Holger am 20.08.2020 um 7:56 Uhr

falsch! Die Anzahl der ApothekeR (die selbstverständlich die *innen einschließt) sinkt nicht, die Anzahl der ApothekeN geht zurück.

Frage: wird die pharmazeutische Leistung von den Betriebsstätten erbracht oder von den Menschen?

Wo ist also das Problem???
Ich sehe lediglich das Dilemma, dass die Apotheken "auf dem Land" gehäuft zumachen, während sie in den Innenstädten florieren oder gar wachsen. Wenn wir das verhindern wollen - und es geht uns ja nicht ums Geldscheffeln als Selbständige, sondern hochethisch nur um die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung - scheint mir eine Option zum steuernden Eingriff sinnhaft.

AW: Stimmt so nicht

von Stefan Haydn am 20.08.2020 um 9:13 Uhr

Von wegen florieren in den Innenstädten.
In sozial eher kritischen Stadtteilen mit nicht so kaufkräftiger Kundschaft schließen momentan Stadtteil-apotheken, die dringend gebraucht werden.
Natürlich verschiebt sich der Umsatz in andere "prosperierende" Apotheken, aber eben auch mit Nachteilen für die Bewohner.
Es sind eben nicht nur die Landapotkenen betroffen. Auch viele historische Stadtapotheken geben in letzter Zeit auf.

Irgendwann ist auch für die noch vorhandenen Apotheken der Punkt erreicht, an dem sie bzgl. Kundenstamm nicht mehr einfach so wachsen könnne, da Platz und Personal die Bedienmöglichkeiten einschränken.
Dies wird dann noch mehr Patienten in die Hände der Versender treiben.

AW: Apothekensterben

von Holger am 20.08.2020 um 16:10 Uhr

Ich stimme Ihnen zu, dass es nicht NUR die Landapotheken sind, sondern auch zum Teil alteingesessene Betriebe in den Städten. Und auch dass es von Stadt zu Stadt erhebliche Unterschiede gibt, ist Fakt - aber kein Apothekenspezifikum, sondern das trifft den sonstigen Handel, die Gastronomie, die Kultur genauso, warum sollten da ausgerechnet die Apotheken die Ausnahme sein??

Aber jede Form der Umverteilung innerhalb des Systems hätten wir doch selbst in der Hand?? Das mit dem "nicht weiter wachsen können" akzeptiere ich hingegen nicht. Das dürfte in den meisten Fällen nicht das führende Problem sein. Der Daimler muss auch neue Produktionsstätten bauen, wenn die Kundschaft mit mehr Umsatz "droht". Das ist normale unternehmerische Investition. Klar schmälert die im ersten Moment die Rendite, aber langfristig rechnet sich das - wenn es gut durchdacht ist. Und was ist da der wichtigste Aspekt? Lage, Lage und nochmal Lage!

Politik gefährdet die Arzneimittelversorgung

von Thomas Eper am 19.08.2020 um 14:30 Uhr

Wir haben die höchste Apotheken-Sterberate in der Geschichte des Berufstandes!

Interessier sich die deutsche Politik dafür?
Möchte jemand gegensteuern?
Denn ohne Gegenmaßnahmen ist die Gefährdung der Arzneimittelversorgung der deutschen Bevölkerung vorprogrammiert.
Oder ist das inzwischen Politisch gewollt?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Politik gefährdet die

von Dr.Diefenbach am 19.08.2020 um 17:39 Uhr

Ja.Herr Eper,das scheint politisch SO gewollt zu werden-Es gibt doch in vielen selbständigen Berufen innerhalb der EU die Tendenz, die Zahlen zu reduzieren um einfach langfristig Machtverhältnisse neu zu justieren.AUCH darf ich an dieser Stelle mal wieder an das Wort eines seinerzeit führenden SPD-Mannes erinnern,der ausgeführt hat, dass man die gewachsenen Strukturen im Apothekenwesen mal abschaffen könne und was Neues probieren solle.Wenn dies nicht funktioniert,DANN müsse man halt weiter sehen.SO scheint Vieles zu laufen,und da von der CDU offenbar wenig Gegenläufiges kommt, hat FS mit seiner Aussage recht, dass wir ordnungspolitisch in eine Schräglage kommen (werden)-da sich ein führender Minister ausgerechnet in Zeiten, in denen TAUSENDE um ihren Arbeitsbereich kämpfen, mit einer wie ich höre 4,2 MIO teuren Villa zu befassen scheint.Es zeigt, wie weit auch hier Kopf und Körper voneinander getrennt sind.Instinktlos nennt man das.Ich habe wirklich nichts gegen solche Häuser,aber manches passt eben nicht in jeder Phase .Die Apothekenzahl "um die 10-12 000",dieser Wert wird doch immer wieder debattiert.Der Weg dahin ist schleichend, aber wohl konsequent, ein Einzelschicksal interessiert hier nicht!!!

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