Todesfall in Bielefelder Klinik

Klinikpatient stirbt nach Arzneimittelverwechslung

Bielefeld - 26.08.2020, 13:45 Uhr

Im Klinikum Bielefeld kam es zu einer Arzneimittelverwechslung mit tragischen Folgen. (Foto: picture alliance/dpa | David Inderlied)

Im Klinikum Bielefeld kam es zu einer Arzneimittelverwechslung mit tragischen Folgen. (Foto: picture alliance/dpa | David Inderlied)


Tragischer Todesfall in einer Klinik: Ein junger Patient stirbt, nachdem er ein Medikament erhalten hat, das für seinen Zimmernachbarn gedacht war. Krankenhaus und Polizei in Bielefeld untersuchen die Umstände.

Ein Patient des Klinikums Bielefeld ist nach Verabreichung eines falschen Arzneimittels verstorben. Das Mittel sei gar nicht für den 26 Jahre alten Mann gedacht gewesen, sondern für seinen Zimmernachbarn, einen Krebspatienten, sagte ein Krankenhaussprecher am Mittwoch auf dpa-Anfrage.

Wie genau es zu dem tragischen Todesfall in der vergangenen Woche kommen konnte, sei noch unklar und werde von der Klinik derzeit intensiv untersucht. Fest stehe bisher, dass es sich bei dem fälschlicherweise verabreichten Mittel nicht um ein Krebsmedikament gehandelt habe.

Nachdem Nebenwirkungen bei dem Patienten aufgetreten seien, habe man den 26-Jährigen zunächst auf die Intensivstation verlegt, schilderte der Sprecher. Danach habe man ihn in die Neurologische Fachabteilung der Evangelischen Klinik in Bielefeld gebracht. Dort sei er am vergangenen Donnerstag verstorben. Zu den Einzelheiten dürfe man aus datenschutzrechtlichen Gründen und wegen der laufenden Ermittlungen derzeit keine weiteren Angaben machen.

Einem Bericht des WDR zufolge war der Mann in der kommunalen Klinik erfolgreich operiert worden. Nach dem Routine-Eingriff habe man ihn bald entlassen wollen. Dann sei es zu der Medikamenten-Verwechslung gekommen.

Klinik-Geschäftsführer „bestürzt“

Der Geschäftsführer des Klinikums Bielefeld, Michael Ackermann, sagte laut Mitteilung: „Wir sind bestürzt über diesen tragischen Todesfall. Wir trauern mit der Familie des verstorbenen Patienten.“ Man werde „mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten“ für Aufklärung sorgen, ergänzte der Sprecher.

Auch die Bielefelder Polizei untersucht den Vorfall: Man ermittle „zu einem Todesfall in einer Klinik“, berichtete ein Sprecher. Bei ungeklärter Todesursache sei das generell Aufgabe der Polizei. Angaben zu dem konkreten Fall könne man aber vorerst nicht machen. Mehrere Medien hatten berichtet.

In den vergangenen 20 Jahren hatten einige wenige Todesfälle nach falscher Medikamentengabe vereinzelt Schlagzeilen gemacht. 2019 war unter anderem eine Pflegerin in Niederbayern zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden – sie hatte versehentlich ein falsches Medikament verabreicht, ein Heimbewohner starb. 2018 war es in einer Klinik in Göppingen nach mutmaßlich verwechselten Infusionslösungen zu zwei Todesfällen gekommen. 2003 erhielt eine Krankenschwester in Frankfurt am Main eine Bewährungsstrafe – sie hatte Spritzen verwechselt und einem später verstorbenen Kind die falsche Injektion verabreicht. 2001 gab es Ermittlungen in Kiel nach dem Tod eines Leukämie-Patienten.

Stiftung Patientenschutz: Verwechslung keine Seltenheit

In Krankenhäusern sei die Verwechslung von Medikamenten nicht selten, meinte Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz. Meistens handele es sich um Pillen, die der Patient schlucke. Brysch plädierte für eine digitale Kontrolle. Entnahme und Zusammensetzung der Medikamente auf der Station und die Zuteilung an den Patienten solle digital und lückenlos erfasst und überprüft werden.

„Etwa mithilfe eines Barcodes kann festgestellt werden, ob das richtige Medikament beim richtigen Patienten landet“, sagte der Stiftungsvorstand. „Geschieht ein Fehler, schlägt das System sofort Alarm.“ Vergleichbare Scanner-Systeme gebe es an jeder Supermarktkasse. Das ersetze das Vier-Augen-Prinzip bei der Zusammenstellung der Präparate nicht, könne es aber ergänzen.


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

So was muss nicht passieren...

von Marco Piroth am 27.08.2020 um 11:05 Uhr

Es gibt gute Lösungen um solche Fehler zu vermeiden. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/hoehere-sicherheit-dank-geschlossener-schleife-119480/
Die Uniklinik Bochum macht es vor. Die Medikamente werden in der Apotheke gestellt, patientenindividuell verblistert und mit Patientenname etc bedruckt. Eine Software prüft nochmals Farbe und Form der Tabletten. Wenn etwas nicht passt wird es durch Apotheker/PTA kontrolliert. Über einen Barcode auf dem Blister und am Patienten kann am Bett nochmals kontrolliert werden, dass jeder das richtige Medikament bekommt.
Ein positiver Nebeneffekt ist, dass die, ohnehin raren, Pflegekräfte entlastet werden, da sie nicht die Medikamente stellen müssen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

..leider keine Seltenheit

von Reiner Myer am 26.08.2020 um 17:15 Uhr

Verwechselungen kommen häufiger vor als in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Die Gründe dafür kann sich jeder selbst denken, von Überlastung im medizinischen Pflegepersonal bis hin zur Einstellung "bekommt hier jeder bei uns"; drei selbst erlebte Beispiele mal anbei.

1. Die Lösung mit Barcode pro Medikament ist auch keine Lösung, wenn wie im Fall meines Vaters die verschiedenen Medikamente zwar nach Plan im Becher zusammengestellt werden, aber dann zusammen nebeneinander stehen, und händisch ausgegeben werden; glücklicherweise war es bei ihm ein Cocktail, der ihn nur ausgeknockt hat für einen Tag, ohne die Grenze zur Atemdepression zu überschreiten.

2. Beispiel war die Nach-OP Versorgung mit Antibiotika meines Sohnes, für die wir auf exakt 4 verschiedenen Formularen die Allergien auf ein Medikament für die Station vermerkt hatten. Auch hier hatten wir wieder Glück, dass ich genau in der Minute im Raum war, als die Schwester mit dem Medikament kam, und ich an der Farbe erkannt habe, was da drin ist.

3. Beispiel, die Nach-OP Versorgung eines Freundes, der ohne Eingreifen dann den Cocktail des Nachbarn bekommen hätte. Auch hier war der Zufall hilfreich, weil eine Tablettenform sehr speziell war, und garantiert nicht für ihn sein konnte. Das hätte kritisch werden können, wg. involvierten Blutverdünnern.

Fazit: jeder der geistig in der Lage ist, muss immer kontrollieren und hinterfragen, was er da bekommt, und wenn sich etwas ändert auf eine Erklärung bestehen. Traurig aber wahr!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.