Interpharm 2020

Leberkrank durch zu viele Kohlenhydrate und Bewegungsmangel

Berlin - 25.09.2020, 17:50 Uhr

Neben den gut bekannten physiologischen Funktionen der Leber spielt das Organ auch eine entscheidende Rolle im Glucosestoffwechsel, bei der Proteinbildung und der Regulation der Immunantwort auf Antigene aus dem Magen-Darm-Trakt. (Foto: Schelbert)

Neben den gut bekannten physiologischen Funktionen der Leber spielt das Organ auch eine entscheidende Rolle im Glucosestoffwechsel, bei der Proteinbildung und der Regulation der Immunantwort auf Antigene aus dem Magen-Darm-Trakt. (Foto: Schelbert)


Prof. Dr. Martin Smollich, Lübeck, referierte im Eröffnungsvortrag der Interpharm online über eine Leberkrankheit, die seiner Ansicht nach viele nicht „auf dem Schirm haben“ – die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung mit der etwas sperrigen Abkürzung NAFLD (non-alcoholic fatty liver disease). Doch in den westlichen Industrieländern ist sie die häufigste Leberkrankheit, und ihre Prävalenz wird steigen, auch in Deutschland. Grund genug, dass Apotheker und PTA sich damit gut auskennen.

Mit dem Begriff Fettleber assoziiert man fast automatisch einen zu hohen Fettkonsum. Doch „es ist nicht das Fett“, betonte Smollich. Vielmehr ist für die Pathogenese der NAFLD entscheidend, dass die Kohlenhydratzufuhr höher liegt, als für die Muskelaktivität erforderlich wäre. Zunächst hat die Leber Mechanismen parat, um sich zu wehren. Die erste „Notwehrreaktion“ des Organs besteht darin, dass sie ihre Lipogenese aktiviert, worauf die überschüssigen Kohlenhydrate in Fette umgewandelt und über mehrere Zwischenstufen als Bauchfett abgelagert werden. Eine weitere Notwehrreaktion ist die Fettablagerung in Leberzellen. Da die Leber aber kein Fettspeicherorgan ist, wird ein Prozess mit fatalen Folgen in Gang gesetzt: über die Zwischenstufen Steatohepatitis und Leberzirrhose entwickelt sich aus der Fettleber schließlich ein hepatozelluläres Karzinom. Das erklärt auch, weshalb die NAFLD die häufigste Indikation für eine Lebertransplantation ist – häufiger als bei alkoholbedingten Leberschäden.

Lebensstiländerung: Prophylaxe und Therapie in einem

Gegensteuern ist nach Smollichs Ansicht unbedingt notwendig, denn die Prävalenz der – zu Beginn symptomlosen – Erkrankung wird in Deutschland in der Normalbevölkerung bereits auf 30 Prozent geschätzt, bei Adipösen liegt sie über 90 Prozent. Anders als bei anderen Lebererkrankungen sind bei der NAFLD Medikamente nicht die erste Wahl. Aktuell gibt es keine zugelassenen Wirkstoffe, sie werden aber intensiv erforscht. Vielmehr besteht die wirksamste Prävention und die kausale Therapie aus körperlicher Aktivität und optimaler Ernährung. Denn in den Anfangsstadien, d.h. bis zur Steatohepatitis, ist die NAFLD durch Lebensstil-Interventionen komplett reversibel. Bereits bei mäßiger körperlicher Aktivität von zum Beispiel vier Stunden pro Woche wurden signifikante Verbesserungen der NAFLD beobachtet. Dabei sollte nicht nur Ausdauer-, sondern auch Krafttraining betrieben werden, um die Insulinsensitivität der Muskeln zu erhöhen. Bei der Ernährung kommt es laut Smollich darauf an, die Zufuhr von Kohlenhydraten, gesättigten Fettsäuren und freiem Zucker zu reduzieren. Vor allem die Fructoseaufnahme, die häufig „unbemerkt“ aus Softdrinks und Smoothies erfolgt, müsse man im Blick behalten. 

Mehr zum Thema

Wenn die Leber ohne Bier und Korn ihr Fett abkriegt

Herausforderung nichtalkoholische Fettleber

Sinnvoll ist auch eine mindestens fünfstündige Pause zwischen den Mahlzeiten, weshalb Intervallfasten empfehlenswert sei. Die gute Nachricht: Kaffee, und zwar mindestens zwei Tassen pro Tag, leistet einen positiven Beitrag zur Ernährungsumstellung. Eine weitere mögliche Option bei der Behandlung der NAFLD ist das optimale Management von Komorbiditäten wie Diabetes, Fettstoffwechselstörung, Hypertonie und KHK, wobei dann natürlich Medikamente zum Einsatz kommen. Arzneimittel, die eine Steatose verstärken können, sollten, sofern möglich, ausgewechselt werden. Dazu zählen Amiodaron, Methotrexat, Tamoxifen, Valproat, Glucocorticoide und Estrogene.


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Wie Ernährung die Leber schädigt und wie man gegensteuern kann

Ganz ohne Alkohol zur Fettleber

Interpharm Online – Vorschau

NAFLD – die Leber leidet still

Nicht-alkoholische Steatohepatitis

Fünf Fragen und Antworten zur Fettleber-Erkrankung

Wenn die Leber ohne Bier und Korn ihr Fett abkriegt

Herausforderung nichtalkoholische Fettleber

Die hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms

Nichtalkoholische ­Fettlebererkrankung

Gegen die Nichtalkoholische Fettleber fehlen Arzneimittel

Mit ASS Leberfett reduzieren?

Patienten mit nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung könnten profitieren

Neue „Karriere“ für Pioglitazon?

Lanifibranor überzeugt bei nichtalkoholischer Steatohepatitis

Neuer Arzneistoff gegen Fettleber

Pemvidutid als potenzielle Therapieoption bei Adipositas und nicht alkoholischer Steatohepatitis

Weiteres Inkretinmimetikum in Sicht

1 Kommentar

„Snacken ist toxisch“

von Reinhild Berger am 29.09.2020 um 10:04 Uhr

Der Vortrag von Prof. Smollich war ein wirkliches Highlight. Sehr plakativ seine Warnung „Snacken ist toxisch“. Was ich als Hinweis sehr interessant fand: Bei der NAFLD sind die klassischen „Leberwerte“ meist im normalen Bereich. Die Diagnostik erfolgt über bildgebende Verfahren und ggf. eine Biopsie.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.