Nach Bundesverfassungsgerichtsurteil

Sterbehilfe: Bundesärztekammer will Berufsordnung anpassen

Berlin - 28.09.2020, 10:00 Uhr

BÄK-Präsident Klaus Reinhardt: Die Musterberufsordnung der Ärzte sollte nach dem Sterbehilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts geändert werden. (m / Foto: BÄK)

BÄK-Präsident Klaus Reinhardt: Die Musterberufsordnung der Ärzte sollte nach dem Sterbehilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts geändert werden. (m / Foto: BÄK)


Vor sieben Monaten urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass das bis dahin geltende Sterbehilfeverbot verfassungswidrig ist. Nun will die Bundesärztekammer das Berufsrecht anpassen. „Die Berufsordnung kann so nicht bleiben“, sagte ihr Präsident Klaus Reinhardt dem „Spiegel“. Man könne nach dem Urteil keine Norm aufrechterhalten, die dem Arzt jede Form von Unterstützung untersage.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Februar nach Klagen von Schwerkranken, Sterbehelfern und Ärzten entschieden, dass das bisherige Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ den Einzelnen im Recht auf selbstbestimmtes Sterben verletze. Denn das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen – das gelte für jeden, nicht nur für unheilbar Kranke. Das Karlsruher Urteil verpflichtet allerdings keinen Mediziner, gegen seine Überzeugung Sterbehilfe zu leisten. Anspruch auf Hilfe gibt es demnach nicht. 

Derzeit heißt es in der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer (BÄK): Ärzte „dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Wie der „Spiegel“ berichtet, hat der Vorstand der BÄK im vergangenen Juni eine Änderung empfohlen. Denkbar ist, dass der Satz ersatzlos gestrichen wird. Über eine Änderung der Berufsordnung soll nun der nächste Ärztetag im Mai abstimmen.

„Keine ärztliche Aufgabe“

Reinhardt sagte dem „Spiegel“, er halte die Sterbehilfe nicht für eine ärztliche Aufgabe. „Aber es kann Einzelfälle geben, das ist zumindest meine persönliche Meinung, in denen es für einen Arzt gerechtfertigt erscheinen kann, einem Patienten beizustehen. Dann sollte es ihm möglich sein, Hilfe zu leisten.“

Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz wies darauf hin, dass die BÄK ein unselbständiger Verein sei. „Ihre Muster-Berufsordnung ist deshalb nicht bindend für die Ärzteschaft. Allein die Landesärztekammern beschließen verbindliche Regelungen des ärztlichen Berufsrechts.“ Deshalb gebe es für medizinische Suizidbeihilfe höchst unterschiedliche Regelungen, erklärte er. So hätten etwa die Ärzte in Bayern, Baden Württemberg und Sachsen-Anhalt die ärztliche Hilfe zur Selbsttötung niemals verboten.

Wo ist die fraktionsübergreifende Lösung?

Unmittelbar nach dem Karlsruher Urteil hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angekündigt, fraktionsübergreifend eine verfassungskonforme Lösung zur Regelung der Sterbehilfe finden zu wollen. Denn eine solche ist nach Meinung der Richter durchaus möglich. Bislang ist davon jedoch noch nichts zu hören – nicht zuletzt die Coronakrise dürfte das Thema zurückgedrängt haben. Druck kommt vor allem aus der FDP-Bundestagsfraktion: Die Rechts- und Gesundheitspolitikerin Katrin Helling-Plahr drängt schon seit langem auf mehr Klarheit und stellt immer wieder Kleine Anfragen zu diesem Themenkomplex. Dem „Spiegel“ sagte sie, sie habe größten Respekt vor Ärzten, „die aus Gewissensgründen keine Suizidhilfe leisten möchten. Gleiches gelte aber auch für Ärzte, die bereit seien, Menschen in ihrem selbstbestimmten Sterbewunsch zu unterstützen. „Ich würde mir sehr wünschen, dass diesen Ärztinnen und Ärzten keine Steine mehr in den Weg gelegt werden“, so Helling-Plahr.

ABDA-Leitfaden zum Umgang mit suizidalen Patienten in der Apotheke

Auch für die Apotheken ist die Sterbehilfe ein Thema. Die Bundesapothekerkammer lehnt es ab, Apotheker zur Abgabe von Natrium-Pentobarbital zu verpflichten – ebenso, sie im Vorfeld der Entscheidung eines Suizidwilligen einzubinden. Die ABDA hat jedoch einen Gesprächsleitfaden zum Umgang mit suizidalen Patienten in der Apotheke erarbeitet. Der Leitfaden „Suizidale Menschen in der Apotheke – Warnzeichen erkennen und reagieren“ soll Apothekenmitarbeiterinnen und Apothekenmitarbeiter für mögliche Hinweise auf suizidale Absichten ihrer Patienten sensibilisieren, Möglichkeiten der Gesprächsführung aufzeigen und Hinweise zum weiteren Umgang mit betroffenen Patienten geben. Ebenso werden Kontaktadressen und Ansprechpartner genannt.


Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


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