Rote-Hand-Briefe zum MS-Arzneimittel Tecfidera

PML-Gefahr bereits bei leichter Lymphopenie

Stuttgart - 12.11.2020, 15:45 Uhr

Bei mäßiger bis schwerer Lymphopenie unter Dimethyfumarat war eine PML bereits bekannt. Ein Rote-Hand-Brief informiert nun, dass eine progressive multifokale Leukenzephalopathie bei Tecfidera auch unter leichter Lymphopenie beobachtet wurde. (Foto: imago images / imagebroker)

Bei mäßiger bis schwerer Lymphopenie unter Dimethyfumarat war eine PML bereits bekannt. Ein Rote-Hand-Brief informiert nun, dass eine progressive multifokale Leukenzephalopathie bei Tecfidera auch unter leichter Lymphopenie beobachtet wurde. (Foto: imago images / imagebroker)


EMA und BfArM informieren in Abstimmung mit dem Zulassungsinhaber Biogen Netherleands B. V. in einem Rote-Hand-Brief über schwere Nebenwirkungen beim MS-Arzneimittel Tecfidera (Dimethylfumarat). Bei Tecfidera wird vor einer PML (Progressive multifokale Leukenzephalopathie) nun bereits bei leichter Lymphopenie gewarnt.

Bislang warnte die Fachinformation zu Tecfidera®, dass bei MS-Patienten mit anhaltenden mäßigen bis schweren Lymphopenien unter Dimethylfumarat Fälle einer PML (Progressive multifokale Leukenzephalopathie) aufgetreten sind. Neuen Daten zufolge kann eine PML unter Dimethylfumarat jedoch bereits bei leichter Lymphopenie auftreten – darüber informiert Hersteller Biogen Netherlands in einem Rote-Hand-Brief: „Bei mit Tecfidera® behandelten Patienten wurden Fälle von progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML) bei bestehender leichter Lymphopenie (Lymphozytenwert ≥ 0,8 x 109/l und unter dem unteren Normwert) gemeldet.“ Dimethylfumarat wird zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig remittierender multipler Sklerose angewendet.

Lymphozytenzahl alle drei Monate kontrollieren

Bei Verdacht auf oder bestehender PML ist Tecfidera® kontraindiziert, eine Therapie mit Dimethylfumarat darf bei Patienten mit schwerer Lymphopenie (Lymphozytenwerte < 0,5 × 109/l) nicht eingeleitet werden und sollte bei einer mehr als sechs Monate andauernden schweren Lymphopenie abgesetzt werden. Falls bereits vor Therapiebeginn die Lymphozytenzahl unterhalb der Norm liegt, sollte vor Einleitung einer Therapie mit Tecfidera® eine umfassende Abklärung möglicher Ursachen durchgeführt werden. Kommt es zu einer PML unter Dimethylfumarat, muss das Arzneimittel dauerhaft abgesetzt werden. Bereits jetzt rät die Fachinformation bei allen Patienten vor Behandlungsbeginn und danach alle drei Monate die absoluten Lymphozytenzahlen zu bestimmen.

Eine PML kann nur bei Vorliegen einer JCV-Infektion auftreten, sie ist eine durch das John-Cunningham-Virus (JCV) ausgelöste Erkrankung des ZNS, die tödlich verlaufen oder zu schwerer Behinderung führen kann. Die Symptome einer PML ähneln denen eines MS-Schubs – es kann laut Fachinformation zu Tecfidera® über Tage bis Wochen zu progredienter Schwäche einer Körperhälfte oder Schwerfälligkeit von Gliedmaßen kommen, Sehstörungen sind beschrieben sowie Veränderungen des Denkens, des Gedächtnisses und der Orientierung, die zu Verwirrtheit und Persönlichkeitsveränderungen führen. 

Wie häufig ist eine PML unter Tecfidera?

Biogen informiert in diesem Zusammenhang auch über die Häufigkeit einer PML unter Dimethylfumarat. Unter den mehr als 475.000 Patienten, die mit Tecfidera® behandelt würden, traten elf bestätigte PML-Fälle auf. Die Gemeinsamkeit bei allen bestätigten Fällen sei eine reduzierte absolute Lymphozytenzahl, die einen biologisch plausiblen Risikofaktor für eine PML darstelle. Drei dieser Fälle traten im Rahmen einer leichten Lymphopenie auf, während sich die übrigen acht Fälle während einer mäßigen bis schweren Lymphopenie entwickelten.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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