Therapiefreiheit vs. Wirtschaftlichkeit

Wann müssen Krankenkassen für Zolgensma zahlen?

Marseille - 26.11.2020, 17:50 Uhr

Kinder, die mit spinaler Muskelatrophie Typ 1 auf die Welt kommen, sterben unbehandelt meist in den ersten zwei Lebensjahren an Ateminsuffizienz, die durch einen Schwund der Atemmuskulatur verursacht wird. (Foto: imago images / ZUMA Wire)

Kinder, die mit spinaler Muskelatrophie Typ 1 auf die Welt kommen, sterben unbehandelt meist in den ersten zwei Lebensjahren an Ateminsuffizienz, die durch einen Schwund der Atemmuskulatur verursacht wird. (Foto: imago images / ZUMA Wire)


Zolgensma gilt als teuerstes Arzneimittel der Welt. Rund 2 Millionen Euro kostet die Einmalbehandlung. Dafür soll das Mittel Kinder mit spinaler Muskelatrophie heilen können, von denen einige sonst ihren dritten Geburtstag nicht erleben würden. Um die Erstattung der Behandlungskosten durch die Krankenkassen gab es bereits vor der Zulassung in Europa zahlreiche Debatten: Wann müssen sie zahlen? DAZ.online hat sich die Rechtslage angesehen.

Das Gentherapeutikum Zolgensma von Novartis kann Kindern mit spinaler Muskelatrophie (SMA) helfen. Doch es gilt auch als das teuerste Arzneimittel der Welt, mehr als 2 Millionen Euro kostet eine Behandlung. Einige Krankenkassen wollten diese Summe nicht übernehmen – eine Kostenerstattung mussten viele Eltern kranker Kinder daher erst vor Gericht erstreiten. Mittlerweile stehen die Chancen gut, dass die Behandlung mit Zolgensma auch ohne Prozesse genehmigt wird.

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Johannes Kaiser wurde als Anwalt schon für mehr als 30 Familien mit Kindern tätig, deren Krankenkasse die Therapie mit Zolgensma nicht bezahlen will oder wollte. „In allen bis jetzt abgeschlossenen Verfahren wurde am Ende eine Kostenzusage der Krankenkasse erteilt“, sagt er im Gespräch mit DAZ.online.

Mehrere Familien hatten bereits eine Kostenerstattung beantragt, ehe Zolgensma im Mai dieses Jahres in der europäischen Union zugelassen wurde (eine Zulassung gab es zuvor nur in den USA und später auch in Japan). So ist eine Erstattung nicht zugelassener Medikamente nach einem Beschluss möglich, den das Bundesverfassungsgericht am 6. Dezember 2005 gefällt hat und der deshalb auch der Nikolaus-Beschluss genannt wird. Die Gesetzliche Krankenversicherung muss seitdem auch nicht zugelassene Arzneimittel bezahlen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Wenn eine lebensbedrohliche Krankheit vorliegt, keine Alternative zur Verfügung steht und eine „nicht ganz entfernte Aussicht“ auf Heilung oder Besserung durch die Behandlung besteht.

Spinraza: eine echte Alternative?

Die Versicherer versuchten sich vor der Zulassung von Zolgensma darauf zu berufen, dass die Bedingungen für den Nikolaus-Beschluss nicht erfüllt seien, weil es noch ein anderes Präparat zur Therapie von SMA gibt. So wurden Kinder mit SMA vor der Entwicklung von Zolgensma mit dem Arzneimittel Spinraza von Biogen behandelt. Es muss regelmäßig in die Rückenmarksflüssigkeit injiziert werden, während Zolgensma nur einmalig verabreicht werden muss. 



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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