Interview mit Thomas Dittrich

„Wir brauchen den Elan junger Kollegen in den Ehrenämtern“

Berlin - 30.11.2020, 07:00 Uhr

Thomas Dittrich kandidiert als DAV-Chef. Er sieht die größte Herausforderung zweifellos in der fortschreitenden Digitalisierung. (Foto: SAV)

Thomas Dittrich kandidiert als DAV-Chef. Er sieht die größte Herausforderung zweifellos in der fortschreitenden Digitalisierung. (Foto: SAV)


Der Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands, Thomas Dittrich, geht bei der bevorstehenden Wahl am 2. Dezember als einziger Kandidat für die Nachfolge von Fritz Becker als DAV-Chef ins Rennen. Mit DAZ.online sprach er über harte Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband, die Folgen der AvP-Pleite, die anstehende ABDA-Strukturanalyse und die Beteiligung von eHealth-Tec an der Entwicklung des E-Rezept-Fachdiensts.

DAZ.online: Herr Dittrich, einigen Kollegen sind Sie bisher vermutlich noch nicht bekannt. Was haben diese von Ihnen zu erwarten, wenn Sie zum Jahreswechsel in die Fußstapfen von Herrn Becker treten? Wofür stehen Sie?

Dittrich: Erlauben Sie mir zunächst kurz zwei Bemerkungen, die mir wichtig sind: Erstens gilt meine Hochachtung dem jetzigen Vorsitzenden Fritz Becker für alles, was er für den DAV und die ABDA in den vielen Jahren geleistet hat und zweitens muss tatsächlich erst noch gewählt werden. Ich kann über mich sagen, dass ich im klassischen Sinn ein Teamplayer bin und für einen lösungsorientierten und sachlichen Diskurs zwischen den Gesprächs- bzw. Verhandlungspartnern stehe. Das sollte nicht verwechselt werden mit einem wenig ausgeprägten Hang zum harten Verhandeln. Beides schließt sich meiner Meinung nach nicht aus.

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Wer hart verhandelt, den erwartet oft ein entsprechender Gegenwind. Und auch aus den eigenen Reihen wird immer mal wieder Kritik laut an den konkreten Ergebnissen, die DAV und ABDA aus Gesprächen mit Kassen und Politik mitbringen. Wie kommen Sie damit zurecht?

Mit Kritik kann ich umgehen, kein Problem. Sie kann und muss auch geäußert werden, um nötige Veränderungen auszulösen und herbeizuführen. Das „Wie“ ist jedoch entscheidend. Leider habe ich in der Debatte über ein Rx-Versandhandelsverbot gelegentlich den gegenseitigen Respekt vermisst. Die Apothekerschaft erschien mir phasenweise gespalten. Eine der großen Herausforderungen der neu gewählten Standesvertreter, aber auch der Apothekerinnen und Apotheker, wird es daher sein, dass wir wieder gemeinsam und stärker an einem Strang ziehen. Dafür braucht es zunächst einen Vorschuss an Vertrauen, aber auch eine Portion Einsicht in die nicht unkomplizierte Lage. 

Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Baustellen für die Apotheker, denen Sie sich in den kommenden vier Jahren widmen werden?

Die größte Herausforderung liegt zweifellos in der fortschreitenden Digitalisierung. Mit dem E-Rezept – hier brauchen wir im Übrigen unbedingt noch das technische Makelverbot –, der elektronischen Patientenakte und vielem mehr werden die Abläufe in unseren Apotheken tatsächlich grundlegend verändert. Wir sollten die Risiken, die in der fortschreitenden Digitalisierung liegen, nicht verschweigen oder kleinreden, aber unser Fokus muss doch ganz klar auf den Chancen für unseren Berufsstand liegen. Noch intensivere Beratung und Betreuung der Patienten durch einen möglichen Zugriff auf Teilbereiche der ePA oder durch die Zurverfügungstellung des elektronischen Rezepts vor der Abholung können zu einer Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit führen. Auch deshalb dürfen wir den Patienten nicht allein lassen im Dschungel der fortschreitenden Digitalisierung im Gesundheitssystem. Wir sollten diejenigen sein, die hier gewissermaßen eine Lotsenfunktion einnehmen. Das erfordert viel von uns, aber hier gibt es für uns die Möglichkeit, die Patienten noch enger an die Vor-Ort-Apotheken zu binden. Dabei ist es zwangsläufig notwendig, über die Honorierung unserer Leistungen zu reden. Wir können und wir werden nicht jede neue Aufgabe, jede neue Form der Patientenbegleitung und -betreuung ohne eine Anpassung unserer Honorierung durchführen.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Eine große Bitte für die Zukunft!

von Thomas Eper am 30.11.2020 um 12:55 Uhr

Bitte keine Verträge mehr unterzeichnen, die für uns Nachteile, nicht honorierte Zusatz-Arbeiten und erhöhtes Retaxrisiko bedeuten.
Es wird keine Folter angedroht.

Wenn´s irgendwie möglich, bitte künftig für uns Vorteile aushandeln.

Dosierungsangabe auf Rp. bitte nachverhandeln.
Sonst gibt es nächstes Jahr ein Retax-Tsunami!

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Mir fehlen die Worte...

von Tobias Kast am 30.11.2020 um 9:59 Uhr

"Die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sind mit Sicherheit nicht einfach. Für mich hat sich gezeigt, dass wir gerade im Bereich der Hilfstaxe immer dann erfolgreich waren, wenn wir eine solide Datenbasis für unsere Berechnungen hatten."

... ich wusste nicht, dass es *so* schlimm ist ...

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Neue DAV-Spitze

von Dr. Radman am 30.11.2020 um 8:47 Uhr

Sehr geehrter Herr Kollege Dittrich,

ich möchte Ihnen folgende Tipps aus der meiner Sicht für Ihre zukünftige Verhandlungen mit den KK mitgeben:

1- Für die Apotheker und Mitarbeiter der Apotheke ist enorm wichtig, dass sie sich Zeit für Beratung der Patienten nehmen. Wenn das Rezept aber mit Formfehlern behaftet ist (z.B. Datum, Unterschrift, Dosierung etc..), dann verbraucht der Apotheker mehrere Minuten damit, die Formfehlern aufzuklären. Das geht von der Beratungszeit des Patienten ab. Eine reibungslose Belieferung ohne Rücksprachen mit Ärzten, die sowieso nicht ans Telefon gehen, ist für mich sogar wichtiger als Honorarerhöhung.

2- Die Kassen verhandeln mit Apothekern nicht auf Augenhöhe, weil sie wohl wissen, dass die Apotheker nicht den Rückgrat haben im Ernstfall aus dem Vertrag auszusteigen. Hier müssen sie besseres belehrt werden. Erst dann werden sie uns ernsthaft verhandeln.

3- Bei der Verhandlung mit den Kassen, stellen Sie sich bitte ein Team aus mehrheitlich Frauen zusammen. Frauen können auf ihrer Art besser verhandeln, haben mehr Geduld und werden nicht so schnell genervt das Handtuch werfen, wie mache ihre Testosteron-gesteuerte Kollegen. Verhandlung ist eine Kunst, die man in Ihrer Position beherrschen sollte.

4- Wir sollten keine Furcht haben, die BMG auf uns zornig werden zu lassen. Denn wer auch immer dort die Geschicke lenkt, muss er letztendlich für die Versorgung der Deutschen Bevölkerung sorgen. Niemand kann sich leisten auf die Apotheker Vorort zu verzichten, auch wenn er das andeutet.

Ich wünsche Ihnen viel Glück und viel Geschick in Ihrer Amtszeit.

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