Integritas-Mitgliederversammlung

Werbung für Telemedizin auf dünnem Eis

Remagen - 16.12.2020, 15:14 Uhr

Urteil des OLG München: Die Bewerbung von Fernbehandlungen bleibt unzulässig. Es sei denn, ein fachlich anerkannter Standard ermöglicht, im Regelfall auf den persönlichen Kontakt zum Arzt zu verzichten. (Foto: Proxima Studio / stock.adobe.com)

Urteil des OLG München: Die Bewerbung von Fernbehandlungen bleibt unzulässig. Es sei denn, ein fachlich anerkannter Standard ermöglicht, im Regelfall auf den persönlichen Kontakt zum Arzt zu verzichten. (Foto: Proxima Studio / stock.adobe.com)


Die Pandemie gibt der Telemedizin einen Schub. Doch viele Konzepte der Fernbehandlung sind derzeit nicht eindeutig rechtskonform. Medizinische Leitlinien könnten hier für mehr Klarheit sorgen. Das glaubt Rechtsanwalt Christian Tillmanns aus München. Bei der Mitgliederversammlung des Vereins für lautere Heilmittelwerbung Integritas lotete er die Möglichkeiten und Grenzen der Werbung für solche Angebote aus.

Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), das am 19. Dezember 2019 in Kraft getreten ist, sollten die Möglichkeiten der Telemedizin in Deutschland weiter ausgebaut und die Durchführung von Videosprechstunden vereinfacht werden. Bei der Mitgliederversammlung von Integritas am 10. Dezember 2020 befasste sich der Münchener Rechtsanwalt Christian Tillmanns mit den Grenzen und den werberechtlichen Aspekten dieser neuen Öffnung. Das Thema hat gerade in der COVID-19-Pandemie zunehmend an Bedeutung gewonnen. 

Einstieg über die Musterberufsordnung der Ärzte

Den Anstoß für die Erleichterung von Telekonsultationen hatte ein Beschluss des 121. Ärztetages im Mai 2018 gegeben. Hiermit war das bis dahin strenge Verbot der Fernbehandlung in der Musterberufsordnung der Ärzte gelockert worden. So sollten die Ärzte bei der persönlichen Betreuung ihrer Patienten „Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen“ können. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien sollte ebenfalls erlaubt sein, jedoch nur im Einzelfall. Außerdem sollte der Patient in solchen Fällen über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt werden. Der Ärztetag habe sich mit dem Beschluss durchaus schwergetan, betonte Tillmanns, und der Goldstandard, dass Arzt und Patient sich persönlich sehen sollten, sei damit keineswegs zur Disposition gestellt worden. Eine komplette Öffnung sei weder vorgesehen gewesen, noch habe diese tatsächlich stattgefunden. 

Öffnung für die Werbung über das Digitale-Versorgung-Gesetz

Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz erhielten Ärzte, die Videosprechstunden anbieten, dann die Möglichkeit, auf ihren eigenen Webseiten oder anderen Plattformen darüber zu informieren. In dem einschlägigen Paragrafen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der die Werbung für die Fernbehandlung ausdrücklich verbietet, wurde eine entsprechende Ausnahme eingefügt. Das Verbot gilt demnach nicht mehr für die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen – aber nur dann, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt nicht erforderlich ist. Für Tillmanns ist dies eine große Hürde für die Werbung für Fernbehandlungen.

Am besten nur allgemeine Info über Videosprechstunden

Anhand von Beispielen zeigte der Anwalt die rechtlichen Grenzen auf. So seien die Webseiten aktueller Telemedizinanbieter, wie „Fernarzt.de“ oder „121doc.com“ oder „ZAVA“ alle sehr ähnlich aufgebaut und der Fokus liege vielfach auf der Männergesundheit. An das Rezept kämen die Besteller über einen Online-Fragebogen. Der Verordnende sitze in der Regel im Ausland, ebenso wie die Online-Apotheke, die das Präparat dann nach Hause liefert. Schon die telemedizinische Verordnung einzig und allein über eine Fragebogen-Anamnese erachtet der Rechtsanwalt als kritisch. Außerdem dürfe die Fernbehandlung nach dem Wortlaut des Heilmittelwerbegesetzes nur beworben werden, wenn der persönliche Kontakt nicht erforderlich sei – das heißt als Ausnahme und nicht im Regelfall. Schließlich gehe es auch darum, wie die Telekonsultation ausgelobt wird. Dabei hält Tillmanns die Information eines Arztes über das grundsätzliche Angebot von Videosprechstunden für unproblematisch. Kritisch wird es seiner Meinung nach erst dann, wenn bei dem Angebot tatsächliche Indikationen benannt werden. „Nur weil es im Moment noch keinen Standard für die Anwendung des relevanten Paragrafen im HWG gibt, heißt das noch lange nicht, dass für alles geworben werden darf“, meinte er.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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