Patentverzicht für Corona-Impfstoffe

EU-Kommission setzt auf mehr Flexibilität bei Zwangslizenzen

Remagen - 21.05.2021, 15:15 Uhr

„Wir sind die einzige Region in der Welt, die es geschafft hat, sowohl die eigene Bevölkerung zu versorgen, als auch fair mit anderen zu teilen“, sagte Ursula von der Leyen. (c / Foto: IMAGO / ANP)

„Wir sind die einzige Region in der Welt, die es geschafft hat, sowohl die eigene Bevölkerung zu versorgen, als auch fair mit anderen zu teilen“, sagte Ursula von der Leyen. (c / Foto: IMAGO / ANP)


In die Diskussion um einen möglichen Patentverzicht der Corona-Impfstoffhersteller ist in den letzten Tagen heftige Bewegung gekommen. Das Europäische Parlament, das am Mittwoch dieser Woche darüber debattiert hat, ist bis dato noch uneins, ob die EU ein solches Vorhaben unterstützen sollte. Die Kommission scheint dagegen schon konkrete Vorschläge in petto zu haben, mit denen ärmere Länder ebenfalls einen besseren Zugang zu den begehrten Impfstoffen erhalten könnten.

Im Oktober letzten Jahres hatten Indien und Südafrika den Stein losgetreten und der Welthandelsorganisation (WTO) den Vorschlag unterbreitet, die Rechte am geistigen Eigentum (IP) im Zusammenhang mit COVID-19 zeitlich begrenzt aufzuheben. Rund 60 Länder auf der ganzen Welt haben ihre Unterstützung zu der Initiative zum Ausdruck gebracht. In Ländern und Regionen mit hohem Einkommen wie der EU und bis vor kurzem auch in den USA stieß der „TRIPS waiver“ auf strikte Ablehnung. Vor gut zwei Wochen machte US-Präsident Joe Biden jedoch eine überraschende Kehrtwendung und kündigte an, dass die US-Regierung den Vorschlag nun ebenfalls befürworte. Die EU-Kommission signalisierte Gesprächsbereitschaft, nicht mehr und nicht weniger.

Von der Leyen fordert faire Verteilung

Beim gestrigen virtuellen WDR-Europaforum betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum wiederholten Male, dass die EU bislang schon mehr als 220 Millionen Dosen in die ganze Welt exportiert habe, in etwa genauso viel, wie in Europa verimpft worden sei. In der EU produzierte Impfstoffe gingen an enge Verbündete wie Kanada und Großbritannien, nach Japan, nach Singapur, Mexiko und Kolumbien und an die Impf-Allianz Covax, die ärmeren Ländern helfen soll. „Wir sind die einzige Region in der Welt, die es geschafft hat, sowohl die eigene Bevölkerung zu versorgen, als auch fair mit anderen zu teilen“, stellte von der Leyen heraus und appellierte erneut an alle Herstellerländer, dem Beispiel Europas zu folgen.

„Zwangslizenzen völlig legitimes Mittel“

Auch darüber hinaus scheint sich hinter den Brüsseler Kulissen einiges getan zu haben. Der für Handel zuständige Vizepräsident der Kommission Valdis Dombrovskis redete bei einer Plenardebatte im Europäischen Parlament am Mittwoch dieser Woche Klartext. Er formulierte drei konkrete Ziele zur Behebung des Problems. „Unser erstes Ziel ist es, uns zu verpflichten, die Anwendung von Exportbeschränkungen zu begrenzen und Lieferketten offen zu halten“, sagte Dombrovskis. „Impfstoff produzierende Länder sollten bereit sein, einen fairen Anteil ihrer heimischen Produktion zu exportieren.“ Als zweites sollen die Regierungen die Impfstoffhersteller und -entwickler nachdrücklich ermutigen, die Produktion auszuweiten und eine angemessene Versorgung mit Impfstoffen zu Produktionskosten für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen sicherstellen. Dabei denkt die Kommission an Lizenzvereinbarungen, aber auch an gestaffelte Preise, Auftragsfertigung und neue Investitionen in Produktionskapazitäten in Entwicklungsländern. Hierzu werden von allen Impfstoffherstellern und -entwicklern konkrete Zusagen erwartet. Als drittes und wohl brisanteste Element bringt die Kommission Zwangslizenzen ins Spiel. Dombrovskis bezeichnete diese in seiner Rede im Parlament im Zusammenhang mit einer Pandemie als „ein völlig legitimes Mittel.“ 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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