Erstes Arzneimittel für adipöse 12- bis 17-Jährige

Liraglutid erhält Zulassung bei Jugendlichen mit Adipositas

Stuttgart - 08.06.2021, 10:45 Uhr

Liraglutid darf nun auch bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren zur Adipositasbehandlung eingesetzt werden.(Foto: Africa Studio / AdobeStock)

Liraglutid darf nun auch bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren zur Adipositasbehandlung eingesetzt werden.(Foto: Africa Studio / AdobeStock)


Das ursprünglich zur Therapie des Diabetes mellitus entwickelte und zugelassene Liraglutid darf seit 2015 auch zur Adipositasbehandlung bei Erwachsenen eingesetzt werden. Auch bei Jugendlichen konnte das GLP-1-Analogon in Studien nun das Gewicht reduzieren – es geht um 4,5 Kilogramm nach einem starken Jahr Liraglutidtherapie. Der EMA genügte dies, Saxenda darf nun auch bei adipösen Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden.

Bereits 2015 eroberte das ursprünglich zur Behandlung von Diabetes mellitus zugelassene Liraglutid (Handelsname bei Diabetes Victoza®) ein neues Therapiegebiet: Die Europäische Arzneimittelagentur EMA empfahl damals im Januar die Zulassung von Liraglutid in Saxenda® zur Behandlung erwachsener Patienten mit Adipositas, die Zulassung folgte im März 2015. Sechs Jahre später konnte Hersteller Novo Nordisk jetzt weitere Daten vorlegen, die nach Ansicht der EMA den Einsatz von Liraglutid auch bei adipösen Jugendlichen rechtfertigen. 

Die Europäische Kommission hat vor kurzem Saxenda® als erste medikamentöse Therapie von Adipositas bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren in der EU zugelassen. Eingesetzt werden darf es bei adipösen Jugendlichen, deren Ausgangs-BMI (Body-Mass-Index) mindestens einem Erwachsenen-BMI-Wert von 30 kg/m2 entspricht und bei einem Körpergewicht über 60 kg. Voraussetzung für den Einsatz von Liraglutid zur Gewichtsreduktion bei Jugendlichen ist zudem eine Kombination mit gesunder Ernährung und erhöhter körperlicher Aktivität. Die EMA empfahl außerdem, die Behandlung mit Saxenda® dann neu zu bewerten oder gar abzusetzen, wenn die Patienten nach 12 Wochen mit einer täglichen Dosis von 3,0 mg/Tag oder der maximal verträglichen Dosis ihren BMI oder BMI-Z-Score nicht um mindestens 4 Prozent verringert haben.

Perzentile – der kindliche BMI

Für Kinder ordnet man das Gewicht zur Abschätzung des Körperfettanteils mit BMI-Perzentilen ein. Bei Perzentilen unter 10 liegt Untergewicht vor, bei Perzentilen über 90 hingegen Übergewicht und dazwischen Normalgewicht. Die Perzentilen lassen sich in Z-Scores beziehungsweise Standard Deviation Score (SDS) umrechnen, diese sind für Alter und Geschlecht standardisiert. Dieser Wert gibt an, wie stark der Perzentilenwert über oder unter dem alters- und geschlechtsspezifisch BMI-Medianwert liegt. Das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie erklärt den Z-Score wie folgt: „Der Z-Score (gibt) an, um wie viel Standardabweichungen ein gemessener Wert von dem für gleichaltrige Kinder, gleichen Geschlechts erwarteten Wert der  Referenzpopulation abweicht“.

Die EMA stützte die Empfehlung zum Einsatz von Liraglutid bei Jugendlichen auf die Ergebnisse einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten, multinationalen Phase-3-Studie, die im Mai 2020 im Fachjournal „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde („A Randomized, Controlled Trial of Liraglutide for Adolescents with Obesity“).

Wie stark reduziert Liraglutid den BMI?

251 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren erhielten neben einer Lebensstilintervention – das heißt: energiereduzierte Diät und Beratungen zur körperlichen Aktivität – entweder täglich 3 mg Liraglutid (subcutan) unterstützend zur Gewichtsreduktion oder Placebo. In der Einführungsphase von 12 Wochen fand zunächst lediglich die Lebensstilintervention statt, erst danach startete zusätzlich die medikamentöse Behandlung mit Liraglutid oder eben einer wirkstofffreien Darreichungsform. Insgesamt erhielten die Jugendlichen für über ein Jahr (56 Wochen) sodann Liraglutid oder Placebo, wobei die Dosissteigerungen über einen Zeitraum von vier bis acht Wochen dauerten. Dieser Phase schloss sich eine Nachbeobachtungszeit von einem halben Jahr (26 Wochen) an, in der die Jugendlichen kein Liraglutid oder Placebo mehr erhielten. Nach dieser Zeit werteten die Studienautoren die Untersuchung aus. Sie interessierten sich am meisten dafür, wie sich der BMI-Z-Score nach 56 Wochen Therapie vom Ausgangswert verändert hatte. Hier konnte Liraglutid laut einer Mitteilung von Novo Nordisk bessere Ergebnisse erzielen als Placebo. Während Jugendliche in der Placebogruppe nach 56 Wochen einen um 0,35 Prozent höheren BMI hatten, verringerte sich unter Liraglutid der BMI um 4,29 Prozent. Somit senkte Liraglutid den BMI um 4,64 Prozent mehr als Placebo.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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