Aarane und Allergospasmin – nicht lieferbar, aber verzichtbar bei Asthma?
Ob Aarane® N von Sanofi-Aventis oder Allergospasmin® N von der Meda Pharma GmbH & Co. KG – bei beiden Dosieraerosolen müssen die Apotheken schon seit mehreren Monaten Patienten und Patientinnen mit einer entsprechenden Verordnung vertrösten. Denn laut dem Lieferengpass-Portal von PharmNet.Bund besteht für beide Asthma-Arzneimittel bereits seit Februar ein Lieferengpass. Sanofi hat in das Portal auch einen Grund für den Engpass eingetragen: „Probleme bei der Endfreigabe“.
Wie DAZ.online im Gespräch mit Sanofi erfuhr, stelle man zwar viele Produkte in Frankfurt selbst her, Aarane® gehöre jedoch nicht dazu. Grund für den Engpass seien damit neue Regularien bei der Arzneimittelfreigabe für die EU. Mit dem Juni soll der Engpass nun aber enden.
Keine vergleichbaren Präparate
Dass sich die Situation für Patienten, Patientinnen und Apotheken grundsätzlich problematisch darstellen kann, erkennt Sanofi an: Denn es gebe ja keine Alternativen. Beide Dosieraerosole enthalten die Wirkstoffe Cromoglicinsäure und Reproterol und sind laut Lauer-Taxe indiziert zur „Verhütung und Behandlung von Atemnot bei Patienten mit leichtem persistierendem Asthma bronchiale oder Belastungsasthma, die für kurze Zeit regelmäßig neben einer antientzündlichen Basistherapie zusätzlich eine bronchialerweiternde Therapie benötigen und bereits eine Dauertherapie mit Natriumcromoglicat durchführen oder darauf eingestellt werden sollen“. Tatsächlich verrät die Lauer-Taxe zudem, dass außer Aarane® N und Allergospasmin® N kein weiteres Dosieraerosol die beiden Wirkstoffe enthält – weder einzeln noch kombiniert. Lediglich in Bronchospasmin® von Meda ist noch das kurzwirksame β₂-Sympathomimetikum Reproterol enthalten. Allerdings handelt es sich dabei um eine Injektionslösung, die „zur kurzfristigen Behandlung des schweren bronchospastischen Anfalls und des Status asthmaticus“ angewendet wird.
Cromoglicinsäure in einem Dosieraerosol?
Cromoglicinsäure dürfte in der Apotheke vor allem aus Augentropfen und Nasensprays bekannt sein, findet aber auch dort angesichts im Alltag praktischerer Alternativen bei Heuchschnupfen eher selten seinen Weg über den HV-Tisch. Außerdem gibt es Kapseln oder Granulat, die Cromoglicinsäure enthalten. Diese werden bei „Nahrungsmittelallergien, bei denen eine Allergenkarenz nicht möglich ist“, angewendet.
Doch tatsächlich ist es noch gar nicht lange her, da gab es Cromoglicinsäure auch noch als Monopräparat in einem Dosieraerosol: „Intal N“ von Sanofi wird in der Lauer-Taxe mittlerweile aber als außer Vertrieb gelistet – seit 01.01.2021. Als es noch im Handel war, wurde es „zur Prophylaxe asthmatischer Beschwerden bei leichtem persistierendem allergischem und nichtallergischem Asthma (Stufe 2 des Asthmastufenschemas)“ angewendet.
Wer sich die Indikationen von Intal N und Aarane® genauer durchliest, der mag sich fragen, wann Aarane® nun überhaupt sinnvoll eingesetzt werden kann, wenn die Dauertherapie mit Natriumcromoglicat – zumindest mit Dosieraerosol – gar nicht mehr möglich ist?
Cromoglicinsäure-Reproterol-Kombination „medizinisch nicht sinnvoll“
Tatsächlich bezeichnet die AOK Niedersachsen die Verordnung von Aarane®/Allergospasmin® schon seit April 2020 als „unwirtschaftlich“. Die Wirkstoff-Kombination sei medizinisch nicht sinnvoll, heißt es. Ein Blick in den aktuellen Medikationskatalog der KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) verrät zudem, dass die Kombination „nachrangig“ zu verordnen sei. Unter Berufung auf die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) heißt es außerdem in dem Medikationskatalog zur Asthmatherapie: „Als Ausnahmemedikation wird die schwächer wirksame Cromoglicinsäure erwähnt, aber nur für Kinder, wenn Glucocorticoide vermieden werden sollen. Für die fixe Kombination Reproterol plus Cromoglicinsäure gibt es keinen wissenschaftlichen Nutzenbeleg.“
Doch auch bei Kindern können nach Leitlinie niedrig dosierte inhalative Glucocorticoide (ICS) in der Langzeittherapie zum Einsatz kommen. Auch dort scheint man also auf Cromoglicinsäure verzichten zu können. Laut dem Lungeninformationsdienst des Helmholtz Zentrums München wurden Cromone wie die Cromoglicinsäure ursprünglich als Alternative zur Glucocorticoidtherapie entwickelt. Da ihr entzündungshemmender Effekt aber deutlich schwächer ist, hätten sie diese jedoch nicht ersetzen können. Ihre Wirkung entfalten Cromone erst bei dauerhafter Einnahme.
Warum fiebern dann dennoch einige (ältere) Patient:innen der nächsten Verfügbarkeit des Dosieraerosols entgegen?
Wunschverordnung wegen Pfefferminzgeschmack?
Eine Erklärung könnte wieder die AOK Niedersachsen liefern: „Der Pfefferminzgeschmack und die dadurch empfundene Sofortwirkung können zu einer nicht wirtschaftlichen, nicht evidenzbasierten Wunschverordnung führen.“ Tatsächlich enthalten sowohl Aarane® als auch Allergospasmin® laut Lauer Taxe Pfefferminzöl.
Die AOK kommuniziert jedenfalls zusätzlich in einer „Versicherteninformation“, dass – sollten Arzt oder Ärztin weiterhin Aarane®/Allergospasmin® verordnen – damit zu rechnen ist, dass die Krankenkasse die Kosten von der Praxis zurückfordert.
Stiftung Warentest: Kombination nicht sinnvoll
Und sogar Stiftung Warentest äußert sich (datiert auf den 15.06.2021) zur Kombination Reproterol + Cromoglicinsäure zum Inhalieren: „Die Kombination beider Wirkstoffe ist nicht sinnvoll, weil Reproterol nur bedarfsweise angewendet werden soll, Cromoglicinsäure aber dauerhaft. Hinzu kommt, dass Cromoglicinsäure bei Asthma, insbesondere bei Erwachsenen, nur eingeschränkt nützlich ist. Das Mittel ist bei Asthma deshalb wenig geeignet.“
Im Stufenschema der aktuellen „Nationalen VersorgungsLeitlinie Asthma“ findet die Wirkstoffkombination keine Erwähnung. Lediglich bei Reproterol heißt es zu seiner parenteralen Applikation als Einzelsubstanz: „Die Leitliniengruppe schätzt die Qualität und die Aussagekraft der identifizierten Evidenz für die parenterale Anwendung von Beta-2-Sympathomimetika als sehr gering ein. Die Anwendung bei schweren Asthmaanfällen ist historisch bedingt und basiert auf Erfahrung sowie praxisrelevanten Aspekten.“ Die parenterale Gabe könne gegebenenfalls die teilweise mehrere Stunden dauernde Inhalation verhindern, allerdings sei dafür ein Monitoring der Herzfrequenz notwendig. Herzerkrankungen bilden eine Kontraindikation für die parenterale Anwendung von Beta-2-Sympathomimetika.
Somit steht es nicht gut um die Evidenz von Cromoglicinsäure und Reproterol – sowohl was die Einzelsubstanzen, aber vor allem auch ihre Kombination im Dosieraerosol angeht.