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Hat das heilmittelwerberechtliche Zugabeverbot eine Chance?
EuGH entscheidet über DocMorris-Gewinnspiel
Es ist so weit: Fast fünf Jahre nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass sich Arzneimittelversender aus anderen EU-Staaten nicht an die Arzneimittelpreisverordnung halten müssen, wird in Luxemburg am heutigen Dienstag erneut ein Urteil zu einer DocMorris-Werbeaktion erwartet. Diesmal geht es um die Frage, ob das deutsche Heilmittelwerberecht in europarechtkonformer Weise Zugaben des Versenders verbieten kann. Es handelt sich um ein Verfahren, das die Apothekerkammer Nordrhein im Jahr 2015 in die Wege geleitet hat.
Am heutigen 15. Juli wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine für Apotheken spannende Entscheidung verkünden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den Richter:innen in Luxemburg im vergangenen Jahr sinngemäß die Frage vorgelegt, ob es europarechtlich zulässig ist, DocMorris wegen eines Verstoßes gegen das heilmittelwerberechtliche Zugabeverbot zu verurteilen, weil das niederländische Unternehmen in einem an eine Rezepteinlösung gekoppelten Gewinnspiel hochwertige Preise ausgelobt hat. Und zwar auch dann, wenn nicht zu befürchten ist, dass damit einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub geleistet wird.
Dahinter steht ein Rechtsstreit zwischen der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) und DocMorris, der seine Anfänge im Jahr 2015 nahm. Damals warb DocMorris für die Teilnahme an einem Gewinnspiel, bei dem ein E-Bike im Wert von 2.500 Euro und neun hochwertige elektrische Zahnbürsten ausgelobt waren. Voraussetzung für die Teilnahme war die Einlösung eines Rezepts beim niederländischen Arzneimittelversender. Die AKNR hielt das für unzulässig und berief sich dabei nur auf das Heilmittelwerberecht – das Arzneimittelpreisrecht, das im Verfahren der Wettbewerbszentrale gegen die Deutsche Parkinson Vereinigung, im Mittelpunkt stand, spielt hier also keine Rolle.
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In erster Instanz fiel das Urteil noch zugunsten von DocMorris aus. Das Landgericht Frankfurt war der Auffassung, die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) müssten nach der EuGH-Entscheidung vom Oktober 2016, mit der die Anwendung des deutschen Arzneimittelpreisrechts auf EU-Versender für unzulässig befunden wurde, europrechtskonform so ausgelegt werden, dass sie hier ebenfalls nicht anwendbar seien. Doch das Oberlandesgericht Frankfurt kassierte diese Entscheidung: Aus seiner Sicht stellt die Teilnahme an dem Gewinnspiel eine unzulässige Zugabe dar, die nicht mehr geringwertig sei. Es liege damit ein Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 HWG normierte Zuwendungsverbot vor. Die EuGH-Entscheidung hat aus Sicht des Berufungsgerichts schon wegen der unterschiedlichen Schutzzwecke von Heilmittelwerberecht und Arzneimittelpreisrecht keinen Einfluss auf die Wertungen des § 7 Abs. 1 HWG.
BGH will § 7 HWG anwenden
DocMorris legte gegen das Frankfurter Urteil Revision beim BGH ein. Dieser setzte im Februar 2020 das Verfahren aus – und rief den EuGH an. Der Karlsruher Beschluss macht deutlich: Der BGH möchte § 7 HWG anwenden. Er sieht die Gefahr, dass Patient:innen durch die Gewinnaussichten verleitet werden könnten, auf eine objektiv in ihrem Interesse liegende Beratung in der stationären Apotheke zu verzichten. In seinem Beschluss führte der 1. Zivilsenat aus: „Die Entscheidung des Patienten für den Bezug eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels bei einer in- oder ausländischen Versandapotheke statt bei einer stationären Apotheke, die eine objektiv benötigte Beratung leisten kann, sollte nach Ansicht des Senats auf sachlichen Gründen beruhen und nicht durch aleatorische Reize beeinflusst werden.“
Nun ist also die Vierte Kammer am EuGH am Zug. Formale Schlussanträge des Generalanwalts, die eine Richtung aufzeigen könnten, gab es diesmal nicht. Allerdings hat der in diesem Verfahren beteiligte Generalanwalt, der Däne M. Henrik Saugmandsgaard Øe, kürzlich schon im EuGH-Verfahren zu den Werbemethoden der niederländischen Shop Apotheke in Frankreich gezeigt, dass er nationale Einschränkungen für möglich hält. Der EuGH folgte ihm in der Auffassung, dass nationale Verbote, die die Würde des Apothekerberufs schützen oder den missbräuchlichen Arzneimittelkonsum verhindern sollen, grundsätzlich mit dem EU-Recht vereinbar seien.
Kommt der EuGH heute zu dem Schluss, dass sich DocMorris zwar nicht an das deutsche Arzneimittelpreisrecht halten muss, wohl aber an die Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes – das einen anderen Schutzzweck hat –, würde dies neue rechtliche Möglichkeiten eröffnen. Zwar hält sich DocMorris derzeit mit Werbeaktivitäten im Zusammenhang mit der Rezepteinlösung zurück, aber wie lange das der Fall ist, ist nicht klar. Dass der Versender sich Großes vom E-Rezept erhofft, ist jedenfalls sicher – mit welchen Mitteln er sie bekommen will, wird sich zeigen.
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