Neue STIKO-empfehlung wegen „Gerechtigkeitsaspekt“

COVID-19: Am besten noch vor der Schwangerschaft impfen lassen!

Stuttgart - 10.09.2021, 17:50 Uhr

Die COVID-19-Impfempfehlung für Schwangere ist da. Währenddessen wartet die Öffentlichkeit noch auf eine weitere STIKO-Einschätzung – zu möglichen Booster- oder Auffrischimpfungen. Diese sind in der Schwangerschaft jedenfalls erstmal tabu. (x / Foto: milanmarkovic78 / AdobeStock)

Die COVID-19-Impfempfehlung für Schwangere ist da. Währenddessen wartet die Öffentlichkeit noch auf eine weitere STIKO-Einschätzung – zu möglichen Booster- oder Auffrischimpfungen. Diese sind in der Schwangerschaft jedenfalls erstmal tabu. (x / Foto: milanmarkovic78 / AdobeStock)


Direkt nach Veröffentlichung der Mitteilung der STIKO zur Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung für Schwangere und Stillende lud das „Science Media Center“ am heutigen Freitag zu einer virtuellen Expertendiskussion mit Mitgliedern der STIKO. Dabei wurde deutlich: Es geht vor allem um den Schutz der Schwangeren. Die Schwangerschaft stellt für sich genommen einen Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf dar. Deshalb sei die nun empfohlene Impfung im zweiten Schwangerschaftsdrittel nur die zweitbeste Wahl. Besser sei es, wenn sich alle gebärfähigen Frauen schon vor Eintritt einer Schwangerschaft impfen lassen.

Seit dem heutigen Freitag empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission) in einem Beschlussentwurf (Änderungen sind noch möglich) eine COVID-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff für „bisher ungeimpfte“ Schwangere und Stillende. Ungefähr eine halbe Stunde nach Veröffentlichung der entsprechenden Mitteilung hatte das „Science Media Center“ (SMC) drei Expert:innen zur virtuellen Hintergrunddiskussion geladen. Darunter zwei Mitglieder der STIKO: Professor Christian Bogdan (Direktor des Mikrobiologischen Instituts – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Universitätsklinikum Erlangen) und Dr. Marianne Röbl-Mathieu (niedergelassene Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in München, Sprecherin in der AG COVID-19-Impfung in der Schwangerschaft der STIKO). Außerdem beteiligte sich Professor Mario Rüdiger an der Diskussion, Leiter des Fachbereichs Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin sowie Leiter des Projekts Feto-Neonataler-Pfad am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden. Er dürfte DAZ-Leser:innen auch als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) sowie als Leiter der CRONOS-Studie (COVID-19 Related Obstetric and Neonatal Outcome Study) ein Begriff sein. 

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Alle drei Expert:innen betonten, dass die Schwangerschaft für sich genommen einen Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf darstellt – im Vergleich zu gleichaltrigen Frauen. Röbl-Mathieu erklärte zudem, dass sich durch die Ausbreitung der Delta-Variante der „Infektionsdruck“ erhöht habe. Sie begrüßte daher, dass die STIKO nun in ihrer typischen Arbeitsweise durch eine systematische Aufarbeitung der Daten zu der neuen Empfehlung gelangt ist, erklärte aber auch, dass die Datenlage zur Sicherheit weiterhin begrenzt sei. Die Aufklärung durch einen Arzt oder eine Ärztin sei weiterhin nötig.

Diese sollte mit der neuen Empfehlung für die betroffenen Ärzt:innen nun aber deutlich leichter werden – und so auch der Zugang zur Impfung für Schwangere. Am Ende sei nämlich der „Gerechtigkeitsaspekt“ für die neue Empfehlung der STIKO entscheidend gewesen. Schwangere und Stillende sollten sich genauso leicht impfen lassen können wie die restliche Bevölkerung. Das war bislang durch die individuelle Abwägung gemeinsam mit Arzt oder Ärztin offenbar nur erschwert möglich.

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Anders als beispielsweise bei der Pertussis-Impfung, die vor allem dem Neugeborenen einen „Nestschutz“ bieten soll, steht im Zentrum der COVID-19-Impfung der Schutz der Mutter. Doch nicht nur in diesem Aspekt unterscheiden sich die beiden Impfungen deutlich: Sowohl die Datenlage hinsichtlich Sicherheit als auch Wirksamkeit bei der Corona-Impfung sieht gegenüber der bei Pertussis-Impfung dürftig aus. Röbl-Mathieu sprach bei COVID-19 von zwei Studien zur Wirksamkeit, darunter eine Studie aus Israel mit 20.000 Frauen, während sie bei Pertussis von einer Million Datensätze zur Wirksamkeit sprach.

Die neue Empfehlung ist also aus mehreren Gründen nicht der einer Pertussis-Impfung gleichzusetzen. Vor allem auch, weil gegen Pertussis explizit in der Schwangerschaft geimpft werden soll. Gegen COVID-19 werde am besten schon vor der Schwangerschaft geimpft, das machte vor allem Bogdan mehrfach deutlich. Nur so sei die Schwangere von Anfang an geschützt und nicht erst ab dem zweiten Drittel der Schwangerschaft.

Er betonte zudem, dass eine Schwangerschaft immer komplexe Veränderungen des Immunsystems mit sich bringe und dass auch das Immunsystem des Kindes mitbedacht werden müsse. So wolle man beispielsweise im ersten Trimenon grundsätzlich Fieber vermeiden – sei es durch eine Infektion oder eine Impfung – um einen Faktor (von vielen) für Fehlgeburten auszuschließen. Letztlich ordnete er die neuen mRNA-Impfstoffe aber auch der Kategorie der „Totimpfstoffe“ zu, gegenüber „Lebendimpfstoffen“, die in einer Schwangerschaft aus theoretischen Überlegungen kontraindiziert sind. 

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Währenddessen wartet die Öffentlichkeit noch auf eine weitere STIKO-Einschätzung – zu möglichen Booster- oder Auffrischimpfungen. Ob und inwiefern diese für die gesamte Bevölkerung nötig seien, werde sich mit der kommenden STIKO-Empfehlung zeigen, so Bogdan. Im Moment sei eine mögliche Auffrischimpfung jedenfalls nicht in der Schwangerschaft durchzuführen, sollte die Schwangere bereits zuvor vollständig geimpft worden sein. Diese Empfehlung könne sich mit neuen Daten aber dann ändern, wenn man in Zukunft gezielt – wie bei der Pertussis-Impfung – Antikörper auf das ungeborene Kind übertragen wolle.

Auch Rüdiger von der DGPM, eine der Fachgesellschaften, die sich ja bereits zuvor für eine COVID-19-Impfung von Schwangeren ausgesprochen hatten, begrüßte nun die neue STIKO-Empfehlung für Schwangere und Stillende. Es habe auf Seiten der Schwangeren eine hohe Nachfrage nach der Impfung, aber auch viel Verunsicherung gegeben, erklärte er. Dennoch verteidigte er die STIKO und insgesamt die Notwendigkeit nationaler Impfempfehlungen, selbst wenn diese sich auf internationale Daten stützten. Das Risiko einer Erkrankung sei nämlich immer auch vor dem Hintergrund verschiedener Gesundheitssysteme zu betrachten.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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