Vier Impfdosen für Kinder

WHO empfiehlt erstmals breite Anwendung eines Malaria-Impfstoffs

Stuttgart - 08.10.2021, 09:15 Uhr

Vor rund 20 Jahren wurde der Schutz vor Mückenstichen in Malaria-Gebieten intensiviert, unter anderem durch den Einsatz von Moskitonetzen für die Nacht, die mit Insektiziden behandelt sind. (x / Foto: grooveriderz / AdobeStock)

Vor rund 20 Jahren wurde der Schutz vor Mückenstichen in Malaria-Gebieten intensiviert, unter anderem durch den Einsatz von Moskitonetzen für die Nacht, die mit Insektiziden behandelt sind. (x / Foto: grooveriderz / AdobeStock)


Es ist eine Empfehlung, die auf Pilotversuchen mit rund 800.000 Kindern in Ghana, Kenia und Malawi beruht – tödliche Malariaverläufe sind laut der Weltgesundheitsorganisation dabei um 30 Prozent zurückgegangen. Deshalb soll das Malaria-Vakzin „RTS,S“ von nun an grundsätzlich Kindern in Afrika südlich der Sahara und in anderen Malaria-Regionen verabreicht werden. Das teilte die WHO am Mittwoch mit und sprach von einem historischen Moment. Warum gestaltet sich die Entwicklung eines potenten Impfstoffs gegen Malaria so schwierig?

Jedes Jahr gibt es rund 200 Millionen Malaria-Infektionen, überwiegend in Afrika. Viele Menschen stecken sich mehrmals im Jahr an. 400.000 Menschen sterben jährlich dadurch, vor allem Kinder unter fünf Jahren. 94 Prozent der Malaria-Todesfälle verzeichnen afrikanische Länder.

Vor rund 20 Jahren wurde der Schutz vor Mückenstichen in Malaria-Gebieten intensiviert, unter anderem durch den Einsatz von Moskitonetzen für die Nacht, die mit Insektiziden behandelt sind. Dadurch gingen die Infektionszahlen zurück. Seit ein paar Jahren stagnierten sie aber. Schon 2016 berichtete die DAZ über Pilotprojekte zur Malaria-Impfung, die im Jahr 2018 starten sollten: „Nach einer aktuellen Mitteilung der Weltgesundheitsorganisation wird der weltweit erste Impfstoff gegen Malaria RTS,S (Mosquirix) in Kürze in Pilotprojekten in Subsahara-Afrika eingesetzt“, hieß es damals.

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Erst im April dieses Jahres kam dann die Nachricht, dass in Ghana, Kenia und Malawi seit 2019 mehr als 650.000 Kinder mit dem Präparat RTS,S geimpft worden seien. „Die gesammelten Informationen zur Sicherheit der Impfung sind sehr ermutigend“, erklärte die WHO. Sie wolle noch vor Ende des Jahres entscheiden, ob sie eine Anwendung auch in anderen Ländern empfiehlt, hieß es.

Der Impfstoff RTS,S (Mosquirix) wurde im Rahmen einer Partnerschaft von GlaxoSmithKline und der PATH Malaria Vaccine Initiative (MVI) mit Unterstützung der Bill & Melinda-Gates-Stiftung sowie eines Netzwerks von afrikanischen Forschungszentren entwickelt. Er enthält ein im Erreger Plasmodium falciparum enthaltenes Protein, das eine Immunisierung und eine schnellere Abwehrreaktion des Immunsystems bewirken soll.

P. falciparum ist der gefährlichste Malaria-Parasit weltweit und in Afrika am weitesten verbreitet. Mosquirix ist der erste Malaria-Impfstoff, der die pivotale klinische Phase 3-Testung erfolgreich abgeschlossen hat.“ [Quelle: DAZ.online, 2016, Dr. Helga Blasius]

Jetzt ist es tatsächlich so weit. Wie die WHO am vergangenen Mittwoch in einer Mitteilung bekannt gab, könne ihre historische Empfehlung für den Impfstoff RTS,S/AS01 dem Kampf gegen Malaria neuen Schwung verleihen. Sie empfiehlt von nun an „im Rahmen einer umfassenden Malariabekämpfung den RTS,S/AS01-Malariaimpfstoff zur Vorbeugung von P. falciparum-Malaria bei Kindern einzusetzen, die in Regionen mit mäßiger bis hoher Übertragung leben, wie sie von der WHO definiert werden. Der RTS,S/AS01-Malariaimpfstoff sollte Kindern ab dem fünften Lebensmonat in einem Schema von vier Dosen verabreicht werden, um die Malariaerkrankung und -belastung zu verringern.“ 

Ihre Empfehlung stützt die WHO auf Daten von mittlerweile 800.000 Kindern aus dem laufenden Pilotprojekt. Das Pilotprojekt wird in den drei bisherigen Ländern aber fortgesetzt, heißt es, um den zusätzlichen Nutzen der vierten Dosis zu ermitteln und Erkenntnisse über die längerfristigen Auswirkungen auf die Zahl der Todesfälle bei Kindern zu gewinnen. Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt seien vor allem:  

  • Die Impfung lässt sich in der Praxis gut umsetzen.
  • Die Impfung erreicht auch Kinder, die sonst nicht von Präventionsmaßnahmen erreicht werden.
  • Der Impfstoff hat ein gutes Sicherheitsprofil.
  • Keine negativen Auswirkungen auf andere Präventivmaßnahmen oder das Verhalten bei fiebrigen Erkrankungen.
  • Hohe Wirkung in der Praxis: Signifikanter Rückgang (30 Prozent) der tödlichen schweren Malaria, selbst bei Einführung in Gebieten, in denen insektizidbehandelte Netze weit verbreitet sind und ein guter Zugang zu Diagnose und Behandlung besteht.
  • Der Impfstoff ist kosteneffizient.

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Tatsächlich gibt es mittlerweile sogar eine Weiterentwicklung von RTS,S/AS01: „R21/Matrix-M“. Die DAZ berichtete im Juli darüber. Grund für die Weiterentwicklung ist, dass die Immunogenität von RTS,S/A0S1 als eher gering gilt und nicht die von der WHO geforderte Wirksamkeit von 75 Prozent erreichte, wie DAZ-Autorin Laura Kneller berichtete. Zwar enthält die neuere Version das gleiche Antigen, sie enthält aber auch das Adjuvans Matrix-M (hergestellt von Novavax, Schweden). In einer klinischen Phase-II-Studie zeigt die Weiterentwicklung eine Wirksamkeit von bis zu 77 Prozent.  

Noch mehr Details zur Malariaimpfung RTS,S (Mosquirix), und außerdem zur „Lebendvakzine PfSPZ“ gegen Malaria, können Sie in der DAZ 21/2019 nachlesen. 

Warum ist die Impfstoffentwicklung gegen Malaria so schwer?

„Plasmodien sind zwar Einzeller, gehören aber zu den tierischen Organismen und sind Eukaryonten mit einem deutlich komplexeren Aufbau als Bakterien oder gar Viren, gegen die ja bereits zum Teil recht erfolgreich geimpft werden kann. Dazu kommt, dass sich der Parasit im Menschen überwiegend intrazellulär befindet und sich dadurch den direkten Angriffen des Immunsystems entziehen kann. Zusätzlich unterliegen die möglichen Antigene einer zu großen Variabilität, so dass die immunologischen Waffen eventuell nur kurzfristig nutzbar sind.“ [Quelle: DAZ 43/2011, Professor Theo Dingermann, Dr. Ilse Zündorf]


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