Bis zu acht Impfpass-Fälschungen am Tag

Um das Team zu schützen: Apotheke stellt keine COVID-19-Impfzertifikate mehr aus

Gefälschte Impfpässe fluten derzeit die Apotheken in Deutschland. Eine Filialleiterin berichtet im Gespräch mit der DAZ jetzt von ihren Erfahrungen – und erläutert, weshalb ihre Apotheke keine Impfpässe mehr digitalisiert. Stattdessen schult sie nun die Polizei, wie man Fälschungen entlarvt.

Um das Team zu schützen: Apotheke stellt keine COVID-19-Impfzertifikate mehr aus

Wer hierzulande noch am gesellschaftlichen Leben teilhaben möchte, muss meist entweder geimpft oder genesen sein. Mit Blick auf die steigenden Inzidenzen setzt sich mittlerweile vielerorts das 2G-Prinzip durch. Das führt auch dazu, dass der Handel mit gefälschten Impfpässen boomt – wer einen ergattern konnte, geht in der Regel in eine Apotheke und versucht, ihn sich dort digitalisieren zu lassen.

Das hat Folgen für die Apothekenteams – und zwar vereinzelt so schwerwiegende, dass die betroffenen Betriebe aus der Impfpass-Digitalisierung aussteigen. Eine Filialleiterin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, berichtet im Gespräch mit der DAZ vom Ausmaß, das die Fälschungsflut inzwischen angenommen hat. Bis zu acht gefälschte Impfpässe pro Tag haben sie und ihr Team jüngst aus dem Verkehr gezogen, etwa jeder fünfte Nachweis sei nicht echt gewesen. „Ich bin zu nichts anderem mehr gekommen“, sagt sie. „Wir haben deshalb jetzt einen Schlussstrich gezogen und stellen keine digitalen Zertifikate mehr aus.“

Die Apothekerin und ihr Team wollten die Betrüger:innen nicht einfach davonkommen lassen und riefen die Polizei, wenn sie eine Fälschung entdeckten. Auch wenn sie den Kontakt mit den Beamten als freundlich beschreibt, hätten die häufigen Unterbrechungen ihren Arbeitsalltag zuweilen massiv beeinträchtigt. „Wenn ich eine Fälschung entdeckt hatte, bin ich meist hinten geblieben und habe dort auf die Polizei gewartet, damit sich die Fälscher mein Gesicht nicht einprägen können“, erzählt sie. Handgreiflich sei zwar niemand geworden, dennoch habe sie manche Situationen als bedrohlich empfunden. „Viele werden laut, es ist eine gewisse Grundaggressivität spürbar.“

Von der Politik fühlt sich die Apothekerin alleingelassen. „Sobald wir einen Impfpass nicht wieder rausrücken, ist den meisten klar, dass wir sie entdeckt haben. Das kann für die Apothekenmitarbeitenden gefährlich werden“, gibt sie zu bedenken. Oft habe sie technische Probleme vorgeschoben, um sich Zeit zu verschaffen. Dann habe sie die mutmaßlich gefälschten Impfpässe einbehalten und nach der Übergabe an die Polizei gegenüber den Besitzer:innen gesagt, die Beamten hätten sich von sich aus gemeldet und nach einem Impfpass mit dem entsprechenden Namen gefragt.

Apothekerin schult Polizei, Kammer verzichtet

Grundsätzlich sei der Gedanke, den Apotheken diese Aufgabe zu übertragen, richtig gewesen, meint die Filialleiterin. Doch je mehr die Politik die Freiheiten für Ungeimpfte eingeschränkt habe, desto mehr Impfpass-Fälschungen seien aufgetaucht. Inzwischen sei das Konstrukt nicht mehr tragfähig. „Da hätte man schon vor drei Wochen den Stecker ziehen sollen.“ Aus ihrer Sicht sollte es künftig nur noch möglich sein, direkt bei der impfenden Stelle ein Zertifikat zu bekommen, oder es bräuchte ein zentrales Impfregister, anhand dessen angeblich erfolgte Impfungen überprüfbar seien.

In der Apotheke der Kollegin gibt es nun zwar keine digitalen Impfzertifikate mehr – das Thema lässt sie aber nicht los. Inzwischen schult sie Polizeibeamte, woran man gefälschte Impfnachweise erkennen kann. Am gestrigen Dienstag gab sie das erste Seminar, etwa 10 bis 15 Beamte hätten daran teilgenommen. „Die Resonanz war durchweg positiv“, berichtet sie. Die Schulung sei auf ihre Initiative hin angeboten worden. „Ich habe mich an die zuständige Dienststelle gewandt. Dort hat man mein Angebot gern angenommen.“

Auch auf ihre Apothekerkammer sei sie zugegangen und habe vorgeschlagen, entsprechende Seminare für Apotheker:innen auf die Beine zu stellen. Dort allerdings ist sie abgeblitzt: „Wenn vonseiten der Polizei Informationsbedarf besteht, kann sich die Polizei direkt an uns wenden“, schrieb ihr die Kammer zurück. „Der ‚Zuruf‘ einer uns unbekannten Person, wie mit Ihrer E-Mail erfolgt, ist für die Kammer keine Grundlage einer Zusammenarbeit.“ Die Apothekerin ist mit Blick auf die Antwort verärgert und enttäuscht – wieder einmal werden die Kolleginnen und Kollegen allein gelassen, diesmal von der eigenen Standesvertretung.

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