Neue Leitlinie

Harnwegsinfektionen im Kindesalter – Antiphlogistika nur eingeschränkt empfohlen

Stuttgart - 25.11.2021, 12:15 Uhr

Der alleinige Einsatz von Probiotika kann nicht uneingeschränkt empfohlen werden. Als Adjuvans zur antibakteriellen Prophylaxe sind Probiotika aber möglicherweise geeignet. (s / Foto: adragan / AdobeStock) 

Der alleinige Einsatz von Probiotika kann nicht uneingeschränkt empfohlen werden. Als Adjuvans zur antibakteriellen Prophylaxe sind Probiotika aber möglicherweise geeignet. (s / Foto: adragan / AdobeStock) 


Die im August dieses Jahres veröffentlichte 2k-Leitlinie „Harnwegsinfektionen im Kindesalter – Diagnostik, Therapie und Prophylaxe“ enthält Empfehlungen für das gesamte Kindes- und Jugendalter – von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr. Somit schließt sie auch Jugendliche ein, für die eine Selbstmedikation in gewissen Grenzen möglich ist. Was sollte man für die Beratung in der Apotheke wissen?

Einige aus der Apotheke bekannte Präparate mit Bärentraubenblätter-Trockenextrakt (z. B. Arctuvan®) oder Extrakten aus echtem Goldrutenkraut (z. B. Cystinol® long) sind bereits ab zwölf Jahren zugelassen. Im Erwachsenenalter gibt es zur therapeutischen und prophylaktischen Wirksamkeit von Phytopharmaka und Antiphlogistika bei Harnwegsinfektionen laut der neuen 2k-Leitlinie „Harnwegsinfektionen im Kindesalter – Diagnostik, Therapie und Prophylaxe“ einige Studien, beispielsweise zu Arzneimitteln mit Isothiocyanat-haltigen Extrakten aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel (Angocin®), mit Zubereitungen aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern (Canephron®) sowie NSAR wie Ibuprofen und Diclofenac.

Für das Kindesalter existieren jedoch nur sehr wenige Studien mit geringen Probandenzahlen. Die Leitlinie bemängelt, dass Pädiater und Kinderurologen deshalb oft auf die Erfahrungen aus der „Erwachsenen-Medizin“ angewiesen sind. Die Autoren fordern daher, diese Lücke durch Therapiestudien bei Kindern zu schließen und bei der Prüfung von Antibiotika-freien Mitteln vergleichbare Anforderungen wie bei der Wirksamkeitsprüfung von Antibiotika zu stellen.

Dennoch gab es bei der Leitlinienerstellung bei einigen Wirkstoffen – jenseits von Antibiotika – einen starken Konsens bezüglich der ­Infektionsprophylaxe und -therapie:

Nicht-antibakterielle Therapie

„Bei unkomplizierten rezidivierenden Zystitiden im späten Kindes- und im Jugendalter kann eine Infektionsprophylaxe mit nicht-antibakteriell wirksamen Präparaten (z. B. mit D-Mannose, Phytotherapeutika, Isothiocyanaten) als supportive Maßnahme angewandt werden.“

Probatorische Phytotherapie

„Bei jugendlichen Mädchen mit rezidivierenden unkomplizierten Zystitiden kann bei akuter Zystitis die probatorische Behandlung mit einem Phytotherapeutikum erwogen werden, wenn dies nach Aufklärung über das Risiko einer Pyelonephritis ausdrücklich gewünscht wird.“ 

[Empfehlungen 7.11. und 9.7. der Leitlinie „HWI bei Kindern“, jeweils starker Konsens (d. h. Zustimmung von > 95% der Teilnehmer des Abstimmung)]

Bei der symptomatischen Behandlung von Harnwegsinfektionen mit analgetisch und antiphlogistisch wirkenden Substanzen wie Ibuprofen oder Diclofenac trat in Studien zwar eine Symptomlinderung auf, es kam aber im Vergleich zu den antibakteriell behandelten Teilnehmern zu mehr Fällen von Nierenbeckenentzündung. Aus diesem Grund werden Antiphlogistika nur eingeschränkt empfohlen.

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Präparate mit Probiotika wie Lactobacillus (L.) acidophilus, L. rhamnosus, Bifidobacterium (B.) bifidum und B. lactis waren in einigen Studien zur Prophylaxe von Harnwegsinfektionen erfolgreich. So führte beispielsweise in einer prospektiven, randomisierten Studie bei Kindern im mittleren Alter von acht Jahren eine Kombination von L. acidophilus und B. lactis mit Nitrofurantoin zu einer geringeren Rate fieberhafter Rezidive als die Verwendung von Nitrofurantoin allein. Die Leitlinienautoren empfehlen aufgrund der jetzigen Datenlage, dass der alleinige Einsatz von Probiotika nicht uneingeschränkt empfohlen werden kann, da deren Wirksamkeit zur Prophylaxe von Harnwegsinfektionen im Kindesalter unzureichend belegt ist. Als Adjuvans zur antibakteriellen Prophylaxe sind Probiotika möglicherweise geeignet (starker Konsens).

Zu Cranberry-Extrakten ist die Datenlage sehr heterogen. Dies spiegelt sich auch in dieser Leitlinie wider. Die Autoren verweisen unter anderem auf eine Cochrane-Analyse, die keine Evidenz zur Wirksamkeit von Cranberrys bei Harnwegsinfektionen finden konnte. Problematisch sei auch, dass die im Handel erhältlichen Produkte stark unterschiedliche Zusammensetzungen und Konzentrationen aufweisen.

Grundsätzlich gehören Harnwegsinfektionen bei Säuglingen und Kindern in ärztliche Behandlung. Auch, weil sie in diesem Alter oft zu unspezifischen Symptomen führen. Welche das je nach Altersgruppe sind und weitere Details erfahren DAZ-Abonnent:innen in der DAZ 45/2021.

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Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
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