Schweigepflicht vs. Aufklärung von Straftaten

Ministerium prüft Offenbarungsbefugnis

Berlin - 28.01.2022, 16:00 Uhr

Die Polizei zählt bei der Aufdeckung von Fälschungsstraftaten im Zusammenhang mit Impfpässen auf die Apotheken. Aber deren Zuarbeit steht rechtlich auf wackeligen Beinen. (x / Foto: IMAGO / Lobeca)

Die Polizei zählt bei der Aufdeckung von Fälschungsstraftaten im Zusammenhang mit Impfpässen auf die Apotheken. Aber deren Zuarbeit steht rechtlich auf wackeligen Beinen. (x / Foto: IMAGO / Lobeca)


Apotheken, denen zur Digitalisierung vorgelegte Impfpässe verdächtig erscheinen, sind derzeit eine wichtige Stütze der Polizei. Ihre Anzeigen bringen oftmals Ermittlungen in Gang. Doch nach wie vor besteht zumindest die theoretische Gefahr, dass sich Apotheker:innen, die mutmaßliche Fälscher:innen melden, selbst strafbar machen. Das Bundesgesundheitsministerium prüft daher, ob es einer ausdrücklichen Offenbarungsbefugnis bedarf.

Tagtäglich helfen Apotheker:innen Impfpassfälschungen aufzudecken. Mittlerweile scheint die Scheu gefallen, sich dabei selbst strafbar machen. Denn eigentlich unterfallen Apotheker:innen, ebenso wie andere Heilberufler:innen und verschiedene weitere Berufe, einer Schweigepflicht, wenn ihnen ein „fremdes Geheimnis“ anvertraut wird. Dieses unbefugt zu offenbaren kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft werden (§ 203 Abs. 1 StGB). 

Bei den Ermittlungsbehörden schien sich in den vergangenen Wochen allerdings die Auffassung durchzusetzen, dass Apotheker:innen, die einen Verdacht auf Fälschungen der Polizei melden, nach den allgemeinen Notstandsregeln gerechtfertigt sind. Die Generalstaatsanwaltschaften in Niedersachsen waren die ersten, die wissen ließen, dass sie gegen Apotheker:innen in diesem Zusammenhang nicht ermitteln werden – in anderen Bundesländern sah es man es offenbar nach und nach ebenso. Es erscheint auch kaum nachvollziehbar, dass Apotheken hier Straftäter:innen schützen sollten. Klar ist allerdings auch: Sie sind nicht verpflichtet, einen Verdacht den Behörden mitzuteilen.

Auch wenn bislang nicht bekannt ist, dass die Ermittlungsbehörden gegen Apotheker:innen, die eine mögliche Straftat im Zusammenhang mit Impfpässen angezeigt haben, wegen einer Schweigepflichtverletzung vorgegangen sind: Eine wirklich sichere Rechtslage ist es für die Pharmazeuten und Pharmazeutinnen nicht. Ob sie in einem rechtfertigenden Notstand handeln, ist für sie nicht immer leicht abschätzbar. Und letztlich obliegt es immer den Behörden und Gerichten vor Ort, wie sie das Recht anwenden. Als im vergangenen November die Strafvorschriften angepasst wurden, um erkannte Lücken bei Impfpassfälschungen zu schließen, wurde im Gesetzgebungsverfahren auch das Problem mit § 203 StGB diskutiert. Sachverständige Juristen regten an, eine explizite Offenbarungsbefugnis bei einem Fälschungsverdacht zu regeln. Geschehen ist dies allerdings nicht.

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Nun hat die Bundestagsfraktion der Union im Rahmen einer umfangreichen Kleinen Anfrage rund um die Impfpflicht-Debatte nochmals beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) nachgehakt: „Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der steigenden Bedeutung von Impfpässen bzw. Impfzertifikaten die Problematik, dass medizinisches Personal und Apotheker der Schweigepflicht des § 203 StGB unterliegen und daher umstritten ist, inwieweit sie gegenüber (Strafverfolgungs-)Behörden überhaupt den Umstand eines (vermeintlich) gefälschten Impfpasses oder Tests offenlegen dürfen, ohne sich nicht selbst strafbar zu machen?“ Beabsichtige sie, um Rechtssicherheit herzustellen, entsprechend den Regelungen in §§ 6 ff. Infektionsschutzgesetz (Meldepflicht bei bestimmten Krankheiten) eine besondere Offenbarungsbefugnis aufzunehmen?

Geantwortet hat die neue parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Sabine Dittmar (SPD). Auch sie betont, dass die in § 203 StGB strafrechtlich abgesicherte Schweigepflicht nicht ausnahmslos gelte und verweist auf die bestehende Notstandsreglung im Strafgesetzbuch: „Die beabsichtigte Verhinderung einer drohenden Straftat von nicht unerheblichem Gewicht und der daraus folgenden Gefährdungen kann eine Offenbarungsbefugnis nach allgemeinen Grundsätzen (§ 34 StGB) begründen.“ Abhängig von den Umständen des Einzelfalls könne daher schon nach geltendem Recht die Meldung von Verdachtsfällen durch Apothekerinnen und Apotheker zur Verhinderung zukünftigen Gebrauchs gefälschter oder unrichtiger Impfnachweise und der daraus resultierenden Gesundheitsgefahren gerechtfertigt sein, so Dittmar.

Offenbar weiß man im BMG noch nicht, ob man sich mit dieser Rechtslage wirklich zufrieden geben soll. Die Staatssekretärin erklärt abschließend: „Ob es zur Herstellung von mehr Rechtssicherheit einer spezialgesetzlichen, besonderen Offenbarungsbefugnis bedarf, ist Gegenstand derzeitiger Prüfungen innerhalb der Bundesregierung.“


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Oh Deutsche Land...

von Paul am 30.01.2022 um 4:14 Uhr

Das ist doch einfach nur, Verzeihung die Wortwahl, gestört. Täter- statt Opferschutz, in so vielen Bereichen. Ich sehe immer mehr schwarz für dieses Land.

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D im Irrsinn

von ratatosk am 29.01.2022 um 9:50 Uhr

Ein weiterer Beweis für den kafkaesken Behörden und Justizwahnsinn in D. Ausländischen Freunden ist so was nicht erklärbar, da die einen für verrückt halten , oder dies für einen mauen Scherz, wenn man ihnen erklären will, was der Stand in D ist.
Zu einer Klarstellung , Verordnung etc. sind deutsche Politiker und Ministerien schon lange nicht mehr fachlich in der Lage, es sei denn es beträfe ihre Kumpel im Großkapital.
Vom Arbeitswillen ganz abgesehen, man fängt jetzt an zu prüfen ??!!

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