Ärzte und Apotheker dürfen sich nicht bevorraten

Apotheken müssen anonymisierte Tamoxifen-Rezepte aufbewahren

Stuttgart - 24.02.2022, 13:45 Uhr

Der Versorgungsmangel mit Tamoxifen scheint so ausgeprägt zu sein, dass milde Maßnahmen nicht mehr ausreichen. (Foto: Olga / AdobeStock)

Der Versorgungsmangel mit Tamoxifen scheint so ausgeprägt zu sein, dass milde Maßnahmen nicht mehr ausreichen. (Foto: Olga / AdobeStock)


Lieferengpässe sorgen in der Apotheke für eine erhöhte Arbeitslast, vor allem wenn sie so ausgeprägt sind wie aktuell im Fall von Tamoxifen. Vergangenen Dienstag hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einen weiteren Bescheid zum Versorgungsengpass veröffentlicht. Demnach ist der Tamoxifen-Export untersagt und: Aus dem Bescheid ergibt sich ein erhöhter Dokumentationsaufwand für Apotheken. 

Am 9. Februar hat der Beirat nach zu Liefer- und Versorgungsengpässen zum Engpass von Tamoxifen getagt. Das dort beschlossene Maßnahmenpaket wurde am 11. Februar veröffentlicht. Mit dem mittlerweile offiziell bekanntgegebenen Versorgungsmangel an Tamoxifen-haltigen Arzneimitteln ist dadurch beispielsweise der Import solcher ermöglicht worden. Außerdem sollen Ärzt:innen keine Rezepte für individuelle Bevorratungen ausstellen und es ist auch die Verordnung kleinerer Packungsgrößen möglich. Finanzielle Nachteile sollen dadurch nicht entstehen.

Am vergangenen Dienstag hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zudem auf seiner Internetseite eine „Anordnung gemäß § 52b Absatz 3d AMG über Maßnahmen zur Abmilderung des Versorgungsengpasses mit tamoxifenhaltigen Arzneimitteln“ veröffentlicht. Darin wird nochmals hervorgehoben, dass keine Bevorratungen stattfinden sollen – genauer gesagt: 


„Eine Bestellung auf Vorrat ist weder für Apotheken noch für Ärztinnen und Ärzte zulässig.“

Bescheid vom 22.02.2022, Anordnung gemäß § 52b Absatz 3d AMG für tamoxifenhaltige Arzneimittel 


Zudem heißt es, dass „sämtliche Bestellungen, Lieferungen und Abgaben“ nur auf Vorlage der Kopie einer anonymisierten Verschreibung einer ärztlichen Person erfolgen dürfen. Was das für die Praxis bedeutet, wird im FAQ des BfArM konkretisiert. Demnach soll „vorzugsweise über die normalen Handelsstrukturen über den Großhandel“ eine gleichmäßige Verteilung (importierter) Tamoxifen-Präparate ermöglicht werden. Aber muss dem Großhandel dann auch eine ärztliche Verordnung vorliegen, um Apotheken mit Tamoxifen beliefern zu können? Das BfArM beantwortet diese Frage mit einem klaren „Nein“. Lediglich der Apotheke muss für die Bestellung die Verschreibung einer ärztlichen Person vorliegen, heißt es. Deren Zusicherung reicht dem Großhandel also aus. Allerdings erklärt das BfArM auch: 


Die anonymisierten ärztlichen Verordnungen sind von den öffentlichen Apotheken oder Krankenhausapotheken als Beleg für den Zeitraum des Versorgungsengpasses aufzubewahren.“

FAQ des BfArM zu Tamoxifen 


Der Bescheid selbst richtet sich an „die Arzneimittelgroßhandlungen in Deutschland, die betroffenen Zulassungsinhaber sowie Unternehmen, die zum Import tamoxifenhaltiger Fertigarzneimittel berechtigt wurden“. Darin heißt es zudem, dass für den Zeitraum des Versorgungsmangels „ausschließlich öffentliche Apotheken und Krankenhausapotheken mit Sitz in Deutschland beliefert werden“ dürfen. So soll „eine flächendeckende und bedarfsgerechte Verteilung möglicher Importware und der noch verfügbaren inländischen Kontingente“ gewährleistet werden. Dazu ist auch ein „Beförderungsverbot in das Ausland erforderlich“, heißt es. Das Verbringen tamoxifenhaltiger Arzneimittel aus dem Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes wird damit ausdrücklich untersagt. Es darf also keine Lieferung in andere EU-Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder die Ausfuhr in Drittstaaten erfolgen. 

Anders könne „die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit diesem Arzneimittel, das zur Vorbeugung und Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung dient, für die keine Behandlungsalternativen bestehen, nicht sichergestellt werden“. Der Versorgungsmangel ist offenbar so ausgeprägt, dass „mildere, aber gleich wirksame Maßnahmen“ nicht ersichtlich sind.

Mehr zum Thema

Eine bereits am 9. Februar veröffentlichte Stellungnahme von vom Tamoxifen-Engpass betroffenen Fachgesellschaften bietet einen Überblick, in welchen Indikationen Tamoxifen in welchen Dosierungen eingesetzt wird (z. B. auch Prostatakarzinom) – und gibt Empfehlungen „zu einem möglichen, temporären Ersatz von Tamoxifen“. Diese können Sie hier (in einer Tabelle auf Seite 5) nachlesen. 

Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG)
§ 52b Bereitstellung von Arzneimitteln 

(3d) Die zuständige Bundesoberbehörde kann nach Anhörung des Beirats im Fall eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses eines Arzneimittels geeignete Maßnahmen zu dessen Abwendung oder Abmilderung ergreifen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann insbesondere anordnen, dass pharmazeutische Unternehmer und Arzneimittelgroßhandlungen bestimmte Maßnahmen zur Gewährleistung der angemessenen und kontinuierlichen Bereitstellung von Arzneimitteln nach Absatz 1 ergreifen; dies schließt Maßnahmen zur Kontingentierung von Arzneimitteln ein. Bei Arzneimitteln mit versorgungskritischen Wirkstoffen kann die zuständige Bundesoberbehörde nach Anhörung des Beirats zur Abwendung oder Abmilderung eines drohenden oder bestehenden versorgungrelevanten Lieferengpasses Maßnahmen zur Lagerhaltung anordnen.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

bittere Not

von Dr. Ralf Schabik am 25.02.2022 um 8:15 Uhr

Was ist momentan das größte Problem in Deutschland ? Nein - nicht die Pandemie, und auch nicht der Krieg auf europäischem Boden. Es ist das komplette Unvermögen in diesem Lande, aus Fehlern zu lernen. Statt endlich zu realisieren, was in den letzten Jahren (teilweise Jahrzehnten) schief gelaufen ist, wird mit neuem Irrsinn reagiert, statt an die Ursachen von Problemen heranzugehen. Die immer weniger werdenden Leistungsträger in dem Land werden von den immer mehr werdenden Bürokraten erwürgt. Die Sesselfurzer, die sich weltfremde Verordnungen ausdenken und sperrige Bescheide erlassen, müssten allesamt mal strafversetzt werden in Positionen, in denen sie diesem Lande DIENEN. Wo sie etwas Sinnvolles TUN müssen. Was muss noch passieren, bis endlich ein Ruck durch das Land geht ?
Nicht nur die Bundeswehr ist blank, wie wir gestern aus berufenem Munde hören mussten. Das Gesundheitssystem ist mindestens so blank. Schleichend ausgeblutet durch irre Bürokraten.
Und wir sollen jetzt Rezepte anonymisiert dokumentieren als Dank dafür, dass wir schwerkranke Patientinnen versorgt haben ?. Vollpfosten !

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AW: bitterste Not

von J.M.L. am 25.02.2022 um 11:00 Uhr

Danke, danke, danke ! Sie sprechen mir sowas von aus der Seele, identische Sichtweise, perfekt umrissen. Wahnsinn wie hier der Bürokratismus das Land ausbremst, ich muss mir nur den AfP-Präqualifizierungs-Bescheid ansehen, wenn ich lese Grundbuchauszug ist unzureichend, Adresse der Betriebsstätte fehlt, bitte nachreichen, HALLO? es steht eine Flurnummer drauf, ich habe den Grundbuchauszug nicht erstellt! - geht's noch? Wo leben wir denn, was soll dieser ganze bürokratische Mist? Sind das wirklich unsere Probleme? Um ein Hilfsmittel mit -15% unter EK abrechnen zu dürfen bemängelt man meinen eingereichten Grundbuchauszug? Die Betriebsstätten-Adresse kommt in dem Antrag noch an mindestens 5 anderen beglaubigten Stellen vor. Hier krankt es in Deutschland massiv !

Lieferengpass

von Sven Larisch am 24.02.2022 um 18:45 Uhr

Also kann ich auf Einzelrezept auch bestellen und hoffe der GH hat etwa? Lach.. Oder ich frage beim Importeur und vielleicht bekomme ich was?
Naja und reicht denn die elektronische Aufbewahrung des Rezeptes nicht? Kassenrezepte werde eh eingescannt und dann anonymisiert. Importe werde auch schon dokumentiert. Also jetzt noch Privatrezepte kopieren, anonymisieren, dokumentieren und nach dem Engpass (ist ja bekanntlich auch vor dem nächsten Engpass) datenschutzkonform im P5 Aktenvernichter schreddern. Ach ja und der Erhöhte beschaffungsaufwand ist ja in der überschießend großzügigen Pauschale für Rx Präparate enthalten.

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