Nachgerechnet

Mehrwertsteuersenkung fast so schlimm wie höherer Kassenabschlag

Süsel - 16.03.2022, 15:30 Uhr

Aktuell fallen auf Arzneimittel 19 Prozent Mehrwertsteuer an. (Foto: IMAGO / Andreas Gora)

Aktuell fallen auf Arzneimittel 19 Prozent Mehrwertsteuer an. (Foto: IMAGO / Andreas Gora)


Die jüngsten Sparpläne aus dem Bundesgesundheitsministerium sehen einen höheren Kassenabschlag für Apotheken und eine niedrigere Mehrwertsteuer auf Arzneimittel vor. Letztere würde die Apotheken über den Kassenabschlag nochmals belasten. Der erste Effekt macht 19 Cent pro GKV-Rx-Packung aus, der zweite 16 Cent, die Kombination sogar 38 Cent. Doch im vorliegenden Plan aus dem Ministerium wird das so nicht erwähnt. Hier gilt es genau nachzurechnen!

Noch ist offen, wie die Bundesregierung insgesamt zu den jüngsten Sparplänen aus dem Bundesgesundheitsministerium steht. Gerade darum erscheint es wichtig, die Konsequenzen der vorgeschlagenen Sparmaßnahmen zu ermitteln. Für die Apotheken steht die auf zwei Jahre befristete Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 Euro auf 2,00 Euro im Mittelpunkt. Doch auch die angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent ab 2023 wäre eine große Belastung – und das sogar dauerhaft. Denn der Kassenabschlag ist ein Bruttobetrag. Der für die Apotheken maßgebliche Netto-Kassenabschlag steigt, wenn ein geringerer Teil des Bruttobetrags als Umsatzsteuer verrechnet wird. Die Erfahrung mit den Folgen der zeitweiligen Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020 hat gezeigt, dass die Politik diesen Zusammenhang nicht auf dem Schirm hatte. Diesmal scheint es ähnlich zu sein. Denn die Belastung für die Apotheken wäre viel höher als das im Gesetzentwurf genannte Einsparziel von 170 Millionen Euro.

19 Cent pro Packung weniger allein durch höheren Kassenabschlag

Hier gilt es nachzurechnen. Der bisherige Kassenabschlag von 1,77 Euro brutto entspricht 1,49 Euro netto. Vom Festzuschlag von 8,35 Euro bleiben den Apotheken damit 6,86 Euro. Ein erhöhter Kassenabschlag von 2,00 Euro brutto entspricht 1,68 netto. Damit blieben den Apotheken 6,67 Euro, also 19 Cent weniger pro GKV-Rx-Arzneimittel. Bei 740 Millionen Rx-Fertigarzneimitteln pro Jahr und einem GKV-Anteil von 80 Prozent plus 12 Millionen Rezepturen wären 604 Millionen Packungen bzw. Rezepturen betroffen. Wenn der Kassenabschlag bei unveränderter Mehrwertsteuer steigt, würden die Apotheken jährlich 115 Millionen Euro weniger erhalten, über die zweijährige Geltungsdauer 230 Millionen Euro.

16 Cent pro Packung weniger allein durch Mehrwertsteuersenkung

Würde hingegen der Brutto-Kassenabschlag nicht verändert und nur die Mehrwertsteuer auf 7 Prozent gesenkt, wäre der Kassenabschlag 1,65 Euro netto. Dann blieben den Apotheken 6,70 Euro netto pro Rx-Packung, also kaum mehr als bei der geplanten Erhöhung des Kassenabschlags allein. Die Senkung der Mehrwertsteuer allein wäre damit fast so schlimm für die Apotheken wie der erhöhte Kassenabschlag allein. Dieser Effekt wird in den vorliegenden Plänen des Ministeriums jedoch nicht thematisiert und wurde möglicherweise übersehen. Die Belastung für die Apotheken betrüge 16 Cent mal 604 Millionen Einheiten, also 97 Millionen Euro pro Jahr.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Kassenabschlag und Mehrwertsteuer

von pille62 am 17.03.2022 um 11:09 Uhr

wer glaubte, das wir bei all den Widrigkeiten der vergangenen beiden Jahre aus dem Sichtkreis des Ministeriums verschwunden wären, wird nun eines Besseren belehrt.
Nach dem wir das Masken-,Test- und Impfstoffdebakel für Kassen, Gesundheitsämter und Regierung lösen durften, erhalten wir die Rechnung präsentiert, indem man die vermeintlich riesigen Gewinne nun wieder abschöpft.
Ich hoffe beim nächsten mal sind wir schlauer, wenn unser Land ein Deppen sucht, der Probleme lös,t ohne am Beginn zu wissen, was dafür gezahlt wird.

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Unglaublich!

von Apothekerin72 am 16.03.2022 um 17:48 Uhr

Da hat wohl jemand aus dem BMG den schnellen Stift gemacht. Wenn es aber tatsächlich so intendiert ist, sind das genau die richtigen Maßnahmen, um die Apotheken flächendeckend um die Ecke zu bringen und damit die Arzneimittelversorgung in Deutschland strukturell zu gefährden. Kann man eigentlich kaum glauben, aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist denen mittlerweile echt alles zuzutrauen!

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AW: Unglaublich - warum denn ?

von ratatosk am 16.03.2022 um 19:05 Uhr

Das hat doch mit Zuzutrauen nichts mehr zu tun, das zieht die Politik doch jetzt seit 20 Jahren mit zunehmenden Erfolg jetzt durch. Die Zahl der Apotheken sinkt immer schneller und das ist auch immer mehr auch in den Medien, so daß es auch nicht zu übersehen ist, daher absolut gewollt und konsequent durchgezogen.
Man sieht es ja an den Krankenkassen, immense Rücklagen aufgebaut, gerade für schwierige Jahre, aber davon redet der Karl nicht, sondern nur vom temporären Defizit. Stoßrichtung ist schon klar, von Einsparungen im immensen Verwaltungsaufwand der GKV hört man ja leider nichts

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