Wie wird diese Studie in Deutschland bewertet? Darüber haben wir mit dem Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie Prof. Dr. Onno Janßen vom Endokrinologikum Hamburg gesprochen. Er beleuchtet die Schilddrüse auch bei der INTERPHARM online 2022 am 25. März genauer.
DAZ: Herr Professor Janßen, wie bewerten Sie die Studie, was sind Ihre wichtigsten Kritikpunkte?
Janßen: Die Ergebnisse dieser Studie von Brito et. al. sind durchaus interessant, nur die Aussage, dass Schilddrüsenpräparate, in diesem Fall speziell Generika, doch ausgetauscht werden können, ist nach den vorgelegten Daten nicht zulässig. Dem Design der Studie nach wurde eine Gruppe von Patienten mit einer zufälligen Verteilung einer Substitution mit Levothyroxin-Generika mit einer Subgruppe des gleichen Patientenkollektivs verglichen, bei denen die Substitution auf ein anderes Generikum umgestellt wurde. Als Messwerte wurden der mittlere TSH-Wert in den Gruppen und die relative Häufigkeit stark abweichender TSH-Werte, im Sinne einer dann bestehenden Hypo- oder Hyperthyreose, bestimmt. Diese Werte waren in den beiden Gruppen, also mit und ohne Umstellung auf ein anderes Generikum, gleich. Weitere Laborwerte oder eine Evaluierung des klinischen Befindens oder der Lebensqualität werden nicht aufgezeigt. Die zwei wesentlichen Probleme der Studie sind, dass ein TSH im Referenzbereich mit einer Euthyreose und Wohlbefinden gleichgesetzt wird und dass nicht ein Generikum mit einem anderen, sondern nur zwei zufällige Patientengruppen mit einer Substitution mit mehr als drei verschiedenen Generika in verschiedener Kombination untersucht wurde.
Zum ersten Punkt: Ein TSH-Wert im Referenzbereich schließt zwar eine ausgeprägte Schilddrüsenfehlfunktion weitgehend aus – dies bedeutet aber nicht, dass der TSH-Wert in diesem Bereich beliebig ist, im Gegenteil. Wir alle haben jeweils einen viel enger begrenzten TSH-Bereich, in dem wir uns wohlfühlen, so wie wir auch eine individuelle Schuhgröße haben und uns nicht alle gängigen Schuhgrößen passen. Zum anderen gleichen sich mögliche Unterschiede in der Bioverfügbarkeit oder der therapeutischen Potenz verschiedener Generika aus, wenn nur der TSH-Mittelwert zweier Gruppen von Patienten untersucht wird. Wenn also ein Generikum eher höhere TSH-Werte verursachen würde und ein anderes eher niedrigere TSH-Werte, würde das in dieser Untersuchung nicht auffallen, da nur der Mittelwert aller untersuchter Werte ermittelt wurde. Eine Aussage über die Vergleichbarkeit – oder Nicht-Vergleichbarkeit – zweier Schilddrüsenpräparate ließe sich nur im direkten Vergleich treffen.
2 Kommentare
Natürlich arbeitet die Studie mit einem direkten Vergleich und nicht mit Mittelwerten
von David Becker am 22.03.2022 um 7:57 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Natürlich arbeitet die Studie mit einem
von Redaktion am 22.03.2022 um 17:30 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.