G-BA stellt klar

Wann zahlt die Krankenkasse Melatonin?

Stuttgart - 23.03.2022, 09:15 Uhr

Melatonin-haltige Arzneimittel: Manchmal erstattet sie die Krankenkasse, manchmal nicht. Was ist der Grund? (Foto: igradesign / AdobeStock)

Melatonin-haltige Arzneimittel: Manchmal erstattet sie die Krankenkasse, manchmal nicht. Was ist der Grund? (Foto: igradesign / AdobeStock)


Melatonin ist – neben zahlreichen Mitteln zur Nahrungsergänzung – auch als Arzneimittel zugelassen. Warum erstattet die GKV Melatonin-haltige Fertigarzneimittel wie Circadin oder Slenyto, für das Fertigarzneimittel Melatonin Vitabalans aber müssen die Schlaflosen selbst aufkommen? Diese Frage hat der G-BA jetzt geklärt.

Lifestyle-Arzneimittel – darunter versteht der Gesetzgeber Arzneimittel, die vordergründig lediglich die Lebensqualität erhöhen sollen, wie Abmagerungsmittel oder Appetitzügler, Arzneimittel bei erektiler Dysfunktion oder zur Potenzsteigerung, Haarwuchsmittel oder Arzneimittel zur Tabakentwöhnung. Nach § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V erstatten die Krankenkassen diese Arzneimittel damit nicht. Eine Ausnahme soll es künftig bei Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung geben.

Nun gibt es Wirkstoffe, wie Melatonin, bei denen bestimmte Fertigarzneimittel – Circadin® und Slenyto® – bereits in den Leistungskatalog der GKV fallen. Für andere Melatonin-haltige Arzneimittel hingegen kommen die Krankenkassen nicht auf, so beispielsweise für das Fertigarzneimittel Melatonin Vitabalans, das eine Zulassung zur kurzzeitigen Behandlung des Jetlags hat.

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Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich mit der Frage beschäftigt: Wann ist Melatonin als Arzneimittel erstattungsfähig und wann nicht?

Individuelle Bedürfnisbefriedigung oder nicht

Es kommt den Tragenden Gründen zum G-BA-Beschluss zufolge darauf an, ob die Anwendung des Arzneimittels im Wesentlichen auf eine private Lebensführung zurückzuführen ist und der „individuellen Bedürfnisbefriedigung“ dient. Diese Kriterien sieht der G-BA bei Melatonin Vitabalans als erfüllt an, denn: „Jetlag, das einzige zugelassene Anwendungsgebiet des Arzneimittels ,Melatonin Vitabalans‘, wird v. a. von Flugreisen, die über mehr als zwei Zeitzonen gehen, verursacht“. Der Schlaf selbst sei dabei zumeist nicht gestört, sondern trete lediglich zeitversetzt auf. Da die „Symptome nach einigen Tagen, wenn sich der Rhythmus wieder angepasst hat, meistens von alleine verschwinden, ist in der Regel auch deren Behandlung medizinisch nicht notwendig“, begründet der G-BA weiter. „Zusammenfassend sind die Symptome des Jetlags also exogen ausgelöst (…) und treten in den meisten Fällen zudem nur kurzzeitig auf. Insoweit handelt es sich jeweils um Maßnahmen zur Förderung der Lebensqualität, die vorübergehend eingesetzt werden“. Damit erfülle Melatonin Vitabalans hinsichtlich der Zweckbestimmung das Kriterium einer Anwendung bedingt durch private Lebensführung und diene zugleich der individuellen Bedürfnisbefriedigung.

Eigenverantwortung des Patienten

Für die Beseitigung der Beschwerden sei somit der Betroffene eigenverantwortlich zuständig, die Krankenkasse sei hingegen nicht verpflichtet, „dem Versicherten jede von ihm für nützlich gehaltene Maßnahme zur Heilung oder Linderung des krankhaften Zustandes zu gewähren“.

G-BA ändert Arzneimittel-Richtlinie

Mit dieser Einschätzung beschloss der G-BA sodann am 18. März 2022, die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) zu ändern: Künftig enthält die AM-RL nun auch einen separaten Abschnitt „Durch die Lebensführung bedingte, kurzzeitige nichtorganische Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus“, inklusive einer Tabelle, die die nicht erstattungsfähigen Arzneimittel in diesem Therapiebereich aufführt. Erstes gelistetes ist Melatonin Vitabalans.

Circadin, Slenyto: nicht durch private Lebensführung begründet

Anders beurteilt der G-BA die Anwendung der Melatonin-haltigen Arzneimittel Circadin® und Slenyto® – zugelassen „als Monotherapie für die kurzzeitige Behandlung der primären, durch schlechte Schlafqualität gekennzeichneten Insomnie bei Patienten ab 55 Jahren“ (Circadin®) beziehungsweise zur „Behandlung von Schlafstörungen (Insomnie) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2-18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und/oder Smith-Magenis-Syndrom, wenn Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren“ (Slenyto®). Anders als beim exogen ausgelösten Jetlag sei Insomnie als Indikation bei Circadin® ein „häufiges Symptom vieler psychischer und somatischer Störungen“ – selbst wenn beide Störungen, Insomnie und Jetlag, zu den nichtorganischen Schlafstörungen zählten.

Bei Circadin® und Slenyto® handelt es sich nach Einschätzung des G-BA damit nicht um Arzneimittel, die hauptsächlich aufgrund der persönlichen Lebensführung von den Patient:innen angewendet würden. Auch stehe nicht die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund.

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Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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