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Nicht die Werte, sondern die Patienten behandeln!

Stuttgart - 29.03.2022, 16:30 Uhr

Endokrinologe Professor Onno Janßen war beim pharmazeutischen eKongress zu Gast. (x / Foto: Schelbert)

Endokrinologe Professor Onno Janßen war beim pharmazeutischen eKongress zu Gast. (x / Foto: Schelbert)


Werte wie der TSH-Spiegel sind für die Schilddrüsen-Diagnostik zweifellos wichtig. Der Hamburger Endokrinologe Professor Onno Janßen stellte In seinem Vortrag auf der Interpharm jedoch klar, dass für ihn vor allem das klinische Bild der Patienten von zentraler Bedeutung ist.

Antriebsverlust, Müdigkeit, Frieren und Gewichtszunahme sind die Hauptsymptome bei einer Schilddrüsenunterfunktion. Drei einfache Fragen können deshalb bereits Hinweise auf eine Hypothyreose liefern:

1. Sind Sie müde oder nervös? Oder keins oder beides?

2. Frieren Sie oder schwitzen Sie? Oder keins oder beides?

3. Haben Sie zu- oder abgenommen? Oder ist das Gewicht stabil?

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Wenn die Antworten auf zwei dieser Fragen deckungsgleich sind – also beispielsweise vom Patienten häufige Müdigkeit und Gewichtszunahme angegeben werden – ist dies ein Hinweis auf eine Hypothyreose und gibt Anlass zu weiterführender Diagnostik wie die Bestimmung des freien, das heißt nicht an Plasmaeiweiße gebundenen, Thyroxin (T4).

Der TSH-Wert ist sehr individuell

Jeder Mensch besitzt seinen individuellen TSH-Wert, der nicht nur vom Alter abhängig ist, sondern auch im Tagesverlauf und saisonal schwankt, wie Studien gezeigt haben. Deshalb muss die Blutentnahme bei wiederholter Bestimmung immer unter denselben Bedingungen erfolgen. Der Referenzbereich für den TSH-Wert liegt zwischen 0,4 mU/l und 4,0 mU/l, doch dieser gilt nur zwischen dem 18. und 65. Lebensjahr. Ab 66 Jahren können Werte bis zu 10 mU/l noch normal sein. Auch bei Kindern gelten deutlich höhere Referenzwerte, sie liegen im Bereich zwischen 4,3 bis 8,2 mU/l. Ein TSH-Wert oberhalb des Referenzbereichs weist darauf hin, dass die Hypophyse vermehrt aktiv ist, um eine latente oder manifeste Hypothyreose auszugleichen.

Schwangerschaft: Hormone nicht zu spät substituieren

In bestimmten Lebensphasen muss die Schilddrüsenfunktion besonders sorgfältig überwacht werden, beispielsweise bei Kinderwunsch und in der Schwangerschaft. Da die Jodversorgung in Deutschland nicht optimal ist, wird der Bedarf von 250 µg pro Tag nicht gedeckt, eine Substitution ist notwendig. Bei Frauen, die bereits wegen einer Hypothyreose L-Thyroxin erhalten, steigt der Bedarf etwa um ein Drittel. Zu wenig Schilddrüsenhormon in der Schwangerschaft erhöht beispielsweise das Risiko für Fehl-, Früh und Totgeburten. Studien zeigen auch, dass eine latente Hypothyreose der Mutter die Intelligenz der Kinder vermindert. Dabei sollte laut Janßen bedacht werden, dass die kindliche Hirnentwicklung bereits zwischen der fünften und achten Schwangerschaftswoche beginnt. Eine Hormonsubstitution danach käme daher bereits zu spät.

Für das höhere Lebensalter ist nicht nur der weite TSH-Referenzbereich typisch. Schilddrüsenfunktionsstörungen treten ab einem Alter von 65 Jahren häufiger auf und stehen im Zusammenhang mit weiteren Erkrankungen. So ist beispielsweise bei Hypothyreose eine Verschlechterung von Osteoporose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen möglich. Ein höherer TSH-Wert kann dagegen lebensverlängernd wirken.


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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