Erhöhtes Risiko für junge Männer

Können Impfungen generell zu Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen führen?

Stuttgart - 14.04.2022, 10:45 Uhr

Myoperikarditiden sollen laut einer Metaanalyse nach mRNA-COVID-19-Impfung nicht häufiger auftreten als nach anderen etablierten Impfungen, die sich nicht gegen COVID-19 richten. (Foto: Kateryna_Kon / AdobeStock)

Myoperikarditiden sollen laut einer Metaanalyse nach mRNA-COVID-19-Impfung nicht häufiger auftreten als nach anderen etablierten Impfungen, die sich nicht gegen COVID-19 richten. (Foto: Kateryna_Kon / AdobeStock)


Mit einer Meta-Analyse wollten Forscher:innen aus Singapur herausfinden, ob es sich bei der Meldung von Myoperikarditiden im Rahmen der mRNA-Impfkampagne gegen COVID-19 um eine tatsächliche Zunahme der Inzidenz handelt oder ob sie auf verbesserte Meldesysteme und eine selektive Wahrnehmung zurückzuführen ist. Dazu verglichen sie die Inzidenz nach Impfung mit COVID-19-Impfstoffen auch mit anderen Impfstoffen, beispielsweise gegen Influenza und Pocken.

Als es endlich die ersten Impfstoffe gegen COVID-19 gab, wollte jeder, der konnte, einen mRNA-Impfstoff ergattern. Die Vektorimpfstoffe waren aufgrund ihrer Nebenwirkungen und verringerten Wirksamkeit weniger beliebt. Als es an die Auffrischimpfungen ging, wollten jedoch plötzlich alle nur noch den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer, statt Spikevax von Moderna. Grund waren Berichte über sehr seltene Fälle von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen (Myokarditis und Perikarditis) nach mRNA-Impfungen. „Diese Fälle traten hauptsächlich innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung, häufiger nach der 2. Impfstoffdosis (im Vergleich zur 1. Impfstoffdosis) und häufiger bei Jungen und jüngeren Männern auf“, wie die STIKO in ihrem FAQ-Bereich allgemein zu mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19 erklärt. Die meisten Fälle sollen mild bis moderat verlaufen, bei einem kleinen Teil der betroffenen Patient:innen gab es jedoch auch schwere Verlaufsformen und wenige Todesfälle.

Weil die Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei Jungen und jungen Männern sowie bei Mädchen und jungen Frauen unter 30 Jahren nach der Impfung mit Spikevax schließlich häufiger beobachtet wurden als nach der Impfung mit Comirnaty, war Spikevax nicht nur plötzlich weniger beliebt, die STIKO passte auch ihre Empfehlungen an, sodass bei unter 30-Jährigen ausschließlich Comirnaty angewendet werden soll. Außerdem wird Spikevax zur Auffrischimpfung nur noch in der halben Dosis der Grundimmunisierung verabreicht.

Manch einen mag die Furcht vor einer Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung also (zunächst) von einer Corona-Impfung abgehalten haben. Jetzt ist im Journal „Lancet Respiratory Medicine“ allerdings eine Meta-Analyse erschienen, die nicht nur das Risiko einer Myoperikarditis nach mRNA-Impfung mit einem Corona-Impfstoff untersucht hat, sondern auch nach anderen Impfungen. 

Welche anderen Impfstoffe wurden untersucht?

Für die in der Metaanalyse 22 untersuchten Studien (405.272.721 Impfstoff-Dosen) wurde eine Myoperikarditis-Inzidenz von 

  • 33,3 Fälle pro 1 Million Impfstoffdosen ermittelt (95 % CI 15,3 - 72,6).

Dabei scheint die Art der Impfung allerdings nicht ausschlaggebend zu sein. In der COVID-19-Gruppe betrug die Inzidenz 

  • 18,2 (10,9-30,3; 11 Studien, 395.361.933 Impfdosen, hohe Sicherheit),

in der Gruppe, die mit anderen Impfstoffen geimpft wurde 

  • 56,0 (10,7-293,7, 11 Studien 9.910.788 Impfdosen, mittlere Sicherheit).

Konkret ging es bei letzteren beispielsweise um Pocken- und Influenza-Impfungen. Sechs Studien berichteten über 2.900.274 Dosen von Pockenimpfstoffen, zwei Studien über 1.521.782 Dosen von Grippeimpfstoffen, und drei Studien über eine Vielzahl von Nicht-COVID-19-Impfstoffen (wie Varizellen, Gelbfieber, oraler Polioimpfstoff, Masern, Mumps und Röteln, Meningokokken, Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus, BCG, Hepatitis und Typhus; 5.488.732 Dosen).

Viele Komplikationen nach Pockenimpfung

„Nach dem durchschlagenden Impferfolg bei der Ausrottung der Pocken sank verständlicherweise die Bereitschaft, Risiken und Nebenwirkungen der Pockenimpfung auf sich zu nehmen – die Impfsicherheit rückte zunehmend in den Blickwinkel.“ 

Es „muss schon bei Kindern mit einer Häufigkeit von 1:300 bis 1:5000 mit Impfkomplikationen nach Pockenimpfung gerechnet werden. Dazu gehören lokale Hauterscheinungen wie Nebenpocken und Narben und auch allgemeine, schwere Komplikationen wie ein ausgebreitetes Vakzine-Ekzem, Herzmuskelentzündungen, Lungenentzündungen und die zwar seltene, aber gefürchtete Gehirnentzündung nach Impfung.“ 

Noch 2003 sollen die Komplikationen nach Pockenimpfung zu den häufigsten Anlässen für einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens gezählt haben, obwohl die Impfung schon seit mehr als 20 Jahren nicht mehr durchgeführt wurde. 

(Quelle: DAZ 36/2003) 

Höhere Myoperikarditis-Inzidenz bei Pockenimpfungen 

Tatsächlich war die Inzidenz unter den Pockenimpfungen sogar signifikant höher, als unter den COVID-19-Impfungen (132,1 [81,3-214,6], p<0,0001), während es keinen signifikanten Unterschied zur Gruppe der Influenza-impfungen gab (1,3 [0,0-884,1], p=0,43). Auch zur Inzidenz in anderen Studien, in denen verschiedene Impfungen (nicht gegen Pocken) untersucht wurden, zeigte sich kein signifikanter Unterschied (57,0 [1,1-3036,6], p=0,58).



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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