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SARS-CoV-2 und Adenoviren verdächtigt
Gehäuft auftretende Hepatitiden bei Kindern – weiterhin rätselhaft
Anfang April wurde aus Schottland eine ungewöhnliche Häufung von schweren akuten Hepatitiden bei Kindern unter zehn Jahren gemeldet. Im Verlauf der nächsten Wochen kamen weitere Fälle in England, Wales und Nordirland hinzu. Auch im US-Bundesstaat Alabama sowie in Dänemark, den Niederlanden und Spanien erkrankten Kinder an einer bislang ungeklärten Ursache. In keinem Fall konnte eine virale Hepatitis der Typen A bis E nachgewiesen werden.
Hepatitis – eine Entzündung der Leber – kann bei Kindern auftreten, verläuft aber in der Regel asymptomatisch bis mild. Die aktuell berichteten Fälle von akuten Hepatitiden bei Kindern sind allerdings alles andere als mild. Bei manchen Kindern kam es zu einem akuten Leberversagen und bei einzelnen wurde sogar eine Lebertransplantation notwendig. Insgesamt sind bisher 74 Fälle in Großbritannien, drei in Spanien und neun Fälle in Alabama, USA, bekannt. Von Dänemark und den Niederlanden liegen keine bestätigten Zahlen vor. Bisher sind in diesem Zusammenhang keine Todesfälle bekannt. Das mediane Alter von 13 in Schottland untersuchten Kindern lag bei 3,9 Jahren. Sieben von 13 waren weiblich.
Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen – meist kein Fieber
Die schwere Erkrankung, die zum Teil mit einer Gelbsucht einherging, zeigte sich durch stark erhöhte Werte der Enzyme Alanin-Aminotransferase (ALT) und der Aspartat-Aminotransferase (AST). Das Expertenteam, das die 13 in Schottland aufgetretenen Fälle untersuchte, fand bei den meisten Kindern Aminotransferase-Werte oberhalb von 2.000 IE/l (Normbereich: 10 bis 40 IE/l). Einige der Erkrankten wiesen in den Wochen vor der stationären Aufnahme gastrointestinale Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen in den vorangegangenen Wochen auf. Das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), das die Daten der Fälle in Europa sammelt, berichtete weiterhin, dass bei den meisten Kindern kein Fieber auftrat.
Keines der Kinder gegen SARS-CoV-2 geimpft
Das ECDC, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie weitere Partnerorganisationen unterstützen die Untersuchung der rätselhaften Fälle durch die Gesundheitsbehörden der betroffenen Länder. Wie das ECDC berichtet, war die erste Hypothese eines britischen Teams, dass ein Krankheitserreger oder eine Exposition mit einem Toxin die schweren Hepatitiden verursacht haben könnte. Eine Impfung gegen SARS-CoV-2 kommt dabei allerdings nicht infrage, da laut der britischen Gesundheitsbehörde UKHSA keines der bislang 74 betroffenen Kinder geimpft war. Toxikologische Analysen dauern derzeit noch an. Bei den 13 Fällen, die in Schottland auftraten, konnten durch Fragebögen keine Lebensmittel oder Gewohnheiten identifiziert werden, die die Krankheit verursacht haben könnten. Auch ihre Wohnorte wiesen kein bestimmtes Muster auf, z.B. in der Nähe eines Flusses. Bei zwei Kindern wurde festgestellt, dass sie mit zwei anderen Fällen engen Kontakt hatten. Proben der 13 Patienten wurden bakteriologisch getestet, aber da nur die wenigsten Fieber hatten, wurde nur bei weiteren klinischen Anzeichen intensiver untersucht.
Adenoviren im Fokus
Tests auf Hepatitis-A-,B-,C- und -E-Viren waren bei allen schottischen Kindern negativ. Fünf von den 13 schottischen erkrankten Kindern hatten einen positiven SARS-CoV-2-Test, davon zwei innerhalb von drei Monaten vor der Aufnahme, zwei innerhalb von elf Tagen nach Aufnahme in die Klinik und ein Point-of-care-Test erwies sich im Nachhinein durch einen PCR-Test als falsch positiv. Im März erreichten die COVID-19-Infektionen mit der Omikron-Variante Schätzungen zufolge in der betroffenen Altersgruppe einen Höchststand. Darüber hinaus wurde auf weitere Viren getestet: auf Enteroviren, Parechoviren, humane Herpesviren Typ 6 und 7, Varizella-Zoster sowie Adenoviren. Bei fünf der 13 Patienten war ein PCR-Test auf Adenoviren positiv. Diese treten üblicherweise im Frühjahr in Schottland auf. Pandemiebedingt waren die Fallzahlen in den Vorjahren niedriger und im März 2022 wieder so hoch wie vor der Pandemie. Das schottische Expertenteam sieht eine Infektion als wahrscheinlich und zum Zeitpunkt ihrer Publikation (12. April 2022) waren Adenoviren im Fokus als Auslöser. Denkbar ist für das Team eine neue Virusvariante oder dass die kleinen Kinder mit ihrem wenig trainierten Immunsystem (Stichwort Pandemie und Hygienemaßnahmen) stärker von einem bereits vorkommenden Adenovirus getroffen wurden. Die Experten merkten an, dass Adenoviren bei immunkompetenten Kindern nur sehr selten schwere Hepatitiden auslösten, aber dass es Berichte darüber gibt.
Deutscher Experte: Zusammenhang mit SARS-CoV-2 wenig plausibel
Privatdozent Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) bertachtet einen Zusammenhang der beschriebenen Fälle mit SARS-CoV-2 als „nicht sehr plausibel“. Seiner Meinung nach wären während der Pandemie „derartige Hepatitis-Fälle früher schon einmal aufgefallen.“ In seinem Statement gegenüber dem Science Media Center nannte er neben den Hepatitis-Viren A bis E weitere „Viruserkrankungen mit einer Leberbeteiligung, zum Beispiel solche durch Zytomegalie-Viren, Ebstein-Barr-Viren unter anderem, selten auch einmal Adenoviren, meist dann bei Patienten mit Immunerkrankungen.“ Er unterstützt die Hypothese, dass pandemiebedingt die Immunsysteme von Kindern und Jugendlichen wenig trainiert wurden. Durch die Lockerungen würden sie „in relativ kurzer Zeit aus der Isolation kommen und auf einmal vielen Keimen ausgesetzt sein, mit denen sie zuvor aufgrund diverser Lockdown- oder anderer Maßnahmen nicht in dieser Fülle zuletzt in Kontakt gekommen sind. Durch Infektionen mit zum Beispiel den oben genannten Erregern könnten die Hepatitis-Fälle zu erklären sein. Grundsätzlich wäre das natürlich auch ein Szenario, das wir in Deutschland bei weitgehenden Lockerungen sehen könnten.“
Hierzulande bisher nicht auffällig
Anders als in Großbritannien und weiteren Ländern sehen deutsche Experten bislang keine Hepatitis-Auffälligkeiten bei Kindern hierzulande. Bisher seien dem Robert Koch-Institut (RKI) keine Fälle bekannt geworden, teilte eine RKI-Sprecherin auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. Das RKI habe mehrere medizinische Fachgesellschaften und die Länder informiert und um erhöhte Aufmerksamkeit und Information im Fall des Auftretens von ähnlichen Fällen in Deutschland gebeten. Rodeck sagte der dpa: „Wir haben nach den Berichten aus Großbritannien die Kinder-hepatologischen Zentren in Deutschland abgefragt: Es gibt aber bisher keinerlei besorgniserregenden Signale für eine ungewöhnliche Häufung. In den Zentren wären schwere Fälle aufgefallen, wenn zum Beispiel eine Lebertransplantation nötig wird.“
Literatur
Häufung von Hepatitis-Fällen bei Kindern in Großbritannien. Informationen des Science Media Centers, 14. April 2022
Increase in hepatitis (liver inflammation) cases in children under investigation. Nachricht der britischen Gesundheitsbehörde UKHSA, 12. April 2022, www.gov.uk/government/news/increase-in-hepatitis-liver-inflammation-cases-in-children-under-investigation#full-publication-update-history
Marsh K, Tayler R, Pollock L et al. Investigation into cases of hepatitis of unknown aetiology among young children, Scotland, 1 January 2022 to 12 April 2022. Euro Surveill. 2022;27(15):pii=2200318
Schwere Hepatitis-Erkrankungen bei Kindern in mehreren europäischen Ländern und US-Staat geben Rätsel auf. Nachricht des Ärzteblatts, 19. April 2022, www.aerzteblatt.de/nachrichten/133458/Schwere-Hepatitis-Erkrankungen-bei-Kindern-in-mehreren-europaeischen-Laendern-und-US-Staat-geben-Raetsel-auf?rt=1cfb547db151f1984cab2dc98f8dfd73
Update: Hepatitis of unknown origin in children. Nachricht des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), 19. April 2022, www.ecdc.europa.eu/en/news-events/update-hepatitis-unknown-origin-children
Kiwan P, Hamod DA. Adenoviral Hepatitis in an Immunocompetent Child: Case report. J Pediatr Neonatal Care 2017;7(3):00290
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