EMA-Zulassungsempfehlung für Filsuvez

Ein Birkenextrakt gegen Epidermolysis bullosa

Stuttgart - 27.04.2022, 09:15 Uhr

Epidermolysis bullosa verursacht schwere Läsionen der Haut mit Blasen, Wunden bis zur Hautablösung. Wesentlicher Teil der Behandlung ist eine adäquate Versorgung der Wunden. (Foto: IMAGO / IPON)

Epidermolysis bullosa verursacht schwere Läsionen der Haut mit Blasen, Wunden bis zur Hautablösung. Wesentlicher Teil der Behandlung ist eine adäquate Versorgung der Wunden. (Foto: IMAGO / IPON)


Blasen, Wunden, Hautablösung sind die typischen Symptome einer Epidermolysis bullosa. Eine kausale Therapie existiert nicht. Die EMA hat nun ein Birkenrindenextrakt-Gel zur Zulassung empfohlen: Filsuvez soll die Wundheilung fördern. Die FDA verweigerte im Februar 2022 die Zulassung.

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) spricht sich für die Zulassung eines Arzneimittels zur Behandlung von Epidermolysis bullosa aus: Filsuvez, ein Birkenextrakt, der als Gel auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen wird. Am 22. April 2022 empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP), Filsuvez zur „Behandlung von partiellen Wunden im Zusammenhang mit dystrophischer und junktionaler Epidermolysis bullosa (EB) bei Patienten ab sechs Monaten“ – wie die vollständige Indikation lautet – zuzulassen. Bereits 2011 war dem Extrakt der Orphan-Drug-Status von der EMA attestiert worden.

Was ist Epidermolysis bullosa?

Epidermolysis bullosa (EB) ist eine vererbbare Multisystemerkrankung. Durch Mutation in bestimmten Genen, kommt es zu Defekten bei der mechanischen Verbindung der unterschiedlichen Hautschichten, was die Haut der Betroffenen äußerst verletzlich macht: Feinste Berührungen führen zu Wunden, Blasen, dem Ablösen der Haut und starken Schmerzen. Kinder mit EB bezeichnet man deswegen auch als „Schmetterlingskinder“, da ihre Haut so empfindlich wie die Haut eines Schmetterlings ist. Die Wunden betreffen auch Schleimhäute in Augen, Mund, Speiseröhre und im Magen-Darm-Trakt. Je nach Ausprägung kann eine EB auch zu schweren Behinderungen führen, es kann zu Minderwuchs, Finger- und Zehenverwachsungen und Bewegungsbehinderungen kommen. Betroffene können zudem minderwüchsig sein und an Karies, Haarverlust und Hautkrebs leiden.

Je nach Genmutation, betroffenen defekten Hautproteinen und der klinischen Erscheinung unterscheidet man verschiedene Formen der Epidermolysis bullosa: EB simplex (70 Prozent), EB junctionalis (25 Prozent), EB dystrophica (5 Prozent), Kindler-Syndrom (< 1 Prozent). Alle Subtypen zählen zu den seltenen Erkrankungen (Orphan Disease). Eine kausale Behandlung existiert nicht, es wird versucht, die Haut vor Traumen zu schützen, zudem müssen die Wunden versorgt werden, um Infektionen zu vermeiden.

So die Europäische Kommission der Empfehlung der EMA folgt, darf Filsuvez nur bei zwei von vier Formen der EB angewendet werden, die zusammen etwa 30 Prozent der Erkrankten ausmachen. Filsuvez wird als Gel auf der Haut angewendet, es enthält der EMA zufolge einen Birkenrindenextrakt (als Trockenextrakt, raffiniert; ehemals bekannt als Oleogel-S10) aus Betula pendula Roth/Betula pubescens Ehrh. (entspricht 0,5-1,0 g Birkenrinde), einschließlich 84-95 mg Triterpene (berechnet als Summe von Betulin, Betulinsäure, Erythrodiol, Lupeol und Oleanolsäure). Als Wirkmechanismus „wird angenommen“, dass Filsuvez Entzündungsmediatoren moduliert, die Keratinozyten zur Differenzierung und Migration anregt und auf diese Weise die Wundheilung und den Wundverschluss fördert. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Wundkomplikationen, Reaktionen an der Applikationsstelle, Wundinfektionen, Pruritus und Überempfindlichkeitsreaktionen

Filsuvez ist Episalvan

Ursprünglich wurde das Gel von der Birken AG entwickelt, später von Amaryt Pharma übernommen und bereits 2016 in Europa zur Behandlung partieller Hautwunden aufgrund von Verbrennungen oder Hauttransplantationen zugelassen. Handelsname ist Episalvan.

FDA verweigerte Zulassung

In den Vereinigten Staaten wird es Filsuvez in absehbarer Zeit nicht geben. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA lehnte Ende Februar 2022 die Zulassung des Birkenextraktgels von Amaryt Pharma ab und forderte das Unternehmen auf, zusätzliche Nachweise für die Wirksamkeit von Oleogel-S10 bei EB vorzulegen. Amaryt Pharma will nun eng mit der FDA zusammenarbeiten, um eine Zulassung von Filsuvez zu ermöglichen.

Werden es alle Patient:innen bekommen?

Filsuvez darf entsprechend dem (potenziell bald) zugelassenen Anwendungsgebiet nur bei den selteneren Formen der EB eingesetzt werden. Doch gehen Wissenschaftler:innen davon aus, dass es – wenn die Zulassung erst vorliegt – in der breiten EB-Population eingesetzt wird.  Auf Grundlage der EASE-Daten sei Oleogel-S10 jedoch am besten für RDEB-Patienten geeignet, sagte Dr. Jemima Mellerio, Leiterin des EB-Teams für Erwachsene am St John's Institute of Dermatology, St Thomas' Hospital (London, UK) im März 2021 im Gespräch mit der „Clinical Trials Arena“.

Amaryt Pharma untersuchte Filsuvez in einer randomisierten klinischen Phase-3-Studie (EASE, NCT03068780), die das Birkenextrakt-Gel mit einem Placebo-Gel verglich. Von den 223 Teilnehmer:innen waren 156 Kinder und 67 Erwachsene, die an EB dystrophica (DEB) und EB junctionalis (JEB) und Kindler-Syndrom litten. Um an der Studie teilnehmen zu dürfen, mussten die EB-Patient:innen eine EB-Wunde von 10 bis 50 cm2 aufweisen, die mindestens 21 Tage und höchstens neun Monate bestand. Sie erhielten sodann für drei Monate entweder Filsuvez oder das Placebo-Gel, um ihre Wunde zu behandeln.

Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Patient:innen, deren Zielwunde sich innerhalb von 45 Behandlungstagen (45±7) verschloss. Dabei zählte als vollständiger Wundverschluss, wenn eine vollständige Re-Epithalisierung des Gewebes vorlag. Das Ergebnis: Mit Filsuvez behandelte Patient:innen hatten häufiger innerhalb von 45 Tagen einen vollständigen Wundverschluss als EB-Patient:innen in der Placebogruppe (41,3 Prozent vs. 28,9 Prozent), womit Amaryt Pharma das primäre Studienziel erreichte. 

Allerdings gab es innerhalb der Studiengruppe Unterschiede: Eine signifikante Wirkung mit einer 72 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit für einen Wundverschluss wurde lediglich in der Gruppe der Patient:innen mit rezessiver ED dystrophica (n=175) festgestellt (44 Prozent vs. 26,2 Prozent). Litten die Patient:innen hingegen an dominanter ED dystrophica oder ED junctionalis gab es keinen signifikanten Unterschied im Anteil der Patient:innen mit vollständigem Wundverschluss in der Behandlungs- oder Placebogruppe: Bei Patienten mit dominanter ED dystrophica schnitten Filsuvez und Placebo gleich gut ab (jeweils 50 Prozent der Patient:innen), während bei Patient:innen mit EB junctionalis Filsuvez sogar schlechtere Ergebnisse erzielte als Placebo. (18,2 Prozent vs. 26,7 Prozent). Eine rezessive Epidermolysis bullosa ist in der Regel schwerer als eine dominante EB. Eine Infektion trat unter Filsuvez bei zwei Behandelten auf, in der Placebogruppe wurden fünf Fälle berichtet (sekundärer Endpunkt). Auch schloss sich die Wunde unter Filsuvez innerhalb von drei Monaten mit höherer Wahrscheinlichkeit und schneller als unter Placebo, jedoch ohne statistische Signifikanz. Zudem berichteten Patient:innen unter Filsuvez über eine stärkere Verbesserung der Gesamt-Wundbelastung, gemessen am EB Disease Activity and Scarring Index (EBDASI), was sich allerdings auch nicht statistisch signifikant unterschied. Juckreiz verbesserte sich in beiden Gruppen, die Nebenwirkungen waren vergleichbar. Das Fazit der Studienautor:innen: „Oleogel-S10 zeigte in der größten randomisierten Doppelblindstudie, die jemals bei dieser Patientengruppe durchgeführt wurde, Hinweise auf eine beschleunigte Wundheilung bei schweren Subtypen von EB. Oleogel-S10 war sicher und gut verträglich und stellt eine potenzielle Behandlung für Patienten mit dieser schwer behandelbaren Krankheit dar.“


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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