Ethylenoxid auch für Arzneimittel ein Problem?

Verunreinigung: Wie 2-Chlorethanol in Nahrungsergänzungsmittel gelangen könnte

Stuttgart - 08.06.2022, 17:50 Uhr

Ethylenoxid konnte teilweise in leeren Kapselhüllen aus Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) von Nahrungsergänzungsmitteln nachgewiesen werden. (s / Foto: IrisArt / AdobeStock)

Ethylenoxid konnte teilweise in leeren Kapselhüllen aus Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) von Nahrungsergänzungsmitteln nachgewiesen werden. (s / Foto: IrisArt / AdobeStock)


Bereits seit Herbst 2020 sind Rückstände von Ethylenoxid und vor allem seinem Umbauprodukt 2-Chlorethanol immer wieder in Lebensmitteln, aber auch Nahrungsergänzungsmitteln nachgewiesen worden. Rückrufe waren teils die Folge. Nun hat das Bundesinstitut für Risikobewertung Fragen und Antworten zum „Gesundheitsrisiko von Ethylenoxid in Lebensmitteln“ veröffentlicht. Für Apotheker:innen dürfte besonders die Ursachensuche interessant sein – denn: Könnten am Ende auch Arzneimittel verunreinigt sein? 

Geht es um Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel mit pflanzlichen Bestandteilen, fällt es den Überwachungsbehörden nicht schwer, den Hintergrund möglicher Verunreinigungen mit Ethylenoxid oder 2-Chlorethanol zu erklären. So erläuterte beispielsweise das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) aus Baden-Württemberg im Juli 2021 auf Anfrage der DAZ, dass in Deutschland der Einsatz von Ethylenoxid als Pflanzenschutzmittelwirkstoff im Lebensmittelbereich seit 1981 zwar verboten ist (Umsetzung der Richtlinie 79/117/EWG). Drittstaaten würden jedoch weiterhin die Begasung mit Ethylenoxid, zum Beispiel vor dem Schiffsversand, praktizieren. Weil Ethylenoxid eine sehr reaktive Verbindung sei, liege es in behandelten oder verarbeiteten Lebensmitteln nur noch in geringer Menge als Ethylenoxid vor und damit hauptsächlich in Form seines Hauptabbauprodukts 2-Chlorethanol. 

Kapsel- und Überzugsmaterial genauer untersuchen?

Allerdings erklärte das Ministerium im Juli 2021 auch: „Die Ursache für die nachgewiesenen Gehalte an 2-Chlorethanol in den Nahrungsergänzungsmitteln, bei denen die Gehalte nicht aus pflanzlichen Zutaten herrühren, ist derzeit nicht bekannt.“ Möglicherweise handele es sich um eine Prozesskontaminante aus der Herstellung des Kapsel-/Überzugsmaterials oder um einen Rückstand aus einer Begasung des Kapsel-/Überzugsmaterials mit Ethylenoxid, hieß es.

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Aus welchen Quellen 2-Chlorethanol stammen kann, diese Frage hat sich – neben zahlreichen anderen – nun auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gestellt. Demnach können „Gehalte von 2-Chlorethanol im Spurenbereich, d. h. im Bereich der Bestimmungsgrenze“, beispielsweise auf Kreuzkontaminationen bei der Herstellung zurückzuführen sein. „Die Bildung von 2-Chlorethanol aus anderen chlorhaltigen Chemikalien ist ebenfalls möglich“, heißt es. 

Könnten angesichts all dieser möglichen Ursachen nicht auch Arzneimittel mit Ethylenoxid oder 2-Chlorethanol verunreinigt sein?

Zehn Fertigarzneimittel untersucht – vorerst Entwarnung

Tatsächlich sind die Behörden dieser Frage bereits nachgegangen. So erklärte das „Chemische und Veterinäruntersuchungsamt“ (CVUA) Karlsruhe Anfang März 2022 in einer Mitteilung, dass Ethylenoxid teilweise in leeren Kapselhüllen aus Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) von Nahrungsergänzungsmitteln nachgewiesen werden konnte. Die Arzneimitteluntersuchungsstelle des CVUA Karlsruhe hat daraufhin in Kooperation mit dem CVUA Stuttgart eine Reihe unterschiedlicher Arzneimittel-Darreichungsformen auf Ethylenoxid untersucht. Doch bislang gebe es keinen Grund zur Besorgnis. 

Unter den insgesamt 14 Proben sollen sich zehn Fertigarzneimittel (darunter Tabletten, Granulate, Kapseln), zwei Ausgangsstoffe und zwei verschiedene Leerkapseln befunden haben. „Es wurden sowohl pflanzliche als auch synthetisch hergestellte Arzneimittel untersucht“, heißt es. Nur in einer der 14 untersuchten Proben (Fertigarzneimittel in Kapseln) habe schließlich der Metabolit 2-Chlorethanol nachgewiesen werden können – allerdings in einer nicht quantifizierbaren und damit als unbedenklich geltenden Menge.

Das Fazit des CVUA lautet damit: 


Es gibt derzeit also im Bereich der Arzneimittel keinen belegten Grund zur Beunruhigung über einen erhöhten Gehalt an Ethylenoxid. Jedoch wird das CVUA Karlsruhe diesen Parameter, auch aufgrund der hohen Gehalte in einzelnen Nahrungsergänzungsmitteln, weiter im Blick behalten, um das Risiko zukünftig noch besser abschätzen zu können.“

„Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt“ (CVUA) Karlsruhe Anfang März 2022



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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