Schiedsspruch steht

Das sind die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen

Berlin - 10.06.2022, 14:30 Uhr

Die Medikationsanalyse soll in einen aktuellen und vollständigen Medikationsplan münden. (Foto: ABDA)

Die Medikationsanalyse soll in einen aktuellen und vollständigen Medikationsplan münden. (Foto: ABDA)


Lange mussten sich die Apotheker:innen gedulden, nun ist es endlich soweit: Das Paket an neuen pharmazeutischen Dienstleistungen steht. Insgesamt umfasst der Katalog fünf Leistungen – auch die Vergütung für die Apotheken ist geklärt.

Eigentlich haben Versicherte bereits seit Jahresbeginn Anspruch auf die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen. So hatte es der Gesetzgeber im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz festgeschrieben. Doch der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) kamen zu keiner Einigung, was das Dienstleistungspaket und die damit verbundene Vergütung der Apotheken betrifft – letztlich musste die Schiedsstelle eine Entscheidung fällen. Jetzt informiert die ABDA über das Ergebnis.

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Wie die DAZ bereits berichtete, haben es drei Leistungen in den Katalog geschafft, die die Apothekerseite eingebracht hatte: Medikationsanalyse, Inhalalativa-Schulungen und eine „standardisierte Risikoerfassung“ bei Menschen mit Hypertonie – kurz: Blutdruckmessen. Hinzu kommen laut einem Videostatement von ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening zwei Leistungen, die sich die Kassen gewünscht hatten: die enge pharmazeutische Betreuung von Krebskranken mit oraler Tumortherapie sowie von Immunsupprimierten nach einer Organtransplantation. Der DAZ liegt eine Leistungsbeschreibung der ABDA vor, in der die Standesvertretung folgende Tabelle aufführt:

DienstleistungWer hat Anspruch?Wer führt durch?Vergütung
Erweiterte Medikationsberatung bei PolymedikationPatient*innen mit mindestens 5 Arzneimitteln in DauertherapieApotheker*innen mit entsprechender Fortbildung90 Euro netto
Pharmazeutische Betreuung von OrgantransplantiertenPatient*innen nach OrgantransplantationApotheker*innen mit entsprechender Fortbildung90 + 17,55 Euro netto
Pharmazeutische Betreuung bei oraler AntitumortherapiePatient*innen, die orale Antitumortherapeutika einnehmen Apotheker*innen mit entsprechender Fortbildung90 + 17,55 Euro netto
Standardisierte Risikoerfassung hoher BlutdruckPatient*innen mit Bluthochdruck und Verordnung eines AntihypertensivumsPharmazeutisches Personal der Apotheke11,20 Euro netto
Standardisierte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung und Üben der InhalationstechnikPatient*innen ab 6 Jahren, die Inhalativa verordnet bekommenPharmazeutisches Personal der Apotheke 20 Euro netto.

Für die „erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ (Medikationsanalyse) gibt es demnach – übereinstimmend mit dem DAZ-Bericht vom gestrigen Donnerstag – 90 Euro netto. Anspruch haben Patientinnen und Patienten mit mindestens fünf Medikamenten in Daueranwendung. Erklären Apotheken Menschen ab einem Alter von sechs Jahren, die ein Inhalativum verordnet bekommen, die korrekte Anwendung, erhalten sie dafür 20 Euro netto. Die standardisierte Risikoerfassung bei Hypertonikern, denen der Arzt oder die Ärztin mindestens einen Blutdrucksenker verschrieben hat, bringt 11,20 Euro netto. Für die pharmazeutische Betreuung bei oraler Tumortherapie oder nach Organtransplantation sind 90 + 17,55 Euro netto vorgesehen. Wichtig: Für die zwei Spezialleistungen der Kassen sowie die Medikationsanalyse sind laut ABDA-Leistungsbeschreibung besondere Fortbildungen nötig.

Overwiening: Können mit dem Ergebnis „gut leben“

Overwiening zeigt sich mit dem Ausgang des Ringens um die pharmazeutischen Dienstleistungen zufrieden. „Mit dem Ergebnis des Schiedsverfahrens können wir alles in allem gut leben“, sagt sie in ihrem Videostatement. Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands, ergänzt in einer Pressemitteilung der ABDA: „Wir haben lange für die pharmazeutischen Dienstleistungen gekämpft und verhandelt. Jetzt gibt es ein gutes Leistungsportfolio, das die Apotheken auch im Interesse der Patienten umsetzen können, ohne dass es dazu einer ärztlichen Verordnung bedarf.“

Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer, erklärt zudem: „Alle pharmazeutischen Dienstleistungen werden qualitätsgesichert erbracht. Die Bundesapothekerkammer hat für Apothekenteams passende Hilfestellungen erarbeitet. Für einige Dienstleistungen sind spezielle Fortbildungen nach Vorgaben der Bundesapothekerkammer zu absolvieren. Deswegen kann es sein, dass nicht alle Apotheken sofort alle Dienstleistungen anbieten können. Als Patient fragt man am besten einfach bei seiner Apotheke nach, welche angeboten werden.“

GKV: Schiedsspruch prüfen, weiteres Vorgehen besprechen

Der GKV-Spitzenverband wollte sich gegenüber der DAZ noch nicht genauer äußern. Im Vorfeld war zu hören, dass man hier Probleme mit der Entscheidung der Schiedsstelle hat, speziell bei den Preisen. Ob diese so groß sind, dass er klagen wird, ist aber noch offen. Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands bestätigte lediglich, dass der Schiedsspruch heute eingegangen sei. „Wir werden diesen nun prüfen und dann mit den Krankenkassenverbänden das weitere Vorgehen besprechen.“


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Konsens

von Karl Barwich am 30.06.2022 um 8:50 Uhr

Ich sehe das ähnlich, 90 € sind eine adäquate Vergütung für eine qualitativ hochwertige Leistung. Die wollen wir Ärzte künftig auch. Wir sollten an einem Strang ziehen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Neue pharmazeutische Dienstleistungen

von Dr.med. Uwe Popert am 12.06.2022 um 22:09 Uhr

Liebe Apothekerinnen und Apotheker
Vermutlich ahnen Sie nicht, welche Empörung diese Verträge in den Foren von HausärztInnen gerade auslösen! 90 EURO sind mehr als das, was wir für die Betreuung eines Patienten für 6 Monate erhalten. Und wenn Sie - ohne die Diagnosen oder Vorgeschichte eines Patienten zu kennen - einfach mal Interaktionstabellen ausdrucken, dann haben die Hausärzte ein Vielfaches der Zeit nötig, um die Patienten wieder auf den Teppich zu bringen. Diese Zeit haben wir nicht.
Deswegen werden die Hausärzte dann nach einigen solcher Medikamentendiskussionen ihnen die Freundschaft aufkündigen und nur noch Internet-Apotheken empfehlen. Das nützt weder Ihnen noch uns!
Sinnvoll ist die Einweisung in Asthma-Devices und die Blutdruckmessung - das können Sie gerne möglichst immer machen. Aber bitte daran denken: eine korrekte RR-Messung ist definiert als 5 min in Ruhe sitzend und nicht redend...
Auf weitere gute Zusammenarbeit - wir brauchen uns gegenseitig!
Mit freundlichen Grüßen

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Neue pharmazeutische Dienstleistungen

von Sabine Haul am 13.06.2022 um 8:44 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr. Popert,
die Empörung ist zunächst verständlich. Aber eine Medikationsanalyse ist weit mehr als ein Interaktionscheck. Die pharmazeutische Expertise ergänzt die Betreuung der Patienten, die Adhärenz wird gefördert, nicht gefährdet. Wir arbeiten im Schulterschluss mit unseren Ärzten. Da müssen wir hin- die Probleme bei Polymedikation kennen wir doch alle! Und mit 90€ bereichern wir uns nicht- da geht es uns nicht anders als Ihnen. Ich wünsche mir einen Konsens statt Futterneid- damit mache ich seit 9 Jahren sehr gute Erfahrungen. Gerne lade ich Sie zu einem Austausch ein. Das ist im Sinne unserer gemeinsamen Patienten. für diese muss sich dringend etwas ändern!

AW: Neue pharmazeutische Dienstleistungen

von Dr. House am 13.06.2022 um 12:56 Uhr

Ach, das machen wir wie die Impfung mal ganz easy so nebenbei zwischen 2 Voltaren Abverkäufen. Wir Apotheker sind eben die besseren Ärzte. Finden sie sich damit ab.

Unrentable pharm. Dienstleistungen statt Erhöhung der Packungspauschale

von Henrike am 10.06.2022 um 15:46 Uhr

Für all diejenigen, die meinen, dass 90 € netto für Medikationsanalysen etc. in Ordnung seien. Das mag zwar prinzipiell der Fall sein, was hier allerdings schnell vergessen wird, ist, dass jede Apotheke im Schnitt bei einem Gesamtbudget von 150 Millionen Euro pro Jahr nur ca. 7 davon pro Monat machen kann, denn dann ist unser Budget aufgebraucht. Dafür müssen die Apotheken aber den ganzen Monat über Personal vorhalten, die Schulungen dafür garantieren, die Räumlichkeiten, Software und etwaige Gerätschaften bereitstellen - und das nicht nur für eine, sondern mehrere pharm. Dienstleistungen. So ist das für die Apotheken im Ergebnis unrentabel!

Stattdessen hätten sich ABDA, BAK und DAV auf eine Erhöhung der Packungspauschale bzw. eine Abschaffung des Kassenabschlags konzentrieren sollen, insbesondere nachdem die Tariflöhne Anfang des Jahres deutlich angehoben wurden und die hohe Inflation bei den Betriebskosten auch die Apotheken vor Ort hart trifft. Hier ist bislang eine Chance vertan worden, sich nach 18 Jahren der Stagnation mit aller Kraft für eine längst überfällige Erhöhung einzusetzen!

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Unrentable pharm. Dienstleistungen statt

von Karl Friedrich Müller am 10.06.2022 um 16:50 Uhr

like :-)

AW: Unrentable pharm. Dienstleistungen statt

von Thomas B am 10.06.2022 um 16:56 Uhr

Bevor wir hier mosern, sollten wir das Budget erst mal zumindest im Ansatz ausschöpfen. 7 pro Monat entspricht - seriös angeboten - immerhin mehr als einem ganzen Approbierten-Arbeitstag. Die Manpower muss man erst mal überschüssig haben oder freischaufeln.....Heisst im Umkehrschluss, wer deutlich mehr abrechnen will, muss sich - vollkommen berechtigt - unangenehmen Fragen stellen.... Aber ich stimme Ihnen zu: Seriös umgesetzt (immerhin 2 Termine und die Backoffice Recherche dazwischen) sind 90 € alles andere als üppig! Man vergleiche zB mit dem Stundensatz eines Handwerksmeisters.......

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