Die wichtigsten Fragen und Antworten

Medikationsberatung bei Polymedikation – was Apotheker wissen müssen

Stuttgart - 20.06.2022, 07:00 Uhr

Was müssen Apotheker:innen tun, um die neue Dienstleistung Medikationsberatung bei Polymedikation zu erbringen? Welche Patient:innen haben Anspruch? Und wo findet man weitere Informationen? (c / Foto: ABDA)

Was müssen Apotheker:innen tun, um die neue Dienstleistung Medikationsberatung bei Polymedikation zu erbringen? Welche Patient:innen haben Anspruch? Und wo findet man weitere Informationen? (c / Foto: ABDA)


Endlich ist bekannt, welche Dienstleistungen die Apotheken künftig erbringen dürfen. Fünf sind es zum Start, zwei einfache und drei komplexe. Zu letzteren zählt unter anderen die „erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“. Doch was beinhaltet die genau? Wer kann sie durchführen und was gibt es sonst noch zu beachten? Wir haben die wichtigsten Fakten zusammengefasst.

„Die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ ist eine der Dienstleistungen, die die Apotheker:innen künftig zulasten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung erbringen dürfen. Auf der ABDA-Weibseite ist dazu zu lesen, sie ziele darauf ab, die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu verbessern. Potenzielle arzneimittelbezogene Probleme (ABP) sollen erkannt und gelöst beziehungsweise verhindert werden, heißt es weiter. Dies ermögliche eine Optimierung der Effektivität der Arzneimitteltherapie sowie der Qualität der Arzneimittelanwendung. Auch die Förderung der Therapietreue und der Zusammenarbeit der Heilberufler:innen werde adressiert.

Doch was müssen Apotheker:innen tun, um diese Dienstleistung zu erbringen? Welche Patient:innen haben Anspruch? Und wo findet man weitere Informationen?

Mehr zum Thema

Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Worin besteht die Dienstleistung?

Die „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ laut Leistungsbeschreibung besteht aus mehreren Teilen, nämlich den Prozessschritten 3 bis 7 der „Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung: Medikationsanalyse“. Das sind:

  • Datenerhebung und Datenerfassung (3)
  • Pharmazeutische AMTS-Prüfung (4)
  • Erarbeitung von Vorschlägen zur Lösung detektierter ABP (5)
  • Abschlussgespräch mit der versicherten Person (6)
  • Dokumentation (7)

Im Detail sehen die Teilschritte folgendermaßen aus:

Arzneimittelerfassung mittels Brown-Bag-Gespräch: Dabei werden alle Arzneimittel erfasst, die der Patient bzw. die Patientin aktuell einnimmt (Brown-Bag-Review), also nicht nur ärztlich verordnete, sondern auch Selbstmedikation. Außerdem sollen Daten wie Medikationspläne, Anweisungen zur Einnahme/Dosierung, Laborwerte oder vorhandenen Entlass- und Arztbriefe berücksichtigt werden.

Pharmazeutische Arzneimitteltherapiesicherheits (AMTS)-Prüfung auf arzneimittelbezogene Probleme (ABP) auf Basis der erhobenen Daten. Zudem gilt es, unter anderem ungeeignete Darreichungsformen, Anwendungsprobleme oder unerwünschte Wirkungen zu identifizieren – im Gespräch mit den Patient:innen. Bei OTC-Arzneimitteln sollen Indikationen, Präparate und Dosierungen überprüft werden. Eine vollständige Liste der abzuklärenden ABP findet sich in der Leistungsbeschreibung der ABDA (abda.de-Login > Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation > Leistung > Vertraglich vereinbarte Leistungsbeschreibung).

Detektierte ABP werden bewertet und Lösungsvorschläge erarbeitet. Falls notwendig, bespricht der Apotheker bzw. die Apothekerin die Lösungsvorschläge mit dem zuständigen Arzt bzw. der Ärztin – vorausgesetzt, die Patient:innen sind einverstanden.

Gespräch zwischen Patient:in und Apotheker:in: Die Patient:innen erhalten bei dieser Medikationsberatung einen (elektronischen) Medikationsplan. Anschließend erfolgt die Dokumentation der „Erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation“ durch die zuständige Apothekerin / den zuständigen Apotheker

Der aktualisierte Medikationsplan wird auf der eGK oder in anderen elektronischen Medien der Telematikinfrastruktur (ePA) – soweit vorhanden – gespeichert. Zudem wird er, wenn der Patient zustimmt, dem/der Hauptverordner:in übermittelt, ebenso wie gegebenenfalls weitere relevante Informationen. Vorzugsweise soll das in elektronischem Format passieren (technische Schnittstelle Dienst für Kommunikation im Medizinwesen (KIM))

Anspruch, Hinweise und Hilfen zur Durchführung

Gibt es eine Checkliste, an der man sich orientieren kann?

Es wird eine Checkliste zur Verfügung gestellt (abda.de > Pharmazeutische Dienstleistungen > Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation > Arbeitsmaterialien > Arbeitshilfe Datenerfassung). Die soll ein systematisches Vorgehen erleichtern, insbesondere wenn die Arbeit auf mehrere Mitglieder des Apotheken-Teams verteilt werden soll.

Gibt es weitere Hinweise und Hilfen zur Durchführung?

Auf der Webseite der ABDA sind die einzelnen Schritte im Mitgliederbereich unter „Praktische Durchführung der Dienstleistung“ ausführlich erläutert

Es gibt Infos zu folgenden Punkten:

  • Vorbereitung des Patient:innengesprächs
  • Patient:innengespräch zur Datenerhebung und Datenerfassung
  • Pharmazeutische AMTS Prüfung
  • Erarbeitung von Vorschlägen zur Lösung detektierter ABP
  • Abschlussgespräch
  • Bericht an den Arzt/die Ärztin
  • Dokumentation

Mehr zum Thema

Von Medikationsanalyse bis Inhalerschulung

Die pharmazeutischen Dienstleistungen im Detail

Wer hat Anspruch auf erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation?

Anspruch haben versicherte Personen in der ambulanten, häuslichen Versorgung, die aktuell und voraussichtlich auch über die nächsten 28 Tage mindestens fünf verschiedene Arzneimittel in der Dauermedikation einnehmen bzw. anwenden. Die Zählung bezieht sich nur auf die Arzneimittel, die systemisch wirken oder inhaliert werden und vom Arzt verordnet wurden.

Wie oft kann die Beratung durchgeführt werden?

Einmal alle zwölf Monate, bei erheblichen Umstellungen der Medikation auch häufiger. Erhebliche Umstellung ist definiert als mindestens drei neue bzw. andere systemisch wirkende Arzneimittel/Inhalativa innerhalb von vier Wochen als Dauermedikation. Bei Leistungserbringung nach einer erheblichen Umstellung beginnt die Zwölf-Monatsfrist erneut.

Sind Hausbesuche möglich?

Die „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ kann auch im häuslichen Umfeld durchgeführt werden.

Qualifikation und schriftliche Vereinbarung

Wer darf in der Apotheke die Medikationsberatung durchführen?

Nur Approbierte dürfen diese Dienstleistung erbringen. Darüber hinaus müssen sie eine Fortbildung auf Basis des Curriculums der Bundesapothekerkammer „Medikationsanalyse, Medikationsmanagement als Prozess“ absolviert haben. Es wird derzeit aber eine ganze Reihe von Fortbildungen als gleichwertig erachtet, nämlich ATHINA, ARMIN, Apo-AMTS, Medikationsmanager BA KlinPharm, Weiterbildung Geriatrische Pharmazie, Weiterbildung Allgemeinpharmazie. Wer eine der genannten Fortbildungen absolviert hat, kann die Dienstleistung erbringen.

Muss man die Qualifikation nachweisen?

Nach Aufforderung der Krankenkasse ist eine gültige Bescheinigung vorzuweisen.

Mehr zum Thema

Pharmazeutische Dienstleistungen

Wer darf Medikationsanalysen machen?

Müssen die Patient:innen etwas unterschreiben?

Zwischen den Patient:innen und der Apotheke wird für diese Dienstleistung eine schriftliche Vereinbarung geschlossen. Diese enthält unter anderem eine

  • Beschreibung der Inhalte
  • und die Voraussetzungen

Der/die Patient:in unterschreibt vorab, dass er/sie die Voraussetzungen erfüllt und quittiert im Nachgang, die Dienstleistung erhalten zu haben. Die unterschriebene Vereinbarung bleibt in der Apotheke, der/die Patient:in erhält eine Kopie.

Patient:innen binden sich bezüglich der vereinbarten Dienstleistung an die jeweilige Apotheke. Erhalten sie die gleiche Dienstleistung nach einem Jahr oder bei Umstellung der Medikation erneut, braucht es keine neue Vereinbarung. Es reicht eine weitere Quittierung des Erhalts und die Bestätigung der Anspruchsvoraussetzungen. Die Dokumente sind zusammen aufzubewahren.

Von der Vereinbarung gibt es jeweils eine Lang- und eine patientenverständlichere Kurzfassung, die auf wesentliche Inhalte beschränkt ist. Wird die kurze Version verwendet, soll in die Fußzeile ein Hinweis, wo die ausführliche Vereinbarung zu finden ist, zum Beispiel ausgelegt in der Apotheke oder auf der apothekeneigenen Homepage

Außerdem enthalten die Vereinbarungen eine Entbindung von der Schweigepflicht. Die ist notwendig, um Rücksprache mit den behandelnden Ärzten zu halten, aber auch, um am Ende den Bericht zu übersenden. Falls der Schweigepflichtentbindung nicht zugestimmt wird, kann die Dienstleistung trotzdem erbracht werden, allerdings ohne Information der Ärzte durch die Apotheke.

Die beiden Vereinbarungen finden Sie unter abda.de > Pharmazeutische Dienstleistungen > Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation > Vereinbarung über die Dienstleistung 

 > Kurzfassung der Vereinbarung zwischen Apotheke und Versicherten

 > Langfassung der Vereinbarung zwischen Apotheke und Versicherten

Muss zusätzlich noch eine Einwilligungserklärung zum Datenschutz unterschrieben werden?

Nein, das ist nicht notwendig.

Wie kann man die Patient:innen informieren?

Die Apotheke kann geeignete Patient:innen ansprechen. Bei guter Zusammenarbeit mit den Ärzten und Ärztinnen können auch diese eine Medikationsberatung empfehlen. Zur Unterstützung gibt es einen Info-Flyer, für Patient:innen (abda.de > Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation > Arbeitsmaterialien > Flyer für Patient*innen zur Information).

Abrechnung und Honorar

Wie viel Geld gibt es?

90,00 Euro (netto)

Wie wird abgerechnet?

Abgerechnet wird mit dem Apothekenbeleg für die Abrechnung pharmazeutischer Dienstleistungen (SB-pDL) (abda.de > Pharmazeutische Dienstleistungen > Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation > Arbeitsmaterialien > Muster Abrechnungsbeleg), einem nicht personalisiertem Vordruck. Jeweils zum Ende eines Quartals.

Pro Versicherten und Leistungstag ist jeweils ein eigener SB-pDL zu erstellen. Auf einem Beleg können theoretisch bis zu drei (Teil-)Dienstleistungen abgerechnet werden, wenn sie für ein und denselben Patienten am selben Tag erbracht werden.

Weil sich auf den Belegen Sozialdaten der Versicherten befinden, ist eine Einreichung direkt beim NNF nicht zulässig. Der NNF erhält vom Apothekenrechenzentrum nur die für die Ausschüttung notwendigen Informationen.

Mehr zum Thema Abrechnung

Sonder-PZN, Belege und Auszahlung

So werden die Dienstleistungen abgerechnet

Übersicht über die Arbeitsmaterialien

  • Leistungsbeschreibung
  • Prozessbeschreibung
  • Kurzfassung der Vereinbarung zwischen Apotheke und Versicherten
  • Langfassung der Vereinbarung zwischen Apotheke und Versicherten
  • Arbeitshilfe Checkliste für die Durchführung
  • Arbeitshilfe Datenerfassung
  • Arbeitshilfe Gesprächsleitfaden
  • Arbeitshilfe Arzneimittelbezogene Probleme
  • Arbeitshilfe Ergebnisbericht/Rücksprache mit dem Arzt
  • Flyer für Ärzt*innen zur Information
  • Flyer für Patient*innen zur Information
  • Abrechnung
  • Muster Abrechnungsbelege

Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.