Kritik des LAV

Neue Verordnung „vernichtet etabliertes und wirkungsvolles Testsystem“

Berlin - 24.06.2022, 17:20 Uhr

Mit kostenlosen Corona-Schnelltests für alle ist in der kommenden Woche Schluss. Der LAV Baden-Württemberg kritisiert dies. (c / Foto: IMAGO / Wolfgang Maria Weber) 

Mit kostenlosen Corona-Schnelltests für alle ist in der kommenden Woche Schluss. Der LAV Baden-Württemberg kritisiert dies. (c / Foto: IMAGO / Wolfgang Maria Weber) 


Die angekündigten neuen Regeln für Bürgertests kommen beim Apothekerverband Baden-Württemberg (LAV) nicht gut an. Da die meisten Menschen nun den Anspruch auf kostenfreie Testung verlieren, stehe zu befürchten, dass sich viele nun gar nicht mehr testen lassen. „Aus Sicht des Infektionsschutzes – und das ist die Sicht, die wir Apothekerinnen und Apotheker haben – ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar“, erklärt LAV-Präsidentin Tatjana Zambo in einer Pressemitteilung.

Die neue Testverordnung steht – sie wartet nun noch auf ihre Veröffentlichung im Bundesanzeiger, dann kann sie in Kraft treten. Ein fließender Übergang ist damit gesichert, denn die bisherige Verordnung wäre am 30. Juni außer Kraft getreten. Künftig haben allerdings nur noch bestimmte Personengruppen Anspruch auf kostenfreie Bürgertests – unter anderem Kinder bis 5 Jahre, Schwangere im ersten Schwangerschaftsdrittel sowie Personen, die jemanden in einer Klinik oder Pflegeeinrichtung besuchen wollen. Gegen eine Eigenbeteiligung von 3 Euro können sich zudem Personen testen lassen, die am selben Tag eine Veranstaltung in einem Innenraum besuchen wollen oder eine Person ab 60 Jahren bzw. mit dem Risiko schwer an COVID-19 zu erkranken. Personen mit einer erhöhten Risikoanzeige in der Corona-Warn-App haben diesen Anspruch ebenfalls.

Für die Testanbieter reduzieren sich die Erstattungssätze: Der Honoraranteil für das Testen wird von 8 auf 7 Euro gekürzt (bei Eigenbeteiligung auf 4 Euro), für die Materialkosten gibt es nur noch 2,50 Euro statt 3,50 Euro. Zudem müsse sie die Anspruchsberechtigung kontrollieren.

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Beim LAV Baden-Württemberg kommt die Neuerung nicht gut an. Der Verband hatte sich schon im Vorfeld dafür starkgemacht, die Bürgertests weiterlaufen zu lassen. Heute zeigte sich Verbandspräsidentin Tatjana Zambo enttäuscht: „Die große Masse derer, die sich schnell und ohne viel Aufwand die Frage beantworten wollen, ob sie Corona-positiv oder negativ sind, wird ab Juli dafür bezahlen müssen. Es steht zu befürchten, dass sich viele Menschen angesichts der ohnehin durch hohe Energie- und Lebensmittelpreise belasteten Geldbörsen gar nicht mehr testen lassen. Mit dieser Entscheidung verabschiedet sich der Bund de facto aus der bislang erfolgreichen Teststrategie und vernichtet das gut etablierte und wirkungsvolle Kontrollsystem zur Früherkennung des Infektionsgeschehens.“

Auch die Apotheken hätten das Nachsehen: Mit zum Teil riesigem Aufwand hätten sie sich in den Bürgertestungen engagiert, so Zambo – „und zwar mit voller Überzeugung“. Nun werde die Nachfrage deutlich sinken. Zugleich müssten nun jede Menge zusätzliche Kontroll- und Dokumentationsaufgaben geleistet werden, um die Berechtigten von den Nicht-Berechtigten, die Selbstzahler von den Eigenbeteiligungszahlern und den Nicht-Zahlern zu unterscheiden. „Dafür gibt es gleichzeitig weniger Geld. Wie sich diese neue Testverordnung auswirken wird, kann sich jeder selbst leicht ausrechnen“, so Zambo.

Insgesamt bedauert die LAV-Präsidentin die Entscheidung des Bundes: „Aus Sicht des Infektionsschutzes – und das ist die Sicht, die wir Apothekerinnen und Apotheker haben – ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar. Das sieht offenbar auch Minister Lauterbach so, der die neuen Regelungen ausdrücklich mit Blick auf die finanziellen Belastungen des Bundes argumentiert hat und nicht mit Blick auf den Infektionsschutz. Um der Pandemie aber wirkungsvoll entgegenzutreten, ist das aber das falsche Signal. Einer Virus-Pandemie kann man nicht fiskalisch entgegentreten.“

So soll der neue § 4a TestV aussehen:

(1) Folgende asymptomatische Personen haben Anspruch auf Testung mittels PoC-Antigen-Tests:

1. Personen, die zum Zeitpunkt der Testung das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

2. Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation, insbesondere einer Schwangerschaft im ersten Schwangerschaftsdrittel, zum Zeitpunkt der Testung nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können oder in den letzten drei Monaten vor der Testung aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden konnten,

3. Personen, die zum Zeitpunkt der Testung an klinischen Studien zur Wirksamkeit von Impfstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 teilnehmen oder in den letzten drei Monaten vor der Testung an solchen Studien teilgenommen haben, 

4. Personen, die sich zum Zeitpunkt der Testung aufgrund einer nachgewiesenen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in Absonderung befinden, wenn die Testung zur Beendigung der Absonderung erforderlich ist,

5. Personen nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4,

6. Personen, die am selben Tag eine Veranstaltung in einem Innenraum besuchen werden oder zu einer Person ab 60 Jahren oder einer Person mit einer Vorerkrankung mit einem hohen Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, am selben Tag Kontakt haben werden,

7. Personen, die durch die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts eine Warnung mit der Statusanzeige erhöhtes Risiko erhalten haben,

8. Personen, die mit einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person in demselben Haushalt leben oder gelebt haben.

(2) Bei Testungen nach Absatz 1 Nummer 6 und 7 leistet die zu testende Person einen Eigenanteil in Höhe von 3 Euro an den Leistungserbringer. Dieser Eigenanteil kann auch von dem Land getragen werden, in dem die Testung durchgeführt wird.“


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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