Nach Drohungen der KV Hessen

HAV will rechtliche Schritte prüfen

Stuttgart - 06.07.2022, 14:15 Uhr

HAV-Chef Holger Seyfarth sucht lieber das persönliche Gespräch mit den hessischen Ärztevertretern, statt öffentlich in ähnlicher Form zu reagieren. (Foto: HAV)  

HAV-Chef Holger Seyfarth sucht lieber das persönliche Gespräch mit den hessischen Ärztevertretern, statt öffentlich in ähnlicher Form zu reagieren. (Foto: HAV)  


Der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen sind die pharmazeutischen Dienstleistungen ein Dorn im Auge. In einem Schreiben an ihre Mitglieder droht die KV, alternative Anbieter für Apothekenleistungen zu suchen. Außerdem werden die Praxen aufgerufen, die „inkompetente Beratung durch Apotheken“ zu dokumentieren. Der Hessische Apothekerverband (HAV) nimmt die Entwicklungen zur Kenntnis und will rechtliche Schritte prüfen. 

Mitten in Deutschland, im Bundesland Hessen, findet aktuell eine äußerst perfide Stimmungsmache gegen die Apotheken statt. Auslöser sind die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen, die Apotheken seit etwas mehr als drei Wochen Patientinnen und Patienten anbieten dürfen. Zunächst war es der Hessische Hausärzteverband, der in der vergangenen Woche „Patienteninformationen“ an die Hausarztpraxen verteilte, die die pharmazeutischen Dienstleistungen in ein schlechtes Bild rücken sollen.

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Kurze Zeit später legte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) desselben Bundeslands nach: In einem Schreiben an die Mitglieder, das auf der Website der KV öffentlich einsehbar ist, wird die Plakataktion des Hessischen Hausärzteverbandes begrüßt. Doch nur um Rückendeckung geht es nicht. Ihre Mitglieder ruft die KV Hessen auf, „Fälle, in denen eine inkompetente Beratung durch Apotheken stattgefunden hat“, zu dokumentieren. Außerdem werden Mittel und Wege dargestellt, wie die Leistungen der Vor-Ort-Apotheken boykottiert werden können.

Auf die Aktion des Hausärzteverbands reagierte die Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, Ursula Funke. Gegenüber der DAZ zeigte sie sich extrem verärgert und maßlos enttäuscht. Sie sei überzeugt, dass es bei dieser vordergründigen Aktion nur ums Geld geht, und appellierte daher an den hessischen Hausärzteverband: „Kommen Sie von den Bäumen herunter, auf die Sie geklettert sind. Denn dort oben können Sie keine Patienten ver­sorgen. Das sind Sie den Patienten vor Ort aber schuldig. Lassen Sie uns gemeinsam die Versorgung vor Ort optimieren.“

Persönliche Gespräche und rechtliche Überlegungen

Für Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands (HAV), setzt der Brandbrief der KV nun dem ganzen standespolitischen Gepolter der Ärzte in seinem Bundesland die Krone auf. Bisher pflegte man eine konstruktive Zusammenarbeit auf Arbeitsebene mit der KV. Diese sei mit Einführung der honorierten, pharmazeutischen Dienstleistungen nun erschüttert, erklärt Seyfarth gegenüber der DAZ. Von einer öffentlichen Reaktion mit demselben Tenor sehe man derzeit ab. Vielmehr versucht der HAV in persönlichen Gesprächen den Konflikt zu lösen. Auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening habe inzwischen Kontakt zur Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgenommen, weiß Seyfarth zu berichten. Beim HAV prüft man derzeit, ob rechtliche Schritte gegen die Verfasser des KV-Schreibens, die Vorstände Frank Dastych und Eckhard Starke, eingeleitet werden. Immerhin äußerten die ärztlichen Standesvertreter mehr als nur ihre Kritik und Empörung.

Immer wieder wird in dem Brief nämlich betont, dass es nicht nur eine verbale Antwort auf „diese indiskutablen Zustände“ geben soll, sondern man es für „dringend geboten“ hält, den Apotheken Grenzen zu setzen und „andere Wege“ gehen. Dazu zählt die Standesvertretung die Aufforderung aller Mitglieder, Fälle zu dokumentieren, in denen eine „inkompetente Beratung durch Apotheken stattgefunden hat“. Darüber hinaus soll den Apothekern vor Ort signalisiert werden, „dass es insbesondere beim Bezug des Sprechstunden- und Praxisbedarfs immer Alternativen gibt“. Die KV selbst will „zuverlässige Anbieter“ finden, um „über Rezeptterminals in den Praxen Rezepte auf einem Weg einlösen zu können, der nicht durch inkompetente Beratung belastet ist“.

Ob diese Äußerungen tatsächlich als Verunglimpfung oder Boykottaufruf im rechtlichen Sinne zu verstehen sein können, will der Apothekerverband überprüfen.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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