Neue Technik

Gelbsucht-Diagnostik aus Tränenflüssigkeit per Testkit

Düsseldorf - 08.07.2022, 09:15 Uhr

Im Testkit fungiert eine Schicht aus Siliziumdioxid- und Gold-Nanopartikeln als Filter für den Gelbsucht-Biomarker Bilirubin. (Foto: New Africa / AdobeStock)

Im Testkit fungiert eine Schicht aus Siliziumdioxid- und Gold-Nanopartikeln als Filter für den Gelbsucht-Biomarker Bilirubin. (Foto: New Africa / AdobeStock)


Chinesische Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der sich aus Tränen in einem einfach Testkit Krankheiten diagnostizieren lassen. Ein entsprechendes Modell, mit dem sich Gelbsucht nachweisen lässt, stellten die Forscher kürzlich in der internationalen Edition des Fachjournals „Angewandte Chemie“ vor.

Blut, Urin, Speichel, Liquor – viele Körperflüssigleiten nutzt man für die verschiedenen Diagnostikmethoden, einige davon seit Jahrtausenden. Tränen allerdings gehören bislang eher weniger dazu. Dabei sind Tränen eben nicht einfach „nur Wasser“, sondern eine hochkomplex zusammengesetzte Flüssigkeit mit vielen physiologischen Funktionen und ihre Zusammensetzung ändert sich abhängig vom emotionalen Zustand des Betroffenen und auch durch Krankheiten.

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Bislang untersuchte man bei Tränenflüssigkeit vor allem die Menge des gebildeten Sekrets – etwa wenn es um die Behandlung und Diagnostik von trockenen Augen oder dauernd tränenden Augen geht. Die Zusammensetzung sowie spezifische Biomarker in der Flüssigkeit spielen bislang in der Diagnostik nur eine untergeordnete Rolle.

Dabei gibt es immer wieder wissenschaftliche Ansätze, zum Teil sehr spezifische Biomarker aus Tränenflüssigkeit für die Diagnose von Krankheiten wie Parkinson, Diabetes und andere neurodegenerative Erkrankungen heranzuziehen.

Bilirubin als Gelbsucht-Marker für den Test der Methode

In der Praxis scheitert das wohl oft an der Gewinnung ausreichend großer Mengen an Tränenflüssigkeit für entsprechende Untersuchungen sowie einer nicht invasiven und schnellen Sammlung des Sekrets. Ein chinesisches Forscherteam um die Professoren Yun Feng  (Peking University Third Hospital), Zhou Yang (University of Science and Technology Beijing) und Tie Wang (Tianjin University of Technology und Chinese Academy of Sciences Beijing) hat nun eine mögliche Lösung für dieses Problem entwickelt.

Ihre Ergebnisse veröffentlichte das interdisziplinäre Team aus Augenärzten, Material- und Gesundheitswissenschaftlern nun in der internationalen Edition des deutschen Fachjournals Angewandte Chemie“.

Die Forscher nahmen sich für ihre Methode den Biomarker für Gelbsucht (Ikterus), das Hämoglobin-Abbauprodukt Bilirubin, das bei Leber- und Gallenerkrankungen nicht richtig abgebaut wird und sich im gesamten Körper ansammelt. Der gelbe Farbstoff sorgt dann für die sogenannte Gelbsucht, bei der unter anderem die Haut und die Skleren des Auges zum Teil intensiv gelb erscheinen. Ikterus ist ein Symptom für verschiedene Erkrankungen.

Herausgekommen bei der Arbeit der Forscher ist ein streichholzschachtelgroßes Testkit mit einer kleinen Spitze zum Sammeln der Tränenflüssigkeit. Die Diagnostik erfolgt dabei optisch, mit der sogenannten SERS-Methode. SERS steht für Surface-Enhanced Raman Spectroscopy, deutsch oberflächenverstärkte Raman-Spektroskopie.

Optische Detektion über „Molekül-Fingerabdruck“ mit Raman-Spektroskopie

Den Raman-Effekt entdeckte in den 1920er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts der indische Physiker Chandrasekhara Venkata Raman. Er erhielt dafür 1930 den Nobelpreis für Physik. Unter dem Raman-Effekt versteht man eine sogenannte unelastische Streuung von Licht an Molekülen. Dabei wird Energie übertragen, was bewirkt, dass das gestreute Licht eine andere Frequenz (eine andere Energie) hat als das einfallende Licht. Diese Verschiebung der Frequenz ist dabei spezifisch für bestimmte Moleküle, sodass sich mit der Raman-Spektroskopie spezifisch Moleküle detektieren lassen – ein „molekularer Fingerabdruck“. Der Effekt wird verstärkt, wenn die Moleküle dabei an eine Metalloberfläche gebunden sind – eben die oberflächenverstärkte Raman-Spektroskopie SERS.

Bislang galt die Methode für Sekrete wie Tränen als schwierig. Der Vorteil ihrer Komplexität, der es ermöglicht, Biomarker für Erkrankungen zu finden, bedeutet auf der anderen Seite den Nachteil, dass es entsprechend viele Proteine und Salze gibt, die sich schnell auf den Testoberflächen ablagern. Die chinesischen Forscher bauten nun allerdings einen hybriden Sensor, der gleichzeitig störende Ablagerungen beseitigt und eine reaktive Oberfläche für die Spektroskopie bietet.

Nanosphären aus Sand und Gold sind das Herz des Testkits

Dazu nutzten sie Nanotechnologie, mit der sie eine hybride Schicht aus Siliziumdioxid (Quarzsand) und Gold entwarfen. Regelmäßig angeordnete Siliciumdioxid-Nanokügelchen werden auf der Oberseite mit einer hauchfeinen Goldschicht versehen, auf die eine Schicht aus Gold-Nanopartikeln aufgetragen wird. Diese Schicht bezeichnen die Forscher als SiO2@Au@AuNPs – ein „binäres Nanosphären-Array“. Sie ist zwischen zwei Glasträgern eingebettet und in ein Gehäuse eingeschlossen. Lediglich die feine Spitze zum Aufsammeln der Tränenflüssigkeit ragt heraus. Analysieren lässt sich diese Testkit-Kassette in existierenden handlichen Raman-Spektroskopen durch ein Fenster auf der Oberseite.

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Nicht alles Gold, was glänzt

In der Schicht werden die gesuchten Biomarker an die Gold-Nanopartikel gebunden und festgehalten. Andere Bestandteile gelangen durch die Zwischenräume zwischen den Siliciumdioxid-Nanokügelchen in ein saugfähiges Substrat unterhalb der Schicht. Die Porendurchmesser lassen sich über die Größe der verwendeten Kügelchen so einstellen, dass störenden Bestandteile der Tränen wie die großen Proteine Albumin, Lysozym und Peroxidase oder auch Antikörper abgetrennt werden.

Mithilfe ihres Testkits konnten die Forscher erfolgreich Gelbsucht bei Patienten in Krankenhäusern nachweisen. Grundsätzlich eigne sich ihr Siliziumdioxid-Gold-Nanosphären-Aufbau wohl für alle als Biomarker fungierenden Moleküle, die mit den Goldnanopartikeln interagieren. Damit könnte dieses Kit ein ganz neuer handlicher Ansatz für die Diagnostik vieler Krankheiten sein – letztlich nicht nur aus Tränenflüssigkeit, sondern aus allen vergleichbaren komplexen biologischen Sekreten oder ähnlichen Flüssigkeiten.

Übertragen ließen sich möglicherweise auch nicht medizinische Anwendungen mit entsprechenden Modifikationen denken, etwa in der Umweltdiagnostik bei der Suche nach spezifischen Molekülen aus nicht biologischen komplex zusammengesetzten Flüssigkeiten.


Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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