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- Drei Fragen zu Biotin
Biotin sorgte im Jahr 2019 für negative Schlagzeilen nicht nur in der Fach-, sondern auch in der Publikumspresse. Der Anlass war die Erkenntnis, dass die Einnahme von Biotin klinische Laboruntersuchungen verfälschen und deshalb zu falschen Krankheitsdiagnosen mit teilweise dramatischen Folgen führen kann. Das BfArM verfasste einen „Rote-Hand-Brief“ zu Biotin-haltigen Arzneimitteln. Die Hersteller mussten ihre Produktinformationen aktualisieren und Warnhinweise geben.
Worüber müssen Biotin-Anwender aufgeklärt werden?
Biotin, das früher auch Vitamin B7 oder Vitamin H (für Haut und Haare) genannt wurde, ist als wichtiger Cofaktor von Enzymen am Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Fettstoffwechsel beteiligt. Es spielt außerdem beim Zellwachstum sowie bei der DNA- und Proteinsynthese eine Rolle. Üblicherweise herrscht bei uns kein Biotin-Mangel, es gibt auch keine Probleme bei erhöhter Zufuhr zum Beispiel durch Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel. Trotzdem kann die präventive oder therapeutische Gabe von Biotin unerwünschte Wirkungen mit schwerwiegenden Folgen haben.
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Der Grund: durch Einnahme von Biotin können klinische Labortests verfälscht werden. Betroffen sind insbesondere die Bestimmung von Schilddrüsenhormonen, von Sexualhormonen und von kardialem Troponin, einem Herz-Kreislauf-Marker, dessen Nachweis auf einen Herzinfarkt hindeutet. Ebenso kann der PSA-Wert, der bei Prostataerkrankungen gemessen wird, falsch ausfallen. Als spezielle Risikogruppe gelten Patientinnen und Patienten, die mit hohen Biotin-Dosen (im Milligrammbereich) behandelt werden müssen oder die an einer Niereninsuffizienz leiden. Aber auch bei Kindern, vor allem Neugeborenen, und bei schwangeren Frauen ist Vorsicht geboten.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat veranlasst, dass in den EU-Mitgliedsstaaten die Gebrauchsinformationen zu Arzneimitteln, die ≥ 150 μg Biotin pro Dosiseinheit zur oralen Anwendung enthalten, mit einem Warnhinweis versehen werden. In deutschen Beipackzetteln steht, dass bei einer Laboruntersuchung der Arzt oder das Laborpersonal davon unterrichtet werden muss, dass die Person, deren Laborparameter bestimmt werden sollen, Biotin eingenommen oder kürzlich eingenommen hat. Weiterhin heißt es im Beipackzettel, man solle sich bewusst sein, dass auch andere Produkte, die möglicherweise verwendet werden, wie Multivitamine oder Nahrungsergänzungsmittel für Haare, Haut und Nägel ebenfalls Biotin enthalten und damit Laborergebnisse beeinflussen können. Auch über diese Produkte solle man Arzt und Laborpersonal informieren.
Viele Biotin-haltige Präparate sind als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) im Handel und unterliegen den Bestimmungen für Lebensmittel. Das heißt, der für den Arzneimittelbereich verpflichtende Warnhinweis der EMA gilt nicht automatisch für NEM. Zwar empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auch auf NEM einen Hinweis anzubringen. Die Frage ist, wie weit sich diese Empfehlung durchsetzt und die Anwender sensibilisiert sind. Deshalb ist es wichtig, dass die Apotheke sich des Problems der Verfälschungen von Laborwerten durch Biotin bewusst ist und im Rahmen von Beratungen und Medikationsanalysen auf die Anwendung entsprechender Präparate achtet.
Biotin – das Schönheitsvitamin?
„Vitamin H“, wie man Biotin früher bezeichnete, sollte auf dessen Anwendung für „Haut und Haare“ hindeuten. Im Internet kursieren Jubelberichte über das „Schönheitsvitamin“, das Haut, Haare und Nägel gleichsam in einen Idealzustand verzaubern soll. Tatsächlich erlaubt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) folgende gesundheitsbezogenen Werbeaussagen: „Biotin trägt zur Erhaltung normaler Haut bei“ und „Biotin trägt zur Erhaltung normaler Haare bei“. Ein entsprechender Health-Claim für Nägel ist nicht zugelassen.
Wissenschaftlich belegt ist, dass ein nachgewiesener Biotin-Mangel zu Haarausfall, Haut- und Schleimhautveränderungen sowie Mundwinkelentzündungen führen kann. In diesem Fall hilft eine Supplementierung von Biotin, Haut und Haar wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen. Liegt jedoch kein Biotin-Mangel vor – wie es bei den allermeisten Menschen hierzulande der Fall sein dürfte – lassen sich weder Haut- noch Haarqualität durch Einnahme von Biotin beeinflussen. Zarte Haut und volle Haarpracht sind also nicht durch zusätzliche Biotin-Gabe zu erwarten.
Was die Nägel betrifft, so kursiert in der Fachliteratur eine Studie, mit der eine Verbesserung der Nagelhärtung belegt werden soll. Laut Verbraucherzentrale hätten auch ältere tierärztliche Untersuchungen gezeigt, dass Biotin die Hufe von Nutztieren gehärtet haben soll. Doch letztlich gibt es keine belastbaren klinischen Studien an Menschen, die von der EFSA anerkannt wurden. Deshalb hat die EFSA auch keinen Health Claim für Nägel zugelassen.
Wenn nun Biotin-haltige „Schönheitspillen“ trotzdem mit einem Hinweis auf die Nägel beworben werden, lohnt es sich genau hinzuschauen. In der Regel enthalten die entsprechenden Nahrungsergänzungsmittel dann zusätzlich Zink, Selen oder auch Kieselerde. Für Zink und Selen ist ein Health Claim zu „normalen“ Nägeln erlaubt.
Biotinmangel bei extremer oder veganer Kost?
Es gibt extreme Diätformen, bei denen über lange Zeiträume täglich zwei bis sechs rohe Eier verzehrt werden. Rohes Eiklar erhält das Glykoprotein Avidin, das mit Biotin einen unresorbierbaren Komplex bildet. Bei Personen, die sich auf diese Weise ernähren, besteht das Risiko eines Biotin-Mangels.
Veganer müssen sich über eine mögliche Unterversorgung mit Biotin keine Gedanken machen. Mit zahlreichen Gemüsesorten, aber auch Hülsenfrüchten, Haferflocken, Nüssen lässt sich eine ausreichende Biotin-Zufuhr auch ohne Lebensmittel tierischer Herkunft sicherstellen.
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