BPhD-Kolumne

Reaktion der Ärztefunktionäre auf Dienstleistungen ist ein Armutszeugnis

Freiburg - 25.07.2022, 17:50 Uhr

Hand in Hand für die Arzneimitteltherapiesicherheit: Das wünscht sich der BPhD von Ärzt*innen und Apotheker*innen. (Foto: Blue Planet Studio / AdobeStock)

Hand in Hand für die Arzneimitteltherapiesicherheit: Das wünscht sich der BPhD von Ärzt*innen und Apotheker*innen. (Foto: Blue Planet Studio / AdobeStock)


Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) begrüßt die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen. Dass manche Ärztefunktionäre dagegen Sturm laufen, ist allerdings aus der Sicht des BPhD-Beauftragten für Gesundheitspolitik, Julian Held, einfach nur traurig. Er fragt sich in der aktuellen Kolumne des Verbands, wo auf dem Weg zwischen Universität und Berufsleben der Respekt und die Hochachtung vor dem Gegenüber verloren gegangen ist.

Im Juni 2022 erging der lang ersehnte Schiedsspruch zu den pharmazeutischen Dienstleistungen, um die in den vergangenen Jahren gerungen wurde. Nachvollziehbar groß sind der Jubel und die Euphorie bei den Apotheker*innen darüber, was jetzt und in Zukunft möglich sein wird und wie viel damit für Patient*innen getan wurde.

Die richtigen Dienstleistungen in der Apotheke

Zu den pharmazeutischen Dienstleistungen gehören unter anderem die Blutdruckmessung zur Erfolgskontrolle der antihypertensiven Therapie sowie die korrekte Einweisung in die Anwendung von Inhalanda. Beide dieser Dienstleistungen sind längst üblich in Apotheken und werden auch schon seit langem in Anspruch genommen. Die Vergütung dieser Tätigkeit ist lange überfällig und wird einen Beitrag zur Attraktivitätssteigerung der Vor-Ort-Apotheke leisten.

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Ebenso wenig neu, jedoch von größerem Umfang und noch größerer Wichtigkeit ist die Analyse der Polymedikation. Bei multimorbiden Patient*innen ist es nur logisch, dass bei steigender Anzahl eingenommener Arzneimittel das Interaktionspotential steigt. Entsprechend besteht bei der regelmäßigen parallelen Einnahme von fünf oder mehr Arzneimitteln nun ein Anspruch auf Medikationsberatung bei Polymedikation.

Arzneimittelinteraktionen begründen einen nicht unerheblichen Anteil an Krankenhauseinweisungen. Bei älteren Menschen sind es laut Zahlen des IBE München etwa 10 Prozent der Fälle, wovon etwa die Hälfte durch kompetente Beratung vermeidbar gewesen wäre. Es ist ein enormer Beitrag, den Apotheker*innen hier leisten können und zum Ziel besserer Arzneimitteltherapiesicherheit auch leisten müssen. Gerade für ältere Menschen bedeutet dies einen Bonus für ihre Arzneimitteltherapie.

Durch die Dienstleistungen für Menschen nach einer Organtransplantation und bei oraler Antitumortherapie finden diese verstärkt Beachtung. Diese Gruppen in den Blick zu nehmen, ergibt Sinn, gleichzeitig sollten in Zukunft aber auch Patient*innenkollektive an Beachtung gewinnen, bei denen ebenfalls Medikationsberatung vonnöten ist. Dazu zählen beispielsweise Patient*innen mit Niereninsuffizienz und Diabetiker*innen.

Dienstleistungen zum Kunden bringen 

Die bestbesetzte Apotheke mit den kompetentesten Apotheker*innen kann keine Dienstleistungen durchführen, solange die Kund*innen nicht wissen, dass und wie diese in Anspruch genommen werden können. Ein finanzieller Anreiz für Apotheken ist nun gesetzt, daher sollte es kein Problem sein, zwei Gruppen – nämlich Patient*innen und pharmazeutisches Personal – zusammenzuführen, die eigentlich das Gleiche wollen.

Es bietet sich hier an, eine Informationsplattform zu schaffen, auf der Patient*innen einsehen können, worauf Ansprüche bestehen und dass klar kommuniziert wird, wo der Zusatznutzen liegt. Es gilt das Credo: Communication is key! Nur informierte und aufgeklärte Patient*innen können dazu beitragen, die Sicherheit ihrer Pharmakotherapie zu gewährleisten.

Kompetenz braucht Aus- und Fortbildung 

Nicht für alle Dienstleistungen ist eine explizite Fortbildung notwendig, für andere schon – und das mit Recht: Soll ein flächendeckendes Angebot mit pharmazeutischen Dienstleistungen sichergestellt werden, ist es unabdingbar, dass die Weiterbildungen bei angemessenen Kosten niederschwellig und zeiteffizient sind, sodass jede*r Apotheker*in diese Möglichkeiten wahrnehmen kann.

Aber nicht nur auf die Frage der Niederschwelligkeit, sondern auch auf die der Motivation, muss die Standespolitik Antworten finden. Ganz unbedingt müssen pharmazeutische Dienstleistungen freiwillig bleiben. Je mehr Apotheken Dienstleistungen anbieten können, desto größer ist der Mehrwert. Es ist selbsterklärend, dass es dafür viele Apotheker*innen braucht, die aktuell nicht übermäßig auf dem Arbeitsmarkt zu finden sind. Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel ist ein kritischer Faktor, der für die Durchführbarkeit der Dienstleistungen entscheidend sein kann.

Noch einmal stürmt, noch einmal liebe Ärzte

An dieser Stelle sei betont, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen in erster Linie Patient*innen zugutekommen sollen. Sie müssen als niederschwellige Angebote wahrgenommen werden, die Gesundheit der Patient*innen zu gewährleisten. Mitunter schockierend sind die Reaktionen als auch Vorwürfe mancher Ärzteverbände zu den pharmazeutischen Dienstleistungen. Anders als traurig kann man den Zustand leider nicht bezeichnen, denn es ist an Absurdität kaum zu überbieten. Es ist ein Armutszeugnis für das Verhältnis der beiden Heilberufe zueinander.

Pharmazeutische Dienstleistungen

Ärzte-Kritik im Faktencheck

Als Student muss ich einmal bemerken, dass mir kaum in den Kopf möchte, wo auf dem Weg zwischen Universität und Berufsleben der Respekt und die Hochachtung von dem Gegenüber verloren geht. Es stimmt mich mindestens missmutig zu sehen, dass die Wertschätzung, von der ich das Gefühl habe, dass sie zwischen Studierenden enorm etabliert ist, irgendwann nach dem Berufseinstieg zu Schall und Rauch vergeht.

Es muss doch in unser aller Interesse sein, eine zielgerichtete Kommunikation zu etablieren, wie es ganz häufig auch schon zwischen niedergelassenen Ärzt*innen und Apotheken geschieht, denn noch einmal: Wir verfolgen dasselbe Ziel! Wir können enormen Nutzen daraus ziehen und wenn nur jeder an sich selbst denkt, ist eben nicht zwangsläufig an alle gedacht.

Die Aussage „Wir brauchen uns doch gegenseitig“ ist weder absurd, noch hat sich daran etwas geändert oder wird es das in naher Zukunft tun. Wenn das Gesundheitssystem unter Geldmangel leidet, sollte ein Grabenkampf der Beteiligten nicht die logische Konsequenz sein. Im Gegenteil: Besonders jetzt ist Zusammenhalt unerlässlich!

Fazit 

Abschließend ist festzuhalten, dass durch die Zusammenarbeit zwischen Ärzt*innen und Apotheker*innen ein ungeheurer Zusatznutzen für Patient*innen entsteht, wenn einmal common sense geworden ist, dass sich pharmazeutische Dienstleistungen für alle Beteiligten lohnen.

Julian Held ist Beauftragter für Gesundheitspolitik beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (Foto: BPhD)

Die Chancen, die der Apotheker*innenschaft an die Hand gegeben werden, sollten pflichtbewusst genutzt werden. So können alle zusammen an dem Ziel der Gestaltung der Apotheke von morgen arbeiten und die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen.


Julian Held, BPhD-Beauftragter für Gesundheitspolitik
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

"Wo auf dem Weg ... verloren geht?"

von Holger am 26.07.2022 um 9:31 Uhr

Na, das ist doch ganz einfach! Zu Studentenzeiten geht es um Ethos. Im Berufsleben geht es um Geld. Das kann man bedauern, es ist aber so. Und insbesondere bei Selbständigen und Freiberuflern, bei denen mehr Einnahmen auch unmittelbar (natürlich nicht 1:1) mehr Lebensqualität bedeuten, spielt das eine erhebliche Rolle.

Daher finde ich es zwar nicht schön, dass die Ärzteschaft versucht, ihre Pfründe zu verteidigen. Nachvollziehen kann ich es vom Grundsatz her allerdings. Dass ich die Art und Weise armselig finde ... geschenkt.

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