Zum 60. Todestag

Marilyn Monroe – Arzneimittel-Tod einer Legende

Düsseldorf - 04.08.2022, 07:00 Uhr

Zahlreiche Filme und Dokumentationen befassen sich übrigens mit dem rätselhaften Tod der Ikone, bei denen unter anderem die Rolle John F. Kennedys, der CIA und der Mafia beleuchtet wird. (Foto: Walter Cicchetti / AdobeStock)

Zahlreiche Filme und Dokumentationen befassen sich übrigens mit dem rätselhaften Tod der Ikone, bei denen unter anderem die Rolle John F. Kennedys, der CIA und der Mafia beleuchtet wird. (Foto: Walter Cicchetti / AdobeStock)


In den frühen Morgenstunden des 5. August 1962 fand man die Schauspielerin, Filmproduzentin und Fotomodel Marilyn Monroe nackt und tot auf ihrem Bett. Gestorben war sie da bereits Stunden zuvor am 4. August, also heute vor 60 Jahren. Warum sie starb, darum ranken sich Gerüchte, Verschwörungstheorien und Legenden – woran sie starb, ist allerdings bekannt und pharmakologisch betrachtet interessant.

Marilyn Monroe gilt als der Archetyp des weiblichen Sexsymbols des 20. Jahrhunderts. Ihre Biografie liest sich beinahe selbst wie ein Film. Aus armen und schwierigen Verhältnissen stammend, während des Zweiten Weltkrieges als „hübsche Arbeiterin in der Rüstungsindustrie“ als Foto-Modell entdeckt und erfolgreich aufgestiegen zum Filmstar, repräsentiert sie auf der einen Seite den „American Dream“. Depressionen, Tablettensucht, drei gescheiterte Ehen, berufliche Abstürze, durch Endometriose ungewollte Kinderlosigkeit, drei Fehlgeburten und nicht zuletzt ein mythenumrankter Tod zeichnen die dunklere Seite ihres nur 36 Jahre währenden Lebens.

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Am frühen Morgen des 5. August 1962 gegen 3.30 Uhr fanden ihr Psychiater Ralph R. Greenson und ihre Haushälterin Eunice Murray den Filmstar tot auf ihrem Bett – nackt auf dem Bauch liegend, mit einem Telefon in der Hand. Ihr Hausarzt erklärte sie um 3.50 Uhr offiziell für tot. Erst um 4.15 Uhr alarmierte man die Polizei. Der Pathologe Thomas Noguchi schließlich obduzierte den Leichnam der jungen Frau und stellte als Todesdatum den Abend des 4. August zwischen 20.30 Uhr und 22.30 Uhr fest.

Rätselhafte Umstände und Verschwörungstheorien

Bereits diese Umstände, wie „die Monroe“ aufgefunden wurde, sind ominös und wurden von verschiedenen Zeugen unterschiedlich erzählt. Als Todesursache vermerkte Noguchi damals „vermutlich Suizid“ – doch daran zweifeln nicht wenige und bringen Theorien über einen raffinierten Mord durch Geheimdienste oder die Mafia ins Spiel. Auch wenn die Ergebnisse der Obduktion später nicht mehr überprüft werden konnten, weil alle genommenen Proben vernichtet worden waren, scheint aber recht klar zu sein, woran Marilyn Monroe letztlich starb.

Man könnte die Schönheit nämlich wohl durchaus als prominentes Opfer unerwünschter Arzneimittelwechselwirkungen bezeichnen. In ihrem Blut fand der Pathologe damals neben Alkohol eine große Menge des Wirkstoffs Pentobarbital, aber auch Choralhydrat und Promethazin.

Alle drei Arzneimittel waren in den 50er und 60er-Jahren sehr gängig – nicht nur in den USA. Pentobarbital galt als gutes Durchschlafmittel, gleiches gilt auch für Chloralhydrat. Auch Promethazin wirkt als Sedativum. Heute geht Pentobarbital eigentlich nicht mehr über den HV-Tisch – auch wenn einige Sterbehilfeorganisationen sich dafür eingesetzt haben. Und auch Chloralhydrat, das kurz nach seiner Einführung Ende des 19. Jahrhunderts einen regelrechten Boom hatte, wird heute nur noch in seltenen Fällen verschrieben.

Tödliche Wechselwirkung

Was aber weiß man heute über die Wirkstoffe und was war die fatale Wechselwirkung? Ein Überblick:

Pentobarbital: Das meist als Natriumsalz erhältliche Derivat der Barbitursäure ist eines der „klassischen Barbiturate“. Ein Betäubungsmittel mit beruhigender, schlaffördernder und anästhetischer Wirkung, das allerdings auch recht schnell psychisch und physisch abhängig macht. Plötzliches Absetzen kann ein Delirium tremens auslösen, wie bei Alkoholabhängigen.

Die Firma Bayer entwickelte Pentobarbital im Jahr 1915 und lange Zeit hatte es als gebräuchliches und beliebtes Schlafmittel eine wahre Boomphase. Besonders in den USA war es etwa zu Marilyn Monroes Zeiten in den 50er und 60er-Jahren beliebt – und es gab zahlreiche Abhängige, die nur mit einem langsamen Entzug wieder zu entwöhnen waren. Auch die Schauspielerin zählte wohl zu den Abhängigen – sie bekam das Mittel gegen ihre Schlaflosigkeit.

Pentobarbital wirkt als GABA (Gamma-Amino-Buttersäure)-Rezeptor-Agonist und erhöht dabei die Öffnungszeit der Chloridkanäle der Nerven, was deren Erregbarkeit senkt. In einer Dosis, wie sie im Blut des Filmstars gefunden wurde, bewirkt das Mittel allerdings einen Stillstand der Atemmuskulatur und des Herzens. Als Mittel für Suizide war Pentobarbital vergleichsweise beliebt – der Tod tritt quasi im Schlaf ein. Aus dem Grund setzen sich verschiedene Organisationen, die Sterbehilfe unterstützen, dafür ein, dass das Mittel auf Wunsch Sterbewilligen zur Verfügung gestellt wird. 

Erst im Februar 2022 entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nicht verpflichtet sei, Sterbewilligen das Mittel herauszugeben. Entscheiden müsse darüber der Gesetzgeber – und die Entscheidung steht noch aus. In den USA verwendet man den Wirkstoff allerdings mittlerweile auch als alleiniges Mittel bei Hinrichtungen – außerdem schläfert man damit im wahrsten Sinne des Wortes Tiere ein. In der Humanmedizin findet Pentobarbital, wenn überhaupt noch, Anwendung beim superrefraktären Status epilepticus.

Bereits früher Selbstmordversuche

Diese Wirkungen sowie die Tatsache, dass es nicht nur zwei Enantiomere gibt (und der Wirkstoff damit in der Regel nur als 1:1 Racemat produziert werden kann), sondern auch noch zwei Polymorphe mit ganz unterschiedlicher Bioverfügbarkeit, haben dazu geführt, dass es als Arzneimittel heute kaum noch Bedeutung hat.

Im Fall Marilyn sprach wohl viel dafür, dass sich der Star mit dem Mittel das Leben genommen hat – allerdings gibt es widersprüchliche Aussagen darüber, ob Tablettenschachteln im Schlafzimmer waren. Auch gab es keine Trinkgefäße. Dazu kommt noch die Aussage eine Psychotherapeutin, nach der die Schauspielerin bereits mehrfach „quasi Selbstmordversuche“ unternommen haben soll, die letztlich eher Hilfeschreie waren. Der Tod durch die Überdosis sei wohl „ein Unfall“ gewesen und eher auf die Wechselwirkung mit den beiden anderen Medikamenten zurückzuführen gewesen, hieß es in einigen Berichten.

Schließlich gab es in ihrem Blut ja noch zwei andere Wirkstoffe. Wie etwa

Chloralhydrat: Auch dieser Wirkstoff hatte eine Boom-Phase. Sein Entdecker war 1831 der berühmte Chemiker Justus Liebig (der Begründer der organischen Chemie). Ende des 19. Jahrhunderts gingen etwa innerhalb von 18 Monaten in England 17 Millionen Einzeldosen über die HV-Tische. Chloralhydrat war das erste synthetisch hergestellte Schlafmittel und wirkt beruhigend und schlaffördernd. Dabei wirkt es ebenfalls auf den GABA-Rezeptor.

Ein großer Vorteil des Mittels ist sicherlich seine unkomplizierte Herstellung. Es entsteht direkt aus Chlor und Ethanol in saurer Lösung – anschließend bedarf es nur noch der Zugabe von Wasser. Nachteile sind unter anderem, dass es schnell abhängig macht und überdosiert ebenfalls zum Tod führt. Erst 2014 wurde es auch als wahrscheinlich krebserregend eingestuft.

Chloralhydrat per Klistier verabreicht

Interessant ist, dass Chloralhydrat nicht nur oral oder intravenös, sondern auch durch die Haut und die Schleimhäute aufgenommen wird. Das ist auch im Fall der toten Schauspielerin spannend und sorgt unter anderem für Verschwörungstheorien. Denn Marilyn Monroe hatte zwar eine große Dosis Chloralhydrat im Blut, nicht aber im Magen. Man geht davon aus, dass sie das Arzneimittel per Klistier rektal in den Enddarm verabreicht bekam – es gab keine Einstichstellen.

In einer Version soll ihr Psychiater ihr das Mittel auf diese Weise verabreicht haben, ohne zu wissen, dass sie bereits das Pentobarbital geschluckt hatte. In einer anderen Version habe man sie zuerst mit Pentobarbital in einem Drink betäubt, um ihr dann gewaltsam das Chloralhydrat per Klistier zu verabreichen – was ein Mord wäre. Dafür sollen gefundene Hämatome am After und an der Leiste sprechen.

In jedem Fall aber gab es noch ein weiteres Mittel, das als pharmakologische Wechselwirkung die Wirkungen der anderen beiden noch verstärkte:

Promethazin: Das Phenothiazin (RS)-10-(2-Dimethylaminopropyl)pheno­thiazin ist das einzige aus der Stoffklasse, das nicht als Antipsychotikum eingesetzt wird. Stattdessen wirkt es als Beruhigungsmittel, aber auch als Antihistaminikum und als Mittel gegen Übelkeit. Promethazin bindet an eine ganze Reihe von Neurorezeptoren, unter anderem an den für Histamin, worauf seine Wirkungen hauptsächlich beruhen. Es bindet aber auch an Serotonin-, Dopamin-, Glutamat- oder Adrenalin-Rezeptoren. Es hat eine ganze Reihe unerwünschter Wirkungen von Mundtrockenheit bis zu Verringerung der Libido. Was aber im Fall Marilyn den Ausschlag gegeben haben dürfte, ist, dass Promethazin die dämpfenden Effekte von Alkohol, Schlaf- und Schmerzmitteln verstärkt.

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Wahrscheinlich wird man so nie ganz klären können, wieso genau die Schönheit mit nur 36 Jahren sterben musste – dass sie aber an Atem- und Herzstillstand infolge von Überdosierung und sich gegenseitig verstärkendem Effekt dreier Schlafmittel verschied, ist wohl ein Fakt.

Zahlreiche Filme und Dokumentationen befassen sich übrigens mit dem rätselhaften Tod der Ikone, bei denen unter anderem die Rolle John F. Kennedys, der CIA und der Mafia beleuchtet wird. Gerade nun zum 60. Todestag ist unter anderem eine Netflix-Dokumentation erschienen. In der Arte-Mediathek ist noch bis Ende August der Film „Tod einer Ikone - Marilyn Monroe“ abrufbar und auch eine ZDF-History-Doku gibt es dazu.


Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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