Stellungnahme zur Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung

ABDA: Direkte Paxlovid-Abgabe durch Ärzte wird das Problem nicht lösen

Berlin - 05.08.2022, 14:15 Uhr

Die ABDA hält nichts von der direkten Paxlovid-Abgabe durch Arztpraxen. (x / Foto: IMAGO / Levine-Roberts)

Die ABDA hält nichts von der direkten Paxlovid-Abgabe durch Arztpraxen. (x / Foto: IMAGO / Levine-Roberts)


Hausärzte sollen sich künftig selbst mit antiviralen Arzneimitteln wie Paxlovid bevorraten und diese an geeignete Patienten abgeben können. Während dieses Vorhaben des BMG in der Ärzteschaft Zuspruch findet, lehnt die ABDA es strikt und grundsätzlich ab. Das macht sie in ihrer Stellungnahme zum Entwurf für eine Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung deutlich.

Vor wenigen Tagen hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Referentenentwurf für eine weitere Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung vorgelegt. Sein Ziel: Hausärzten und -ärztinnen soll ermöglicht werden, sich mit vom Bund beschafften zugelassenen antiviralen Arzneimitteln zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 zu bevorraten und diese auch abzugeben. Auch vollstationären Pflegeeinrichtungen soll die Bevorratung sowie Abgabe – auf Grundlage einer ärztlichen Verordnung – an ihre Bewohner möglich werden. Die Ärzte sollen für ihren Aufwand 15 Euro je abgegebene Packung erhalten, die Apotheke in diesen Fällen 15 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Geregelt werden sollen in der Verordnung überdies die Abrechnungswege.

Der Hintergrund: Zur Behandlung von Erwachsenen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, stehen seit geraumer Zeit wirksame Arzneimittel zur Verfügung. Doch die Verordnung durch Ärzte und Ärztinnen erfolgt nur zögerlich – dabei ist bei diesen Medikamenten besonders wichtig, sie früh einzusetzen.

Bis zum heutigen Freitag konnten die betroffenen Verbände zum Referentenentwurf Stellung nehmen. Selbstverständlich hat auch die ABDA diese Gelegenheit genutzt. In ihrer Stellungnahme übt sie zum einen grundsätzliche Kritik an dem Vorhaben, zum anderen widmet sie sich kritisch den konkret vorgesehenen Änderungen.

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So stellt die ABDA eingangs klar, dass sie „die Überlegung, Arzneimittel außerhalb des eingespielten und sicheren Vertriebswegs über die Apotheken abgeben zu lassen, aus grundsätzlichen Erwägungen strikt ab[lehnt]“. Mit den Regelungen in der MedBVSV, der Allgemeinverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit sowie § 4 SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung bestehe bereits ein zuverlässiger und hinreichender Rechtsrahmen zur ordnungsgemäßen Versorgung der Patient:innen mit antiviralen Arzneimitteln. Eine unverzügliche und zeitnahe Abgabe sei im gesamten Bundesgebiet sichergestellt – gegebenenfalls über den Botendienst der Apotheke. Dies gelte auch für die Versorgung der Bewohner:innen von Pflegeheimen, zumal dort durch die bestehenden Versorgungsverträge besondere Rahmenbedingungen existierten.

Für die ABDA ist klar: Das Problem ist nicht die Verfügbarkeit und Abgabe der Arzneimittel, sondern „vielmehr die fehlende Bereitschaft der Ärzt*innen (aus welchen Gründen auch immer), diese Arzneimittel zu verschreiben“. Dass es durch die Möglichkeit einer direkten Abgabe durch die Ärzt:innen selbst bzw. das Pflegepersonal auf ärztliche Verordnung sachgerecht gelöst werden könnte, erschließt sich für die ABDA nicht.

Ohne Apotheken drohen Qualitätsverluste 

Sie fordert daher, von den geplanten Änderungen Abstand zu nehmen. Stattdessen sollten konstruktive Wege gesucht werden, im Miteinander der akademischen Heilberufe – Ärzt:innen als medizinische Behandler:innen, Apotheker:innen als pharmazeutische Experti:nnen – die bestmögliche Arzneimittelversorgung für die Patient:innen sicherzustellen. Gerade die hochkomplexen Prüfungen möglicher Wechselwirkungen verschiedener Arzneimittel müssten im vertrauensvollen und partnerschaftlichen Dialog vorgenommen werden. „Ohne die Einbindung der Apotheker*innen mit ihren spezifisch pharmazeutischen Fachkenntnissen drohen ansonsten eine qualitativ schlechtere Versorgung sowie damit verbundene Gesundheitsschäden, wenn potenzielle Risiken nicht erkannt werden.“

Hotline kann Apotheker nicht ersetzen

Die ABDA verweist ferner auf die diese Woche veröffentlichte Grafik der Bundesregierung zu den Corona-Maßnahmen im Herbst und Winter. Dort findet sich als flankierende Maßnahme der Hinweis auf antivirale Arzneimittel, für die es ein Hausarztkonzept und eine „Hotline“ zu ihrem Einsatz geben soll. Dies, so die ABDA, belege eindrücklich den Beratungsbedarf. Für sie steht aber fest: „Eine solche Hotline ist ein unnötiger zeitintensiver und kostenträchtiger Zusatzaufwand und kann den persönlichen Kontakt vor Ort qualitativ nicht ersetzen.“

Nicht zuletzt findet es die ABDA auch grundsätzlich bedenklich, den Ärztinnen und Ärzten direkte finanzielle Anreize zu einer Arzneimittelverordnung und -abgabe zu eröffnen.

Längere Abrechnungsfristen 

Im Einzelnen geht die ABDA sodann auf redaktionelle Unstimmigkeiten ein, hat aber auch einige konkrete Anregungen. So sollten Abrechnungsfristen verlängert werden, um Apotheken und Rechenzentren nicht unter erheblichen Zeitdruck zu setzen, „der voraussichtlich erforderliche Korrekturen oder Nachreichungen unmöglich machen würde“. Ferner müsse in der parallel anzupassenden Allgemeinverfügung sichergestellt werden, dass der Bezug der Arzneimittel durch Arztpraxen und stationäre Pflegeeinrichtungen ausschließlich über öffentliche Apotheken erfolgen dürfe.

Retouren-Probleme 

Zudem verweist die ABDA auf potenzielle Probleme mit Seurpharm und etwaigen Retouren: Paxlovid® sei bereits in der EU zugelassen und daher mit den arzneimittelrechtlich vorgesehenen Sicherheitsmerkmalen gekennzeichnet. Die Prüfung und Deaktivierung der Merkmale könne technisch ausschließlich in den abgebenden Apotheken erfolgen. Arztpraxen und Pflegeheime verfügten weder über die erforderliche Ausstattung noch über einen Zugang zum Securpharm-System. Angesichts der strikten unionsrechtlichen Vorgaben sei nach der Ausbuchung der Packungen eine spätere Rücknahme und Aufnahme in den abgabefähigen Bestand unzulässig. Aber auch für Arzneimittel ohne Securpharm-Code sei eine Retoure an den Großhandel nicht möglich. „Apotheken werden daher keine Packungen aus Arztpraxen oder Pflegeheimen zurücknehmen, da sie sie kostenträchtig entsorgen müssten“, mahnt die ABDA.

Wer kontrolliert die sachgemäße Lagerung?

Und dann ist da noch die Sache mit der Lagerung. Paxlovid ist laut Zulassung bis maximal 25 °C zu lagern, darf aber nicht im Kühlschrank aufbewahrt werden. Es gebe jedoch keine Regelung, wer die ordnungsgemäße Lagerung der bevorrateten Arzneimittel in Arztpraxen und insbesondere in vollstationären Pflegeeinrichtungen garantiere. Ebenso wenig würden Aussagen getroffen, wer die ordnungsgemäße Lagerung kontrolliere, dokumentiere und welche Behörde für die Einhaltung und Überwachung der Lagervorschriften zuständig sei.

Bundesärztekammer: Dispensierrecht nicht auf Hausärzte beschränken

Einen ganz anderen Blick auf die Dinge hat im Übrigen die Bundesärztekammer. Sie unterstützt die Intention einer direkten Bevorratung und Abgabe antiviraler Arzneimittel zur Behandlung von COVID-19-Patienten durch Ärzte und Ärztinnen. Dadurch könne eine dauerhafte Entlastung des Gesundheitswesens erreicht und eine Überlastung des stationären Bereichs vermieden werden. Allerdings fordert die BÄK, das geplante Recht auf alle Fachärztinnen und Fachärzte zu erweitern, die COVID-19-Patienten behandeln.

Nun muss sich zeigen, ob das BMG nachfeilt. Allerdings spricht derzeit nichts dafür, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von seinem grundsätzlichen Plan abrücken will. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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8 Kommentare

Nur mal so zur Info

von Dr. Radman am 06.08.2022 um 14:41 Uhr

Interessantes Verhalten..


https://t.co/BkYXR56oIz

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Paxlovid hilft dem Patienten

von Margrave am 06.08.2022 um 8:29 Uhr

Ich hatte selbst vor einer Woche Covid und habe von meinem Hausarzt sofort Paxlovid über die Apotheke verschrieben bekommen, Gott sei Dank: Die heftigen Symptome wurde sofort spürbar geringer und vier Tagen später waren meine Test negatv. Jetzt bin ich wieder genesen. - Interessiert jemanden von den oben genannten Diskutanten eigentlich das Wohl der Patienten?

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@Herr Reinhold

von Karl Friedrich Müller am 05.08.2022 um 21:51 Uhr

So ist es. Die Ärzte hat noch nie interessiert, ob sie uns mit ihren Praxisverkäufen schaden. Da erscheint auch RX aus dem Praxisbedarf auf der Rechnung des Privatpatienten. Ausgeeinzelt. Shop in Shop. Oder halt in der Praxis. NEM und Anderes. Das Geschrei der Ärzte über unser Fehlverhalten ist so was von verlogen.

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Secure pharm

von Dr. Radman am 05.08.2022 um 20:49 Uhr

Wetten, dass Herr Lauterbach noch nie von secure pharm gehört hat!

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Erst impfen dann schimpfen

von Dr. House am 05.08.2022 um 16:16 Uhr

Die Ärzte haben nicht zuerst das Edikt von Salerno zum Wackeln gebracht.

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AW: Erst impfen dann schimpfen

von Michael Reinhold am 05.08.2022 um 16:56 Uhr

Bei uns in Deutschland ist das durchaus schon seit Jahrzehnten üblich, dass
- Ärzte Sprechstundenbedarf direkt an den Patienten abgeben.
- Ärzte von der Pharmaindustrie Arzneimittelmuster kostenfrei erhalten und diese direkt an den Patienten abgeben.
- Augenärzte befeuchtende Augentropfen (als Medizinprodukt) ihren Patienten verkaufen.

Dieses "Edikt von Salerno" hat die Ärzteschaft noch nie interessiert. Es hat die Ärzteschaft auch noch nie interessiert, ob wir Pharmazeuten etwas dagegen haben, dass sie schon seit Jahrzehnten Arzneimittel abgeben.

Ich traue mir wetten, dass innerhalb der Ärzteschaft auch nur wenige den Begriff "Edikt von Salerno" überhaupt kennen.
Die Existenz des "Edikts von Salerno" ist in der Geschichtswissenschaft übrigens völlig unbekannt; das "Edikt von Salerno" ist ein Märchen.

Dieses "Edikt von Salerno" wird von einigen Apothekern, die unfähig zum Impfen bzw. zu den ph. DL sind bzw. darauf einfach keinen Bock haben, jetzt nur ständig wieder rausgekramt, um darzulegen, dass man ja ständig SELBST an solchen politischen Entscheidungen SCHULD wäre.

Hört endlich auf zum Jammern!

AW: Erst impfen dann schimpfen

von Dr. House am 05.08.2022 um 23:37 Uhr

Wir sollten uns unserer Ausgangsposition sehr genau bewusst werden, bevor wir Urteile über Ärzte fällen. 2 Angriffe aufs ärztliche Jagdrevier in kürzester Zeit (Impfen, PDL). Macht es ruhig alle mit, wenn ihr meint wir haben genug Lobbypower um das gegen die Ärztelobbys und einen Mediziner als Gesundheitsminister durchzusetzen. Dieser Nebenkriegsschauplatz kostet uns wertvolle Energie, die uns für die Rettung unseres Kerngeschäfts fehlt. Aber wie war es schon damals bei der Glasgeräteausgabe im Studium? Apotheker kochen stets ihr eigenes Süppchen ohne strategischen Blick nach außen. Viel Spaß dann bei der Nachfolgersuche, ich hörte die junge Teilzeitgeneration steht hirnloser Selbstaufopferung etwas kritischer gegenüber.

Paxlovid durch Ärzte.

von Roland Mückschel am 05.08.2022 um 14:32 Uhr

Liebe Ärzte,
Es interessiert keine Sau welche
Meinung dazu die ABDA hat.

Macht es einfach wenn ihr meint dass
Es was bringt.

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