Die Top-12-Kinderarzneistoffe

Cefaclor für Kinder – die richtige Wahl bei Blasenentzündung?

Rosenheim - 19.09.2022, 07:00 Uhr

Neben Infektionen der Niere und ableitenden Harnwege, des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs, wie z. B. die Otitis media, sind Cefaclor-Säfte auch bei Gonorrhö sowie Infektionen der unteren Atemwege und der Haut indiziert. (Foto: Halfpoint / AdobeStock)

Neben Infektionen der Niere und ableitenden Harnwege, des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs, wie z. B. die Otitis media, sind Cefaclor-Säfte auch bei Gonorrhö sowie Infektionen der unteren Atemwege und der Haut indiziert. (Foto: Halfpoint / AdobeStock)


In der Serie „Die Top-12-Kinderarzneistoffe“ beleuchtet die DAZ die Arzneimittel, die laut TK-Arzneimittelreport am häufigsten von Kinder- und Jugendmedizinern verordnet werden. Neben Amoxicillin hat es das Antibiotikum Cefaclor in die Top 10 geschafft. Das orale Cephalosporin ist beispielsweise bei Infektionen der ableitenden Harnwege, der Atemwege sowie im HNO-Bereich zugelassen. Doch ist sein Einsatz immer sinnvoll?

Nässen Kinder plötzlich wieder ein, klagen über Schmerzen beim Wasserlassen oder haben Spuren von Blut im Urin, könnte eine Harnwegsinfektion (HWI) dahinterstecken. Säuglinge und Kleinkinder leiden dabei mitunter nur unter Fieber, unspezifischen oder sogar gar keinen Symptomen. Übeltäter ist meist E. coli.

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In unklaren sowie leichten Fällen eines HWI ohne Fieber, etwa einer unkomplizierten Blasenentzündung, kann der Kinderarzt durchaus zunächst eine erhöhte Trinkmenge und kurzfristige Kontrolle anordnen. Doch oft geht es nicht ohne Antibiose. 

Grundsätzlich sind dann besonders gut Antiinfektiva geeignet, die eine hohe Urinkonzentration erreichen. Nach der Einnahme des Oralcephalosporins Cefaclor landen innerhalb von 8 Stunden 50 bis 70 Prozent als mikrobiologisch aktive Substanz im Urin. Cefaclor scheint damit besonders gut für Infektionen der Niere und ableitenden Harnwege geeignet. Doch bei einer unkomplizierten Zystitis im Kindes- und Jugendalter sollten Ärzte möglichst kein Cefaclor (oder andere Oral-Cephalosporine wie Cefalexin, Cefpodoximproxetil, Cefixim) verordnen, um eine Resistenzbildung zu vermeiden. Eine geeignete Wahl ist gemäß Leitlinie Nitrofurantoin, Trimethoprim (TMP) – mit oder ohne Sulfamethoxazol (SMX) –, Nitroxolin, Amoxicillin/Clavulansäure und ab 12 Jahren auch Fosfomycin.

Harnwegsinfektion beim Kind? Ab zum Arzt!

Wann immer der Verdacht einer HWI (Harnwegsinfektion) besteht, sollte das Kind ärztlich untersucht werden. Denn obwohl bakterielle Harnwegsinfektionen bei Kindern häufig vorkommen, könnte auch eine Fehlbildung dahinterstecken. 

Die aktuelle S2k-Leitlinie zu Harnwegsinfektionen im Kindesalter empfiehlt daher, bei der ersten fieberhaften Harnwegsinfektion im Säuglings- und Kleinkindalter eine orientierende Ultraschalluntersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege durchzuführen. 

Laut Leitlinie sollten zur Therapie einer unkomplizierten Zystitis im Kindes- und Jugendalter prinzipiell keine hochwirksamen Reserveantibiotika eingesetzt werden. Gemeint sind damit z.B. Ciprofloxacin und Cephalosporine der Gruppe 2 oder 3 (z.B. Ceftriaxon, Cefotaxim oder Ceftazidim). Cefaclor ist laut Leitlinie ein Oralcephalosporin der Gruppe 1 (und gilt zur kalkulierten Therapie der Pyelonephritis als weniger geeignet als die Oralcephalosporine der Gruppe 3). Gegen Cefaclor sollen bei E. coli derzeit jedoch noch geringere Resistenzraten als gegen Trimethoprim bestehen. Deshalb kann es eine Alternative zu TMP sein – in Gebieten mit hoher Resistenzrate gegen TMP. Außerdem ist Cefaclor in den ersten Lebenswochen eine Alternative zu Trimethoprim und Nitrofurantoin. Denn beide sind in dieser Altersphase nicht zugelassen. Allerdings ist im Säuglingsalter an die relativ hohe Inzidenz von Enterococcus faecalis zu denken. Dieser Keim ist natürlicherweise resistent gegenüber Cephalosporinen, Cefaclor also wirkungslos. 

Zur Prophylaxe sollten Cephalosporine laut Leitlinie jedenfalls nicht oder nur „äußerst zurückhaltend“ eingesetzt werden. Als problematisch gilt der Einfluss der Cephalosporine auf die Selektion von ESBL (Extended Spectrum Beta-Lactamase) – produzierenden Bakterien, deren Anteil bei kindlichen HWI laut Leitlinie beunruhigend zunimmt.

Chephalosporine möglichst vermeiden und richtig dosieren

Somit überrascht es nicht, dass Cefaclor auch im Konsensuspapier der „Arbeitsgemeinschaft Antibiotic Stewardship ambulante Pädiatrie“ nur in wenigen Indikationen (v.a. Hautinfektionen) als Alternative genannt wird – bei Harnwegsinfekten wird es im Rahmen der Infektionsprophylaxe zwar genannt, aber eben mit dem Hinweis Cephalosporine aufgrund von Resistenzbildung möglichst zu vermeiden. 

Das Keimspektrum von Cefaclor umfasst gram-positive Keime wie Staphylokokken und Streptokokken. Die oralen Säfte sind bereits ab einem Monat zugelassen und werden je nach Einsatzgebiet und Alter unterschiedlich dosiert. 

Das „Kinderformularium.DE“, eine unabhängige Datenbank für evidenzbasierte Informationen zur Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen, gibt für 

  • Kinder von ≥1 Monat bis ≤5 Jahre an, dass Cefaclor üblicherweise mit 30 mg/kg Körpergewicht pro Tag dosiert wird – aufgeteilt in drei Einzeldosen. 
  • Bei schweren Infektionen oder Otitis media können 40 bis 50 mg/kg KG als Gesamttagesdosis zum Einsatz kommen. 
  • Für unkomplizierte Infektionen der ableitenden Harnwege genügen laut Fachinformation hingegen 20 mg Cefaclor/kg KG in zwei oder drei Tagesdosen. 
  • Bei der Prophylaxe von Harnwegsinfektionen reichen laut Leitlinie sogar nur 10 mg/kg/KG als einmal tägliche Abendgabe aus, Cephalosporine sind in der Prophylaxe wie erwähnt jedoch zu vermeiden. 
  • Von ≥6 Jahre bis ≤10 Jahren gelten 250 mg Cefaclor alle acht Stunden als Normaldosierung. 
  • Über 10 Jahre dann 500 mg alle acht Stunden.

Wie soll das Apothekenteam bei Ohrenschmerzen beraten?

Heftig, aber meistens nur kurz

Neben Infektionen der Niere und ableitenden Harnwege, des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs, wie z. B. die Otitis media, Sinusitis, Tonsillitis, Pharyngitis, sind Cefaclor-Säfte auch bei Gonorrhö sowie Infektionen der unteren Atemwege und der Haut und der Weichteilgewebe indiziert. In der „DEGAM-Leitlinie Nr. 7“ zu Ohrenschmerzen, die 2019 allerdings abgelaufen ist, heißt es: „Cefuroximaxetil wird als einziges Oralcephalosporin zur 5-Tagesbehandlung der akuten Otitis media empfohlen“, und: „Oralcephalosporine sind Mittel der Reserve“. Auch wenn für den Einsatz von Cefaclor also zwar eine gesonderte Dosierung vorgesehen ist, sollte es auch in dieser Indikation eigentlich gar nicht zum Einsatz kommen. 

Einnahmehinweise

Wie bei anderen Antibiotika treten unter Cefaclor häufig Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit oder auch weicher Stuhl und Durchfall auf. Meist sind diese Nebenwirkungen nur leichter Natur und vergehen spätestens mit Beendigung der Therapie wieder. Insbesondere bei schweren, langanhaltenden Durchfällen muss natürlich der Arzt hinzugezogen werden. Allergische Reaktionen wie Juckreiz oder Ausschläge treten häufig auf, gelegentlich sind auch schwere Haut- oder Überempfindlichkeitsreaktionen möglich („Serumkrankheitsähnliche Reaktionen“).

Beratungstipp: Cefaclor kann die Zähne verfärben. Um das zu verhindern, sollten Eltern während der Behandlung auf eine intensive Mundhygiene achten!

Die gleichzeitige Kombination mit bakteriostatischen Antibiotika wie Tetrazyklinen Chloramphenicol oder Erythromycin vermindert die Wirkung von Cefaclor und sollte unterbleiben. Ansonsten müssen Wechselwirkungen mit dem Urikosurikum Probenecid (Cefaclorausscheidung sinkt, Wirkspiegel von Cefaclor steigt und ist verlängert) sowie mit Antikoagulantien vom Cumarin-Typ beachtet werden. Weitere Interaktionspartner sind Clozapin, bakterielle Lebendimpfstoffe und nephrotoxische Substanzen. 

Cefaclor darf sowohl nüchtern als auch zu einer Mahlzeit eingenommen werden.


Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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