GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

Ullmann (FDP): „Das Gesetz macht mir auch keine Freude“

Berlin - 23.09.2022, 12:15 Uhr

Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, gefällt es laut eigener Aussage nicht, bei Leistungserbringern trotz ihrer hochwertig erbrachten Leistungen Einsparungen vorzunehmen. (a / Foto: IMAGO / photothek)

Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, gefällt es laut eigener Aussage nicht, bei Leistungserbringern trotz ihrer hochwertig erbrachten Leistungen Einsparungen vorzunehmen. (a / Foto: IMAGO / photothek)


Der Bundestag hat den Entwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz erstmals beraten und in den Gesundheitsausschuss überwiesen. Bei der rund 70-minütigen Debatte verteidigten die Ampel-Koalitionäre die Regierungsvorlage – auch wenn nicht alle durchweg mit ihr glücklich sind. Sie betonten wiederholt, dass strukturelle Reformen folgen werden. Für die Anliegen der Apotheken setzte sich in der Debatte niemand ausdrücklich ein.  

Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist im Parlament angekommen. Heute fand im Bundestag die 1. Lesung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung statt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies als erster Redner erneut darauf hin, dass die jetzige Regierung ein „historisches“ Defizit geerbt habe. Dieses sei entstanden durch demografische Entwicklung, bessere medizinische Technologie und auch ausgebliebene Strukturreformen. Ausdrücklich betonte Lauterbach aber, dass dies keine Kritik sein solle – es hätten mit der Pandemie andere Schwerpunkte im Vordergrund gestanden. Nun müsse man das Defizit gemeinsam und ohne Schuldzuweisungen beseitigen. 

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Dabei habe er sich von drei Grundprinzipien leiten lassen, erklärte der Minister. Zuvorderst steht dabei die Prämisse, keine Leistungskürzungen vorzunehmen. In einer Phase wie derzeit – geprägt unter anderem von Krieg, Inflation, Energiekrise – müsse man zusammenhalten. Die Menschen müssten sich auf eine sichere Gesundheitsversorgung verlassen können. Zum Zweiten müsse man erst an die Effizienzreserven, ehe man Beiträge erhöhe. Was man auch mit diesen Reserven nicht schaffe, müsse dann fair auf alle anderen verteilt werden: Über Steuermittel und moderat erhöhte Beitragssätze, an denen auch die Arbeitgeber beteiligt seien. 

Lauterbach sieht Effizienzreserven bei den Kassen

Als Beispiel für vorhandene Effizienzreserven, die „in keinem Fall die Versorgung verschlechtern“, ging Lauterbach nicht etwa auf seine Sparpläne bei Apotheken ein. Er verwies vielmehr auf Wettbewerbsverzerrungen, die es bei den Krankenkassen gebe: Einige hätten sehr hohe Rücklagen, andere nicht. Diese Rücklagen müssten erst einmal der Versorgung zugeführt werden. Mache man das nicht, nutzen das einige Kassen zum Beispiel dazu, die Altersrückstellungen für ihre Vorstände massiv aufzustocken. Es gebe Krankenkassen, da verdiene der Vorstand deutlich mehr als der Bundeskanzler, so Lauterbach. „Darüber muss nachgedacht werden“. 

Dem Lobbydruck Stand halten

Die Versorgung werde auch nicht dadurch schlechter, dass das Pflegebudget bereinigt werde, erklärte der Minister weiter. Hier seien derzeit Doppelabrechnungen möglich. Was den Arzneimittelsektor betrifft, sprach Lauterbach nur die Industrie an: Deutschland sei ohnehin schon der innovationsfreundlichste Markt in Europa – da sei es nur fair, die freie Preisbildung für neue Arzneimittel von zwölf auf sechs Monate zu kürzen. Dass es noch anders sei, sei nur dem Lobbydruck der vergangenen Jahre geschuldet. „Bei allem Verständnis für die Lobbygruppen, die bei uns jeden Tag vorsprechen“ müsse die Regierung für die Versicherten, Steuerzahler und Verbraucher stehen, sagte der Minister. Und so werde man ihrem Druck „bei unberechtigten Angriffen“ Stand halten.   

Nicht zuletzt betonte Lauterbach: „Nach der Reform ist vor der Reform“. Klar sei, dass eine langfristige Strukturreform folgen müsse. Es werde eine Dynamisierung des Bundeszuschusses und auskömmliche Beiträge für Arbeitslosengeld(ALG)-II-Empfänger geben. Er bitte um Verständnis, dass aber zunächst die Effizienzreserven gehoben werden müssten. Kurzfristig werde man überdies zum Beispiel für eine Entlastung der Krankenhäuser sorgen, die derzeit unter den erheblichen Energiekosten leiden.  

Klaus Holetschek (CSU):  „Versorgungsdestabilisierungsgesetz“

Im Bundestag kam zudem der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) zu Wort. Er ließ kein gutes Haar am Spargesetz – es sei ein „Versorgungsdestabilisierungsgesetz“, das alle wirklich wichtigen Themen außer Acht lasse. Statt des Gesundheitsministers machten jetzt der Bundesfinanz- und der Bundesjustizminister Gesundheitspolitik. Das sei schlicht eine „Kapitulation“. Die Länder haben im Bundesrat vielfältige Änderungen eingefordert, die Holetschek teilweise nochmals ansprach. Das, was die Ampel für die nächste Reform verspreche, müsse schon jetzt geschehen. Insbesondere bei den Beiträgen für ALG-II-Empfänger will der CSU-Mann nicht warten – doch dem steht derzeit der eiserne Wille von Finanzminister Christian Lindner (FDP) entgegen, die Schuldenbremse einzuhalten. Holetschek ist zwar auch bewusst, dass es eine Zeit ist, in der man zusammenhalten muss – aber die Regierung setze bei dem Gesetz die falschen Schwerpunkte. Klar sei, dass auch die Pharmaindustrie einen Beitrag leisten müsse – und auch wolle. Aber es gehe ums „Wie“ – es müsse zuvor ein Pharmadialog stattfinden, sonst mache man den Standort kaputt. Der bayerische Minister sprach auch noch die Zahnärzte an, nicht aber die Apotheken. 

Verteidigt wurde der Entwurf dann wiederum von Vertretern der Ampelkoalition: Maria Klein-Schmeink (Grüne) betonte, dass man schnell eine Übergangsregelung schaffen müsse und versprach, dass die Zusagen des Koalitionsvertrages umgesetzt würden. Sie entgegnete Holetschek, was die Ampel vorfinde, sei das Ergebnis 16 Jahre unionsgeführter Gesundheitspolitik.  

Ullmann: Gesundheitssystem muss für Leistungserbringer auskömmlich finanziert werden

Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion erklärte: „Dieses Gesetz macht mir auch keine Freude“. Ihm gefalle es nicht, Zusatzbeiträge zu erheben und zu Leistungserbringern zu gehen, um ihnen zu sagen, dass man trotz ihrer hochwertig erbrachten Leistungen Einsparungen vornehmen müsse. „Aber was ist die Alternative?“  Auch Ullmann versicherte: Es handele sich nur um einen ersten Schritt, nicht den letzten. Klar sei, dass das Gesundheitssystem „menschlicher, digitaler, ambulanter, vernetzter, bedarfsgerechter und innovativer“ werden müsse – und für Leistungserbringer auskömmlich finanziert.  

Christos Pantazis (SPD) war der einzige, der kurz die Apotheken nannte – zusammen mit den anderen Leistungserbringern, die ihren Beitrag zur Stabilisierung der Kassenfinanzen leisten würden. Auch aus seiner Sicht ist es richtig, die Lasten solidarisch auf alle Schultern zu verteilen. 

Nun ist der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in den federführenden Gesundheitsausschuss des Bundestages überwiesen. Dort wird sich zeigen, ob Karl Lauterbach die Abgeordneten der Ampelfraktionen wirklich auf seiner Seite behalten kann. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Finanzstabilisierungsgesetz.. Quo vadis...

von Hans Gerhard Christoph am 27.09.2022 um 19:47 Uhr

Es gäbe in Tat einige effektive Stellschrauben zur Entlastung:
1. Gesetzgeber senkt die M.W.S.T. von 19 % auf 7 %
Die M.W.S.T. für Bücher beträgt auch 7 %
2. Pharmaindustrie Mondpreise f. neue Medikamente
12 Monate, unkontrolliert, zu erlauben ist blanker Hohn
Jeder ordentliche Kaufmann ist in Lage Produktpreis
seriös zu kalkulieren !
Der Pharmastandort sei gefährdet....wenn
Mondpreise wegfallen würden ....lächerlich ..
3. das Scheinargument von Holetschek ein Pharmadialog
sei notwendig ist doch blanke Effekthascherei !!
4. Prof.Dr.med.Ullmann ( FDp) will ja möglichst alle
kleinen Krankenhäuser platt machen..jetzt nicht mehr?
5. die unverschämten Vorstandsgehälter der gesetzlichen
Krankenkassenvertreter/in, z.B. Frau Dr.Striffler AOK
Bayern, sind mit ca. 350 000,00 Euro Raub an den
Zwangsbeiträgen der kleinen Leute !!! ?

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Sparen bei Kassen anfangen...

von Thomas Eper am 24.09.2022 um 9:38 Uhr

Wenn die Krankenkassen bei zahlreichen Medikamenten auf die Zuzahlung verzichten können und so lange Geld für Werbung und Sponsoring (z.B. Handball) da ist, kann es mit dem "Defizit" der Kassen nicht so gravierend sein!
Die Anzahl der Kassen reduzieren wäre vielleicht auch mal eine Überlegung wert (v.a. bei den exorbitanten KK-Manager-Gehältern).
Warum Leistungserbringer die Misswirtschaft der Kassen ausbaden und diese mitfinanzieren sollen, erschließ sich mir nicht.
Die Verwaltungskosten der Kassen sind mehr als doppelt so hoch, wie die durch das Apotheken-Honorar (seit 10 Jahren nicht angepasst!) verursachten Kosten!
Wo man mit dem Sparen ansetzen sollte, dürfte jedem einleuchten.

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AW: Deutsche gesetzliche Krankenkasse für alle ...auch Freiberufler...

von Hans Gerhard Christoph am 09.10.2022 um 17:46 Uhr

die gesamten,viele Millionen Euro Zwangsbeiträge vernichtenden gesetzlichen Krankenkassen, sind in einer Deutschen Krankenkasse zusammenzufassen.
Auch Freiberufler / Ärzte, Apotheker/innen sind dann Zwangsmitglieder. Immerhin entnehmen gerade diese Berufsgruppen Milliarden " solidarisch" auch aus dem Gesundheitsfond. Bei der Finanzierung durch Zwangsmitgliedschaft, und Zwangsbeiträgen hört allerdings die Solidarität auf ! Aha...
Also alle gesetzlichen Krankenkassen in einer gesetzlichen Krankenkasse, für auch Freiberufler/innen, zusammenfassen, spart auch viele Millionen von Vorstandsgehältern und Verwaltungskosten. Im übrigen
muss ein strenges staatliches Kontrollgremium her.
Dann ist auch Schluss mit der internen Selbstkontrolle über die Zwangsbeiträge der Zwangsversicherten...Dies alleine ist schon ein Skandal...seit Jahrzehnten...

PROSeniorenPAKT

Wo bleibt eigentlich "unsere" Lobbyvertretung?

von Thomas B am 23.09.2022 um 20:08 Uhr

Es wird als kommen wie jedes Jahr: "Wir" werden geschröpft. Die Ärzteschaft erkämpft sich 780 Mio und die Zusage auf einen Inflationsausgleich im nächsten Jahr. Perfide sind die Instrumente des Preismoratoriums, der Festbeträge und der fixen und nicht inflationsbereinigten Apothekenhonorierung. Aber Hauptsache, die Löhne und Diäten steigen und die Spargelfahrt findet statt....
Apotheken zahlen an JEDER Front drauf: Inflation, Energie, Kassenabschlag, Gehälter, Lohnnebenkosten, Coronaprämie, Infektionsschutzgesetz, Erhöhung der Notdienstfrequenz..... Dafür kriegen sie als "Bonbon" den großen Wurf der pDL und die Impfberechtigung - aber bloss keine Honoraranpassung oder gar eine inflationsgesteuerte Dynamik. Natürlich können sie das Impfen nicht abrechnen und müssen auch den Impfstoff aus eigener Tasche zahlen, weil sich DAV und GKV weder einigen können noch sich an die explizite und exakte Vorgabe halten, rechtzeitig den Vermittlungsausschuss anzurufen. Aber wozu auch, es ist ja ohnehin alles bereits abgegolten.... Und frei nach Herrn Ströbele (Gott hab ihn selig): "Wir quälen euch so lange, bis eure Zahl so ist, wie wir sie uns vorstellen....... "
Wir jedenfalls werden ein Plakat in unseren Gehweg-Reiter stellen, auf dem steht, warum wir NICHT impfen! Stimmt nicht ganz...warum wir ausschliesslich Privatpatienten impfen können. Mit Kontaktadressen und QR-Links zum GKV Spitzenverband, obigem Artikel, dem DAV und dem BMG.

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Der "Einsatz" im Bundestag für UNS

von Dr.Diefenbach am 23.09.2022 um 12:46 Uhr

....hat jemand ernsthaft gedacht, dass man wirtschaftliche Interessen der praktischen PharmazeutInnen in der Debatte deutlich !!! vertritt?Irgendwann wird, sollte das so weitergehen, tatsächlich eine Reaktion auf der Strasse stattfinden(müssen).Irgendwie driftet DIESE Gesellschaft derart auseinander, dass eines Tages tatsächlich die Bürger aufstehen!Wenn dieses System erlaubt, dass Gehälter jenseits der 3oo TE für KK-Vorstände bereitstehen, dazu oft noch in Gegenden, wo sich lokale Strukturen überlappen, wenn sich Leute im Bundestag wie zu hören ist die Diäten wieder erhöhen,die breite Gesellschaft aber demnächst bei gleichbleibender Wirtschaftsstruktur dann vielleicht 75 % der Einkünfte für die LebensBASIS tragen muss, dann rückt auch im diesbezüglich zahmen Deutschland der Tag näher an dem Szenen auftauchen,die die Politik nicht mehr wegdebattierten kann.Der Umgang mit den Apothekerinnen ist arrogant, herabwürdigend und von dem Tunnelblick der Betriebsergebnisse 2020 und 2021 geprägt!!!Aber offenbar ist das Fernziel mit vielleicht 10-12ooo Betrieben insgesamt so durchsetzbar, dass man Fakten !!! wie ja am Apotag dargestellt einfach übersieht!!!Interessant ist es auch zu erfahren,WIE Herr Lauterbach das Verhalten seiner Berufskollegen zB. in der Funktionärsebene Hessen beurteilt, auch mal öffentlich!! Und alles ANDERE als der Verzicht auf die Abschlagserhöhung auf 2 Euro wäre das berühmte Wunder.Wer weiss schon, welche Interessensgruppen die Durchsetzung DIESES Punktes befürworten...

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AW: Krankenkassenvorstände wie Frau Dr.Striffler-AOK Bayern

von Hans Gerhard Christoph am 27.09.2022 um 19:30 Uhr

nur ein Gesichtspunkt :
Die 1.Vors.der AOK Bayern, kann jeder im Internet nachlesen,
hat aktuell ca. 350 000,00 € Jahressalär, mit automatischer jährlicher Erhöhung, aha vorsorglicher Inflationsausgleich....
Die arme Leute Kasse wird gerade von der CSU Bayern stetig hingenommen. Die AOK Bayern öffnet sich NICHT bundesweit.
Warum, damit entzieht sich die AOK der Kontrolle auf Bundesebene...
Wer unternimmt etwas dagegen ? Herr Pflegeminister Holetschek etwa ? ach ne....der schweigt und schweigt ..
Wo sind die über 40 Milliarden Rücklagen der gesetzl.Krankenkassen geblieben? in Luft aufgelöst.. ?
Dies wären die tatsächlichen wichtigen Fragen die geklärt werden müssten, statt Zwangsbeiträge erhöhen.
Hans Christoph
PRO Senioren PAKT
Bayern

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