Update aus der Ukraine

Wie es für Apotheker ohne Grenzen in der Ukraine weitergeht

28.09.2022, 09:15 Uhr

Im Kinderkrankenhaus in der Ukraine in Rivne, ist eine weitere Medikamenten-Lieferung von Apotheker ohne Grenzen eingetroffen. (a / Foto: AoG)

Im Kinderkrankenhaus in der Ukraine in Rivne, ist eine weitere Medikamenten-Lieferung von Apotheker ohne Grenzen eingetroffen. (a / Foto: AoG)


Die Hilfsorganisation Apotheker ohne Grenzen organisiert seit Beginn des Krieges in der Ukraine Arzneimitteltransporte in die umkämpften Gebiete. Wir haben Projektkoordinatorin Dr. Martina Gerhardt gefragt, wie es dort weitergeht. 

Seit Februar 2022, also seit den ersten russischen Angriffen, organisiert Apotheker ohne Grenzen Deutschland e.V. (AoG) die Lieferung von lebensnotwendigen Medikamenten in das von Angriffen gezeichnete Land.

Insgesamt konnten laut AoG in diesem halben Jahr mehr als 130 Hilfslieferungen mit lebensnotwendigen Medikamenten und Verbandstoffen im Gegenwert von circa zwei Millionen Euro Spendengeldern in 40 verschiedene Zielorte der Ukraine gebracht werden. Die Koordination der gesamten von AoG geleisteten Hilfe für die Ukraine erfolge durch ein dreiköpfiges, hauptamtlich arbeitendes Koordinationsteam, welches durch eine Vielzahl von ehrenamtlichen, geschulten Einsatzkräften unterstützt wird.

Ein Teil des Ukraine-Koordinationsteams von Apotheker ohne Grenzen ist Dr. Martina Gerhardt, die als hauptamtliche Projektkoordinatorin bei Apotheker ohne Grenzen tätig ist. „Unsere Hauptaufgabe ist es, Hilfslieferungen in die Ukraine mit Arzneimitteln und Verbandstoffen zu organisieren. Wir haben anfangs sehr viele Hilfsgesuche aus den Kliniken direkt bekommen, die wir dann immer versucht haben bedarfsgerecht zu beliefern. Das machen wir auch weiter so! Mittlerweile haben wir aber auch Partnerschaften mit verschiedenen Hilfsorganisationen schließen können, mit denen wir dann zusammen diese Lieferungen etwas routinierter gestalten können“, so Gerhardt.

Norbert Fischer vom Sana Klinikum in Berlin unterstützt bei der Verladung der Infusionspaletten. | (Bild: AoG)

Die Transporte erfolgten zügig und wenn möglich direkt und ohne Zwischenlagerung in entsprechenden Lagerhallen der Westukraine, z. B. in Lviv oder Kyiv. Während des Transportes würden die Arzneimittel sachgerecht und wenn nötig gekühlt gelagert. Nach erfolgreicher Zustellung der Lieferung erhält Apotheker ohne Grenzen eine schriftliche Bestätigung des Medikamenteneingangs, oft kombiniert mit einem Dankesschreiben vom medizinischen Ansprechpartner der Empfängerklinik. Dieses Procedere habe sich bewährt, 99 Prozent der Lieferungen seien an ihrem Bestimmungsort angekommen.

AoG setzt auf schon vorhandene langjährige Partnerschaften

Bei der Organisation der Arzneimittellieferungen direkt zu den Empfängerkrankenhäusern setzt die Hilfsorganisation auf schon vorhandene langjährige Partnerschaften, z. B. mit action medeor, den Johannitern oder den German Doctors. Mittlerweile konnte aber auch eine Vielzahl von neuen Partnerschaften etabliert werden. 

So arbeitet Apotheker ohne Grenzen eng mit dem Blau-Gelben Kreuz e.V. aus Köln zusammen. Diese schon nach der Annexion der Krim gegründete Hilfsorganisation ist durch ihre Vielzahl von ehrenamtlichen Helfern mit ukrainischen Wurzeln sehr gut vor Ort vernetzt, so dass auch die Kliniken in abgelegenen bzw. frontnahen Gebieten der Ukraine über direkte, dezentrale Medikamententransporte erreicht werden können. 

Martina Gerhardt (2. von rechts) zu Besuch im Medikamentenlager der Partnerorganisation des Blau-Gelben Kreuzes  (Foto: AoG)

Mit Unterstützung von Universitätskliniken im Raum Nordrhein werden z. B. Medikamente beschafft, die in sogenannten Trauma-Kits zusammengestellt vor allem für die Versorgung von Patienten mit Kriegsverletzungen essenziell sind. Diese Kits haben sich sowohl für die Verwendung in Kliniken in den umkämpften Gebieten als auch in kleinerer Form als „Rescue Backpacks“ für Feldeinsätze bewährt.

Situation verschlechtert sich wohl

Aus den persönlichen Berichten der zahlreichen Partner vor Ort schließen die Mitarbeitenden von Apotheker ohne Grenzen auf eine sich weiter verschlechternde Situation: Während die Kämpfe in der Ukraine unvermindert weitergehen, werde die Versorgungslage vor allem in der Ost- und Südukraine immer prekärer. 

Einer steigenden Zahl von Binnenflüchtlingen und Schwerverletzten, die durch das überlastete ukrainische Gesundheitssystem nur unzureichend versorgt werden könnten, stünde ein massiver Rückgang von Hilfslieferungen aus dem Ausland gegenüber. Aus der Stadt Dnipro im Zentrum der Ostukraine unweit des Frontverlaufes, aber auch aus der weiterhin bombardierten Stadt Charkiv werden AoG große Versorgungslücken gemeldet. 

Aufgrund vielfach zerstörter pharmazeutischer Infrastruktur und unterbrochener Lieferketten vor allem in den umkämpften Gebieten sei eine zuverlässige Beschaffung von Arzneimitteln vor Ort nach wie vor kaum möglich. Apotheker ohne Grenzen erhält auch weiterhin zahlreiche Bedarfsanfragen aus ukrainischen Kliniken. 

Finanzielle Unterstützung wird weiter benötigt

„Leider ist es so, dass besonders die Spendenbereitschaft, die am Anfang enorm war, sehr nachgelassen hat. Wir appellieren noch einmal, dass noch weiter gespendet wird. Wir bekommen täglich neue Hilfsanfragen aus der Ukraine direkt und die Lage ist nach wie vor prekär. Da hat sich auch noch nichts verbessert und alles ist sehr unübersichtlich. Man weiß nie, wo die nächste Bombe einschlägt und es fehlt einfach hinten und vorne an vielen Dingen, besonders im Gesundheitsbereich. Wie wir von Partnerorganisationen hören oder auch aus der Situation in der Ukraine selber mitkriegen, treffen dort jetzt aufgrund der zurückgehenden Spendenbereitschaft viel weniger Hilfslieferungen ein als noch am Anfang. Bezogen auf Medikamente, aber auch auf andere Hilfsgüter“, berichtet Martina Gerhardt.

Wer spenden oder sich als Fachkraft engagieren möchte, kann dies über die Website des Vereins tun: www.apotheker-ohne-grenzen.de

Wie können Apotheker:innen helfen? 

Fortbildungspunkte spenden

Eine einfache Möglichkeit, finanziell zu helfen, ist das Spenden von DAP-Prämienpunkten. Auf PTAheute.de finden Sie zahlreiche Produktfortbildungen von Firmen, die Sie dabei unterstützen, ein breites Spektrum an Empfehlungen für Ihre Kunden parat zu haben. Und als besonderes Extra können Sie mit diesen Fortbildungen auch DAP-Prämienpunkte sammeln.  

PTAheute und das DeutscheApothekenPortal bieten die Möglichkeit an, das DAP-Punkte-Guthaben mit einem Klick in eine Spende für „Apotheker ohne Grenzen“ umzuwandeln.

Spendenbox und Schaufensterdeko

Apotheken können auch eine Spendenbox von Apotheker ohne Grenzen aufstellen, die bei der Geschäftsstelle von AoG angefordert werden kann. Außerdem verleiht die Hilfsorganisation Schaufensterdeko, die man kostenlos ausleihen kann. 

„Wir denken mittelfristig, wir denken auch langfristig, auch im Hinblick auf den Wiederaufbau. Nach Ende des Krieges wollen wir auf jeden Fall auch in der Ukraine weiter helfen und tätig sein. Und dafür brauchen wir eben einfach die finanzielle Unterstützung“, so Projektkoordinatorin Dr. Martina Gerhardt.

Andere Projekte laufen weiter

Spender, so Gerhardt, müssten sich auch keine Gedanken machen, dass alles Geld nun in die Ukraine fließen würde. Natürlich liefen auch alle anderen Projekte normal weiter und würden finanziell unterstützt, beispielsweise das Hilfsprojekt in Tansania. Jedes Projekt, so Gerhardt, habe seine eigenen „Töpfe“, aus denen es bedient würde.

Spendenkonto: 

Deutsche Apotheker- und Ärztebank 
IBAN: DE 88 3006 0601 0005 0775 91   
BIC: DAAEDEDDXXX   
Verwendungszweck: „Ukraine-Hilfe“


Cornelia Neth, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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